Vor dem Corona-Gipfel kommende Woche mit Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten fordert die Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg, dass ein Shutdown der kompletten Wirtschaft verhindert werden muss. In Rottweil planen die Einzelhändler ebenfalls, sich zu Wort zu melden, erfuhr die NRWZ. „Wir als GHV beziehungsweise die Händler müssen aktiv werden“, sagte einer, der namentlich noch nicht genannt werden will. Denn „dem einen oder anderen geht der Ar… finanziell jetzt schon auf Grundeis …“
Die Novemberhilfen sind immer noch nicht bei allen angekommen – jetzt, Mitte Januar. „Wir müssen aktiv darauf aufmerksam machen“, dass den Einzelhändlern wirtschaftlich die Puste ausgehe, so ein Mitglied des Gewerbe- und Handelsvereins (GHV) Rottweil in einem Hintergrundgespräch mit der NRWZ. Es sei eine Aktion geplant. Nächste Woche.
Vielen Händlern geht die Puste aus
Hintergrund: Nach einer Erhebung des Handelsverbands Deutschland haben 71 Prozent der Unternehmen seit Beginn der Krise staatliche Unterstützungshilfen erhalten, 23 Prozent haben derzeit staatliche Hilfen beantragt. Und 69 Prozent planen, einen Antrag auf Überbrückungshilfe 3 zu stellen. Aber: 79 Prozent reichen die aktuellen Hilfsmaßnahmen nicht zur Existenzsicherung aus. Im Klartext: ihnen geht die Puste allmählich aus. Was bedeutet, dass Insolvenzen drohen.
So sagen laut dem Handelsverband 23 Prozent der Händler: „Ja, ohne weitere Hilfen werde ich mein Geschäft voraussichtlich im ersten Halbjahr aufgeben müssen.“ 28 Prozent glauben, sich bis ins zweite Halbjahr retten zu können, dann sei aber Schluss. Insgesamt kommt die Umfrage zum Ergebnis: 58 Prozent der Innenstadthändler bundesweit werden ihr Geschäft ohne weitere Hilfen in diesem Jahr aufgeben. Das wäre ein Massensterben. Am meisten kämpfen demnach die Anbieter von Bekleidung und Textilien sowie Schuhen und Lederwaren ums Überleben. Bis zu 42 Prozent von ihnen fühlen sich laut der Umfrage in ihrer Existenz bedroht. Krisenfester scheint dagegen der Handel mit Uhren und Schmuck zu sein.
Immerhin stellen sich die Händler auch mit eigener Energie gegen die Krise: Nur 19 Prozent haben kleinen alternativen Vertriebsweg aufgebaut wie etwa Lieferservices und „Click & Collect“, so der Handelsverband.
IHK warnt davor, Unternehmen lahmzulegen
Unterdessen kämpft die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg für den Erhalt der Wirtschaft insgesamt. „Die Unternehmen, die jetzt noch arbeiten, finanzieren das Gesundheitssystem und die staatlichen Maßnahmen zu einem großen Teil mit“, erläutert IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Albiez. Der alltägliche Infektionsschutz sei die beste Strategie gegen die andauernde Corona Pandemie. Die Unternehmen der Region leisteten hier einen wertvollen Beitrag: Laut einer aktuellen IHK-Umfrage praktizieren zwei Drittel der Unternehmen Homeoffice und nehmen hier auch Produktivitätseinbrüche in Kauf. Sie beklagen dabei die fragile digitale Infrastruktur als größtes Hindernis.
„Die Unternehmen der Region lassen flächendeckend von Zuhause arbeiten. Wenn jetzt einheitliche Vorgaben gemacht werden, laufen wir Gefahr, so in die Betriebsabläufe der Unternehmen einzugreifen, dass sie vollständig lahmgelegt werden,“ warnt Albiez.
Zudem verweist er auf die Daten des Sozialministeriums Baden-Württemberg: Danach können 65 Prozent der Infektionen keinem Ursprungsort zugeordnet werden. Von den erfolgreichen Nachverfolgungen konnte die Infektion nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich auf den Arbeitsplatz zurückgeführt werden können. „Dies hat mit den strukturierten und strengen Hygienekonzepten in den Unternehmen zu tun“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer. Belegt sei dagegen, dass Ansteckungen vorrangig im privaten Bereich zu suchen seien, wo Kontakte unkontrolliert und ohne vergleichbare Hygienekonzepte stattfänden.
Die Unternehmen bauten die Möglichkeiten zum Arbeiten von zu Hause konsequent weiter aus, um ihren Beitrag zur Reduzierung der Kontakte zu leisten. Homeoffice werde, wo möglich, fast vollständig ausgeschöpft, so die Umfrage der IHK. Das größte Hemmnis bei der Umsetzung: die unzureichende digitale Infrastruktur. Drei Viertel der befragten Unternehmen berichten von gelegentlichen bis erheblichen Schwierigkeiten mit der Zuverlässigkeit von Breitband und Mobilfunk.
„Die Unternehmen stellen sich der gesellschaftlichen Verantwortung und nehmen dabei auch in Kauf, dass die Produktivität sinkt, vor allem da, wo Beschäftigte mit Kita- oder Schulkindern im Homeoffice parallel ihre Kinder betreuen müssen. Es entstehen auch zum Teil Spannungen zwischen Beschäftigten, deren Tätigkeit Arbeiten von Zuhause möglich sind und denen, die vor Ort unverzichtbar sind. Es ist deshalb ärgerlich, dass dieser erhebliche Beitrag zur Pandemiebekämpfung, den Unternehmen und Beschäftigte leisten, in der aktuellen Debatte häufig verkannt wird.“
„Lebensgrundlagen werden zerstört“
Die stärkeren und längeren Einschränkungen gepaart mit ausbleibenden Hilfen sei aktuell die größte Gefahr für viele Betriebe. „Die Gelder müssen jetzt verlässlich und unverzüglich fließen. Kamen viele Branchen und Unternehmen bereits letztes Jahr in starke Bedrängnis, drohen nun Lebensgrundlagen zerstört zu werden“, so Albiez abschließend.