„Dass eine Person so herauskommt, ist für mich ein Wunder“ – beim Prozess um den Brand im Gefängnis kurz vor Weihnachten wurden zwei Sachverständige gehört.
Rottweil – Tag zwei des Prozesses vor dem Rottweiler Landgericht. Weiter wenig Interesse seitens der Öffentlichkeit. Aber Erkenntnisse, geliefert vom Brandsachverständigen und von einem Psychiater. Erkenntnisse, die womöglich den Beschuldigten aus dem staatlichen Gewahrsam bringen könnten: Die Erste Große Strafkammer des Landgerichts Rottweil stellte dem psychiatrischen Gutachter Fragen, die darauf hindeuten könnten.
Wie berichtet, werden dem 30-Jährigen Körperverletzung an einem Mitgefangenen sowie schwere Brandstiftung in Tateinheit mit Gefährlicher Körperverletzung zur Last gelegt – er soll einen Mitgefangenen verprügelt und in seiner Zelle ein Feuer gelegt haben. Weil die Justiz von einer Schuldunfähigkeit ausgegangen ist, geht es bei dem Verfahren um die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Zunächst hatte Dr. Ralf Kozian, Chefarzt im Vinzenz-von-Paul-Hospital, in seinem Gutachten festgestellt, dass der beschuldigte 30-Jährige zum Zeitpunkt seiner Taten am 23. Dezember 2022 schuldunfähig war – er konnte wegen seiner Krankheit, eher einer paranoiden Schizophrenie als einer drogenbedingten Psychose, das Unrecht seiner Taten nicht einsehen. Eine Heilung der psychischen Störung wäre möglich im Zusammenhang mit Medikation und therapeutischen Gesprächen, so der Sachverständige. Dieses sei am besten in einer Psychiatrie möglich. Kozian empfahl daher eine Einweisung.
Doch nun wies die Vorsitzende Richterin Schweizer darauf hin, dass auch eine Aussetzung der Unterbringung in einer Psychiatrie in Frage kommt (Paragraf 67 b des Strafgesetzbuches). Dies, weil die medikamentöse Behandlung und die Therapie auch ambulant möglich wären. Dabei brachte sie auch eine regelmäßige Überprüfung ins Spiel, ob der Mann seine Medikamente korrekt einnehme. „Würde er es allein schaffen?“, fragte die Richterin.
„Das käme noch zu früh“, gab der Sachverständige zur Antwort. Der Beschuldigte habe noch vor Kurzem Stimmen gehört. „Er bräuchte auch ein stabiles soziales Umfeld.“
Verteidiger Rasmus Reinhardt meinte, es sei die Frage, ob man dem Mann damit einen Gefallen tue.
Feuer in der Zelle
Zuvor hatte der Brandsachverständige über das Feuer in der Zelle ausgesagt. Er hatte sich die Reste des brennenden Materials angeschaut und festgestellt, das Feuer habe mindestens 15 Minuten lang gebrannt. Es sei aber kein Vollbrand gewesen und keine Gefahr, dass das Feuer auf andere Räume übergreift. Durch den Kunststoff seien Gase in die Luft gelangt. „Rauchgase sind toxisch“, unter anderem entstehe Blausäure, aber auch Kohlenmonoxid. Und der Sauerstoff werde immer weniger – und das auch bei geöffnetem Fenster, weil in der Zelle keine Luft-Zirkulation geherrscht habe. So wäre einerseits das Feuer irgendwann ausgegangen. Andererseits sei es aber auch kaum möglich, dort zu atmen. Er habe ein nasses Handtuch übers Gesicht gezogen und sei nah am Fenster gestanden, berichtete der Beschuldigte.
Eine Unklarheit vom Tag zuvor konnte später Dr. Kozian aufklären: Wie berichtet, hatten Polizei und Gefängnis-Personal bei dem Beschuldigten nach der Tat eine Drogen-Beeinflussung vermutet. Die Symptome wie erweiterte Pupillen seien eine Folge der Rauchgasvergiftung. Er sprach von einem „Durchgangssyndrom“, wozu auch das Witzereißen nach der Befreiung aus der Zelle passe.
Die Beweisaufnahme ist beendet. Am kommenden Donnerstag, 27. Juli, wird die Verhandlung mit den Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidiger fortgesetzt. Am selben Tag soll auch das Urteil gesprochen werden.