Ergreifende Lichtgemälde: die Göllsdorfer Passionsdarstellung

An Karfreitag richtet sich der Blick auf das Leiden und Sterben Jesu Christi, wie es die Evangelien berichten. Eine besonders ergreifende Darstellung diese Zentralthemas des Christentums findet sich in der Göllsdorfer Franz-Xaver-Kirche.
Dort ist im unteren Bereich der Fenster die Motivfolge eines Kreuzwegs zu entdecken – von der Verurteilung Jesu bis zu seiner Grablegung. Geschaffen hat diesen 1953 bei der Rottweiler Firma Derix angefertigten Zyklus ein Künstler, der in einem Atemzug mit Hauptvertretern der deutschen Kunst im 20. Jahrhundert genannt wird: Albert Birkle (1900-1986).

Der in Berlin geborene und in Salzburg gestorbene Birkle steht für einen Stil zwischen religiös-sozialkritischer Realistik und ins Fantastische ausgreifender Expressivität. Die Werke aus Birkles Früh- und Hauptwerk, in denen er der Berliner Sezession sowie der Preußischen Akademie der Künste angehörte, wurden von den Nazis als „entartet“ verfemt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entfaltete Birkle ein beachtliches Spätwerk, von dem in der Region Rottweil-Schramberg zahlreiche erstrangige Wandmalereien und Werke der Glaskunst zu finden sind.

Dazu zählen überdimensionale Wandbilder in der Alten St. Laurentius-Kirche in Schramberg, unter anderem mit einem Kreuzigungs-Fesko, sowie das „Wilflinger Credo“: Ein Zyklus von neun Fenstern in der Pfarrkirche St. Nepomuk, auf denen die zwölf Artikel des Glaubensbekenntnisses mit Licht und Farbe ausgedeutet werden – von der Schöpfung und dem Sündenfall bis zur Auferstehung.
Hier hat der tief religiöse Künstler einen spezifischen Stil entwickelt, in dem sich dekorative und expressiv-kritische Anteile verbinden. Die hier erreichte Ausdruckskraft hat Birkle auch einen symbolträchtigen Auftrag in der National Cathedral in Washongton D.C. eingebracht. Als einziger europäischer Künstler hat er dort einen Zyklus mit fünf großen Glasfenstern gestaltet. Zudem etablierte er mit der sogenannten Dallglas- oder Dalleglas-Technik, die auf gegossenem Dickglas beruht, eine technische Innovation.

Nicht weniger eindrücklich als das Wilflinger Credo aus Licht, ist Birkles Umsetzung des Kreuzwegs in Göllsdorf. Mit einem blutroten Umhang und einem leuchtenden Heiligenschein zieht dort die Jesusgestalt die Blicke auf sich. Der Künstler hat sie in spannungsreich-dichte Bildkompositionen eingewoben. Man spürt förmlich, wie ihn die Fesseln knechten und das zu schleppende Kreuz niederdrückt. Man sieht, mit welcher blanker Gewalt ihn die Peiniger schlagen, aber auch die zärtliche Hinwendung, mit der Veronika ihm das Schweißtuch reicht.

Unter und am Kreuz stellt Birkle Jesus zerschmettert und in fahlem Gelbgrün dar – eine bedrückende Veranschaulichung von Leid und Todesnähe, der man anmerkt, dass Albert Birkle das letzte Jahr des Ersten Weltkriegs als Soldat erleben musste – und 1953 die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs nur wenige Jahre zurücklag. Die Pein Jesu, wie Birkle sie zeigt, ist existenziell.

So geht der Betrachter den Leidensweg mit. Sieht und spürt auch die Trauer derjenigen, die Jesus vom Kreuz abnehmen. Und wird ergriffen vom aus dem Grabe aufsteigenden Jesus, der zum Abschluss des Kreuzwegs als ranke Lichtgestalt emporschnellt und die Düsternis des Todes in der Osternacht überwindet.

