„Konsti Keks“ und das Milliardending

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SCHRAMBERG – Mit einem Im- und Exportladen für Autofelgen, der Rapid GmbH, fing es an, doch dann wollte er das ganz große Rad drehen: Konstantin Ignatov, aufgewachsen und zur Schule gegangen in Schramberg und Königsfeld, gründete mit seiner Schwester in Bulgarien eine Firma, die mit der Cryptowährung OneCoin, dem Bitcoin nachempfunden, glänzende  Geschäfte versprach.

Jetzt sitzt Ignatov in New York im Knast. Gemeinsam mit seiner Schwester soll er weltweit Investoren um etwa vier Milliarden Dollar, umgerechnet 3, 3 Milliarden Euro, gebracht haben. Der Prozess steht noch aus.

Seine Anfänge in Schramberg waren bescheidener. Konstantin Ignatov wuchs in der Marktstraße auf, ging später aufs Zinzendorf- Gymnasium nach Königsfeld und machte dort 2006 sein Abitur. Laut seinen eigenen Angaben auf Facebook studierte er in Tübingen Politologie.

Früh im Business

Noch vor seinem Abitur, Ende Mai 2006, wurde er Prokurist der Felgenhandelsfirma, die anfangs in der Göttelbachstraße angesiedelt war. 2007 zog die Firma nach Stuttgart um, 2009 war Schluss mit Rädern. Einen Insolvenzantrag hat das zuständige Gericht 2010 mangels Masse abgewiesen und die Firma gelöscht.

Die Titelseite des Haftbefehls

Neun Jahre später endet die zweite Karriere des jungen Mannes wesentlich dramatischer: Am 6. März 2019 beantragt FBI-Special Agent Ronald Shimko in New York einen Haftbefehl gegen Ignatov. Nur Stunden später klicken in Los Angeles die Handschellen.

Eine Kaution von fünf Millionen Dollar wollte Ignatov laut US-Medien angeblich bezahlen. Ein New Yorker Richter habe abgelehnt. In der Nähe von New York sei ein Privatflugzeug aus Bulgarien gelandet, das „offensichtlich den Beschuldigten Ignatov außer Landes bringen”, sollte, berichtet das US-Justizministerium.

Auf einer Facebookseite aus dem OneCoin-Umfeld hieß es Ende Mai, dass „Konstantin… auf ‚nicht schuldig‘ plädiert hat“. Man wisse noch nicht, was man Ignatov vorwerfe, der nächste Gerichtstermin sei am 6. Juni. Da werde er ja hoffentlich frei kommen. Kam er nicht. Er bleibt in U-Haft. Ignatovdroht lebenslänglich.

OneCoin von Anfang an ein Schwindel?

Auf 31 Seiten hat FBI-Mann Shimko Material zusammengetragen, das beweisen soll, dass es Konstantin Ignatov und seine Schwester von Anfang an darum gegangen war, in einem Pyramidensystem Investoren anzulocken und auszunehmen. Im Frühjahr 2014 hatte die Schwester die Firma „OneCoin Ltd.“ in Sofia gegründet. Ihr jüngerer Bruder war anfangs ihr persönlicher Assistent und stieg vor rund einem Jahr an die Spitze des Firmengeflechts um OneCoin auf. Da war seine Schwester aus der Öffentlichkeit entschwunden.

Special Agent Shimko schreibt in seinem Haftbefehlsantrag, dass es nie wirklich eine Cryptowährung „OneCoin“ gegeben habe. Stattdessen hätten die Ignatovs und ihre Mitarbeiter weltweit „Schulungspakete“ und „Tokens“ verkauft, mit denen man eines Tages „OneCoins“ erwerben können sollte. Mittels Tabellen zeigten sie laut FBI eine phantastische Wertsteigerung ihrer OneCoins, wenn die eines Tages auf dem Markt kämen.

Doch auf diesen Tag warten die geprellten Käufer offenbar noch heute.

Ignatov war viel unterwegs

Weil man es nicht glauben mag: Auszug aus dem Haftbefehlsantrag. Billion entspricht Milliarde im Englischen.

Ignatov reiste um die Welt: In Thailand, Singapur, Kolumbien, Argentinien Brasilien, Paraguay, Bulgarien, Frankreich und Spanien trat er als Manager und Werber für OneCoin auf. Dabei muss er sehr erfolgreich gewesen sein. Akten, die das FBI-Team im Laufe der Ermittlungen erhalten hat, besagen, dass die OneCoin Ltd. zwischen Ende 2014 und Mitte 2016 einen Umsatz von 3,353 Milliarden Euro gemacht und einen Gewinn von 2,232 Milliarden Euro erzielt habe.

Das Ganze funktionierte laut FBI nach dem klassischen Schneeballsystem. Wer bei OneCoin ein „Schulungspaket“ kaufte und dann weitere Mitglieder warb, bekam dafür Provision, teils in bar, teils in Token. „Dieses vielschichtige Marketingsystem scheint das rasche Wachstum des One-Coin-Mitgliedschaftswesen ausgelöst zu haben“, schreibt Shimko. Und wie bei jedem Schneeballsystem waren die Mitglieder an der Spitze die Hauptprofiteure.

 Konsti in Königsfeld und Schramberg

Während seiner Schulzeit in Königsfeld nannten seine Klassenkameraden Ignatov schlicht Konsti. Den Spitznamen hat er später weiter verwendet, er findet sich sogar im FBI-Haftantrag: Dort wird erwähnt, er habe einen Facebook Account „Konsti Keks“ verwendet.

Konsti habe Gitarre gespielt und wohl auch in einer Band Musik gemacht, eher von der harten Sorte, erinnert sich ein Klassenkamerad von damals. Er habe eine „dunkle Art“ gehabt, habe erzählt, der Teufel sei ihm näher als Gott. „Wir haben das als spätpubertierendes Gehabe abgetan“, erinnert sich der Mitschüler im Gespräch mit der NRWZ.

Hier in der Marktstraße 11 wohnten die Ignatovs. Foto: him

Die Familie habe in Schramberg in eher ärmlichen Verhältnissen gelebt, wobei sie nach seiner Erinnerung aus Mutter Veska und dem Sohn bestand. Von seinem Vater und seiner Schwester habe er zwar mal erzählt – „aber eigentlich auch nur, dass die in Bulgarien lebten und er mit ihnen nichts zu tun habe.“ In den Schramberger Einwohnerbüchern jener Jahre sind der Vater Ignatov und die Mutter allerdings verzeichnet: Marktstraße 11. Die Schwester studierte Jura und promovierte 2005 in Konstanz mit einer Arbeit über eine besondere EU-Gesetzgebung.

Nach dem Verschwinden der Schwester steigt Konsti auf

Während Konsti um die Welt düste, arbeitete seine Schwester offenbar in Sofia im OneCoin-Hauptquartier. Im Herbst 2017 scheint sie kalte Füße bekommen zu haben und, wie FBI-Agent Shimko mutmaßt, auch einen Tipp aus dem bulgarischen Sicherheitsapparat.

Sie setzte sich „ungewöhnlicherweise“ in einen Ryan-Air-Flieger von Sofia nach Athen und verschwand vollkommen von der Bildfläche. Er schreibe „ungewöhnlicherweise“, merkt Shimko an, „denn früher flog (sie) in Privatjets“. In einer E-Mail habe sie vorher an einen ihrer engsten Mitarbeiter geschrieben: „Nimm das Geld, hau‘ ab und gib jemand anderem die Schuld an dem Ganzen. ”

In US-Medien wird spekuliert, die Schwester reise mit einem russischen oder ukrainischen Diplomatenpass um die Welt, 50 bis 100 Millionen Dollar habe sie noch irgendwo gebunkert. Nach der mutmaßlichen Flucht seiner Schwester im Oktober 2017 übernahm Konstantin anscheinend die OneCoin-Geschäftsleitung. Er treffe seine Schwester regelmäßig, versicherte er den OneCoin-Mitgliedern, aber sie sei nun „hauptberuflich Mutter“ und wolle ihr Kind vor der Öffentlichkeit schützen.

Konsti war nicht blöd

Wie klar Konstantin Ignatov gesehen haben müsse, dass sein Geschäftsmodell ein Schwindel gewesen sei, zeigt nach Ansicht des FBI-Agenten ein SMS-Austausch Ignatovs mit einem weiteren OneCoin-Gründer. Dieser andere soll die Investoren „Idioten“, genannt haben. Konstantins Antwort laut FBI-Bericht: „Wie Du mir gesagt hast, dieses Netzwerk würde mit intelligenten Leuten niemals funktionieren.“

Er selbst ist wohl ein anderes Kaliber. Sein ehemaliger Mitschüler aus Königsfelder Zeiten erinnert sich: „Der Konsti war einer, der ohne viel zu tun, gute Noten schreiben konnte.“ Seine Noten waren „immer im grünen Bereich“. Er war wohl „alles in allem recht intelligent“.

Und die OneCoin-Käufer? Die ließen sich offenbar durch den Bitcoin-Hype und die Werbesprüche auf der OneCoin Homepage blenden. „Alle, die gierig sind“, würden wohl bei ihren Angeboten einsteigen, mutmaßte die Schwester in einer E-Mail, die das FBI abgefangen haben will.

Special Agent Shimko schätzt, dass 60 Prozent der Milliarden aus China, 15 Prozent aus Australien und der Rest aus allen Teilen der Welt stammten. Ende Dezember 2016 schrieb ein OneCoin-Angestellter in einer Mail, etwa 50 Millionen Euro kämen aus den USA und der Karibik.

Mit solchen Grafiken warben die OneCoin-Verkäufer.

Fünf Jahre läuft das Geschäft schon, doch die OneCoin-Kunden werden langsam ungeduldig. In einigen Ländern ermitteln die Behörden. In der Fachpresse erscheinen Warnungen. Doch die OneCoin-Geschäfte gehen weiter.

Konsti tappt in die Falle

Am 27. Februar begeht Konstantin Ignatov den vielleicht entscheidenden Fehler: Er fliegt nach San Francisco. Am Flughafen kontrollieren ihn die Einreisebeamten. Er erzählt, er sei auf dem Weg nach Las Vegas. Er habe da einen Freund, einen Martial-Arts- und Ultimate-Fight-Kämpfer, mit dem wolle er trainieren. Von OneCoin kein Wort. Die Beamten durchsuchen sein Gepäck und beschlagnahmen sein Smartphone.

Die Unterlagen landen wenig später beim FBI-Agenten Shimko. Der ermittelt weiter, dass Ignatov in Las Vegas mehrere Meetings mit Investoren geplant habe. Die wollen wissen, wann sie denn ihre  Tokens in OneCoins umtauschen können. Da sind sie an den Richtigen geraten: „Wenn Sie hier sind, um Kasse zu machen“, herrscht er laut FBI die Fragesteller an, „dann verlassen Sie sofort diesen Raum!“

Kasse machen war wohl eh nicht drin, denn die Gelder hätten die OneCoin-Macher in großem Stil verschoben,  auf Konten in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Irland und anderen Steueroasen einschließlich dem US-Bundesstaat Georgia, heißt es in dem Haftbefehl.

Der letzte Facebook-Eintrag.

Der letzte Eintrag auf Konstantin Ignatovs Facebookseite stammt vom 6. März. Da steht er mit schräg sitzender Basecap vor einem Berg-Panorama, im Hintergrund die bekannten Hollywood-Buchstaben. Er reise von Los Angeles nach Sofia. Eine der schlimmsten Reisen der letzten Jahre ende nun, schreibt er. Man habe ihm sein Smartphone gestohlen, den Koffer, alle seine Sachen. „Und was meint Ihr, ich war produktiver in meinen Joggingklamotten und einem Lächeln als so mancher in Anzug und Krawatte.“

Am Flughafen von Los Angeles nehmen Stunden später Polizeibeamte laut Medienberichten ihn und Mark Scott, bei OneCoin mutmaßlich für die Geldwäsche zuständig, fest. Da muss Konsti nochmal Kleider wechseln. Diesmal in einen Anstaltsdrillich.

Die Gerichtsverhandlungen allerdings stehen noch aus, Urteile gibt es bisher keine. Die offizielle OneCoin-Website ist nach wie vor online. Als wäre nichts gewesen.

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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SCHRAMBERG – Mit einem Im- und Exportladen für Autofelgen, der Rapid GmbH, fing es an, doch dann wollte er das ganz große Rad drehen: Konstantin Ignatov, aufgewachsen und zur Schule gegangen in Schramberg und Königsfeld, gründete mit seiner Schwester in Bulgarien eine Firma, die mit der Cryptowährung OneCoin, dem Bitcoin nachempfunden, glänzende  Geschäfte versprach.

Jetzt sitzt Ignatov in New York im Knast. Gemeinsam mit seiner Schwester soll er weltweit Investoren um etwa vier Milliarden Dollar, umgerechnet 3, 3 Milliarden Euro, gebracht haben. Der Prozess steht noch aus.

Seine Anfänge in Schramberg waren bescheidener. Konstantin Ignatov wuchs in der Marktstraße auf, ging später aufs Zinzendorf- Gymnasium nach Königsfeld und machte dort 2006 sein Abitur. Laut seinen eigenen Angaben auf Facebook studierte er in Tübingen Politologie.

Früh im Business

Noch vor seinem Abitur, Ende Mai 2006, wurde er Prokurist der Felgenhandelsfirma, die anfangs in der Göttelbachstraße angesiedelt war. 2007 zog die Firma nach Stuttgart um, 2009 war Schluss mit Rädern. Einen Insolvenzantrag hat das zuständige Gericht 2010 mangels Masse abgewiesen und die Firma gelöscht.

Die Titelseite des Haftbefehls

Neun Jahre später endet die zweite Karriere des jungen Mannes wesentlich dramatischer: Am 6. März 2019 beantragt FBI-Special Agent Ronald Shimko in New York einen Haftbefehl gegen Ignatov. Nur Stunden später klicken in Los Angeles die Handschellen.

Eine Kaution von fünf Millionen Dollar wollte Ignatov laut US-Medien angeblich bezahlen. Ein New Yorker Richter habe abgelehnt. In der Nähe von New York sei ein Privatflugzeug aus Bulgarien gelandet, das „offensichtlich den Beschuldigten Ignatov außer Landes bringen”, sollte, berichtet das US-Justizministerium.

Auf einer Facebookseite aus dem OneCoin-Umfeld hieß es Ende Mai, dass „Konstantin… auf ‚nicht schuldig‘ plädiert hat“. Man wisse noch nicht, was man Ignatov vorwerfe, der nächste Gerichtstermin sei am 6. Juni. Da werde er ja hoffentlich frei kommen. Kam er nicht. Er bleibt in U-Haft. Ignatovdroht lebenslänglich.

OneCoin von Anfang an ein Schwindel?

Auf 31 Seiten hat FBI-Mann Shimko Material zusammengetragen, das beweisen soll, dass es Konstantin Ignatov und seine Schwester von Anfang an darum gegangen war, in einem Pyramidensystem Investoren anzulocken und auszunehmen. Im Frühjahr 2014 hatte die Schwester die Firma „OneCoin Ltd.“ in Sofia gegründet. Ihr jüngerer Bruder war anfangs ihr persönlicher Assistent und stieg vor rund einem Jahr an die Spitze des Firmengeflechts um OneCoin auf. Da war seine Schwester aus der Öffentlichkeit entschwunden.

Special Agent Shimko schreibt in seinem Haftbefehlsantrag, dass es nie wirklich eine Cryptowährung „OneCoin“ gegeben habe. Stattdessen hätten die Ignatovs und ihre Mitarbeiter weltweit „Schulungspakete“ und „Tokens“ verkauft, mit denen man eines Tages „OneCoins“ erwerben können sollte. Mittels Tabellen zeigten sie laut FBI eine phantastische Wertsteigerung ihrer OneCoins, wenn die eines Tages auf dem Markt kämen.

Doch auf diesen Tag warten die geprellten Käufer offenbar noch heute.

Ignatov war viel unterwegs

Weil man es nicht glauben mag: Auszug aus dem Haftbefehlsantrag. Billion entspricht Milliarde im Englischen.

Ignatov reiste um die Welt: In Thailand, Singapur, Kolumbien, Argentinien Brasilien, Paraguay, Bulgarien, Frankreich und Spanien trat er als Manager und Werber für OneCoin auf. Dabei muss er sehr erfolgreich gewesen sein. Akten, die das FBI-Team im Laufe der Ermittlungen erhalten hat, besagen, dass die OneCoin Ltd. zwischen Ende 2014 und Mitte 2016 einen Umsatz von 3,353 Milliarden Euro gemacht und einen Gewinn von 2,232 Milliarden Euro erzielt habe.

Das Ganze funktionierte laut FBI nach dem klassischen Schneeballsystem. Wer bei OneCoin ein „Schulungspaket“ kaufte und dann weitere Mitglieder warb, bekam dafür Provision, teils in bar, teils in Token. „Dieses vielschichtige Marketingsystem scheint das rasche Wachstum des One-Coin-Mitgliedschaftswesen ausgelöst zu haben“, schreibt Shimko. Und wie bei jedem Schneeballsystem waren die Mitglieder an der Spitze die Hauptprofiteure.

 Konsti in Königsfeld und Schramberg

Während seiner Schulzeit in Königsfeld nannten seine Klassenkameraden Ignatov schlicht Konsti. Den Spitznamen hat er später weiter verwendet, er findet sich sogar im FBI-Haftantrag: Dort wird erwähnt, er habe einen Facebook Account „Konsti Keks“ verwendet.

Konsti habe Gitarre gespielt und wohl auch in einer Band Musik gemacht, eher von der harten Sorte, erinnert sich ein Klassenkamerad von damals. Er habe eine „dunkle Art“ gehabt, habe erzählt, der Teufel sei ihm näher als Gott. „Wir haben das als spätpubertierendes Gehabe abgetan“, erinnert sich der Mitschüler im Gespräch mit der NRWZ.

Hier in der Marktstraße 11 wohnten die Ignatovs. Foto: him

Die Familie habe in Schramberg in eher ärmlichen Verhältnissen gelebt, wobei sie nach seiner Erinnerung aus Mutter Veska und dem Sohn bestand. Von seinem Vater und seiner Schwester habe er zwar mal erzählt – „aber eigentlich auch nur, dass die in Bulgarien lebten und er mit ihnen nichts zu tun habe.“ In den Schramberger Einwohnerbüchern jener Jahre sind der Vater Ignatov und die Mutter allerdings verzeichnet: Marktstraße 11. Die Schwester studierte Jura und promovierte 2005 in Konstanz mit einer Arbeit über eine besondere EU-Gesetzgebung.

Nach dem Verschwinden der Schwester steigt Konsti auf

Während Konsti um die Welt düste, arbeitete seine Schwester offenbar in Sofia im OneCoin-Hauptquartier. Im Herbst 2017 scheint sie kalte Füße bekommen zu haben und, wie FBI-Agent Shimko mutmaßt, auch einen Tipp aus dem bulgarischen Sicherheitsapparat.

Sie setzte sich „ungewöhnlicherweise“ in einen Ryan-Air-Flieger von Sofia nach Athen und verschwand vollkommen von der Bildfläche. Er schreibe „ungewöhnlicherweise“, merkt Shimko an, „denn früher flog (sie) in Privatjets“. In einer E-Mail habe sie vorher an einen ihrer engsten Mitarbeiter geschrieben: „Nimm das Geld, hau‘ ab und gib jemand anderem die Schuld an dem Ganzen. ”

In US-Medien wird spekuliert, die Schwester reise mit einem russischen oder ukrainischen Diplomatenpass um die Welt, 50 bis 100 Millionen Dollar habe sie noch irgendwo gebunkert. Nach der mutmaßlichen Flucht seiner Schwester im Oktober 2017 übernahm Konstantin anscheinend die OneCoin-Geschäftsleitung. Er treffe seine Schwester regelmäßig, versicherte er den OneCoin-Mitgliedern, aber sie sei nun „hauptberuflich Mutter“ und wolle ihr Kind vor der Öffentlichkeit schützen.

Konsti war nicht blöd

Wie klar Konstantin Ignatov gesehen haben müsse, dass sein Geschäftsmodell ein Schwindel gewesen sei, zeigt nach Ansicht des FBI-Agenten ein SMS-Austausch Ignatovs mit einem weiteren OneCoin-Gründer. Dieser andere soll die Investoren „Idioten“, genannt haben. Konstantins Antwort laut FBI-Bericht: „Wie Du mir gesagt hast, dieses Netzwerk würde mit intelligenten Leuten niemals funktionieren.“

Er selbst ist wohl ein anderes Kaliber. Sein ehemaliger Mitschüler aus Königsfelder Zeiten erinnert sich: „Der Konsti war einer, der ohne viel zu tun, gute Noten schreiben konnte.“ Seine Noten waren „immer im grünen Bereich“. Er war wohl „alles in allem recht intelligent“.

Und die OneCoin-Käufer? Die ließen sich offenbar durch den Bitcoin-Hype und die Werbesprüche auf der OneCoin Homepage blenden. „Alle, die gierig sind“, würden wohl bei ihren Angeboten einsteigen, mutmaßte die Schwester in einer E-Mail, die das FBI abgefangen haben will.

Special Agent Shimko schätzt, dass 60 Prozent der Milliarden aus China, 15 Prozent aus Australien und der Rest aus allen Teilen der Welt stammten. Ende Dezember 2016 schrieb ein OneCoin-Angestellter in einer Mail, etwa 50 Millionen Euro kämen aus den USA und der Karibik.

Mit solchen Grafiken warben die OneCoin-Verkäufer.

Fünf Jahre läuft das Geschäft schon, doch die OneCoin-Kunden werden langsam ungeduldig. In einigen Ländern ermitteln die Behörden. In der Fachpresse erscheinen Warnungen. Doch die OneCoin-Geschäfte gehen weiter.

Konsti tappt in die Falle

Am 27. Februar begeht Konstantin Ignatov den vielleicht entscheidenden Fehler: Er fliegt nach San Francisco. Am Flughafen kontrollieren ihn die Einreisebeamten. Er erzählt, er sei auf dem Weg nach Las Vegas. Er habe da einen Freund, einen Martial-Arts- und Ultimate-Fight-Kämpfer, mit dem wolle er trainieren. Von OneCoin kein Wort. Die Beamten durchsuchen sein Gepäck und beschlagnahmen sein Smartphone.

Die Unterlagen landen wenig später beim FBI-Agenten Shimko. Der ermittelt weiter, dass Ignatov in Las Vegas mehrere Meetings mit Investoren geplant habe. Die wollen wissen, wann sie denn ihre  Tokens in OneCoins umtauschen können. Da sind sie an den Richtigen geraten: „Wenn Sie hier sind, um Kasse zu machen“, herrscht er laut FBI die Fragesteller an, „dann verlassen Sie sofort diesen Raum!“

Kasse machen war wohl eh nicht drin, denn die Gelder hätten die OneCoin-Macher in großem Stil verschoben,  auf Konten in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Irland und anderen Steueroasen einschließlich dem US-Bundesstaat Georgia, heißt es in dem Haftbefehl.

Der letzte Facebook-Eintrag.

Der letzte Eintrag auf Konstantin Ignatovs Facebookseite stammt vom 6. März. Da steht er mit schräg sitzender Basecap vor einem Berg-Panorama, im Hintergrund die bekannten Hollywood-Buchstaben. Er reise von Los Angeles nach Sofia. Eine der schlimmsten Reisen der letzten Jahre ende nun, schreibt er. Man habe ihm sein Smartphone gestohlen, den Koffer, alle seine Sachen. „Und was meint Ihr, ich war produktiver in meinen Joggingklamotten und einem Lächeln als so mancher in Anzug und Krawatte.“

Am Flughafen von Los Angeles nehmen Stunden später Polizeibeamte laut Medienberichten ihn und Mark Scott, bei OneCoin mutmaßlich für die Geldwäsche zuständig, fest. Da muss Konsti nochmal Kleider wechseln. Diesmal in einen Anstaltsdrillich.

Die Gerichtsverhandlungen allerdings stehen noch aus, Urteile gibt es bisher keine. Die offizielle OneCoin-Website ist nach wie vor online. Als wäre nichts gewesen.

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