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    „Für zehn Millionen ist jeder käuflich“

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    Zwischen dem Betriebsrat und der Heckler und Koch Geschäftsleitung herrscht offenbar dicke Luft. Aber auch zwischen der IG-Metall und einigen Betriebsräten knirscht es gewaltig. Jetzt hat Heckler und Koch den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Martin Stussak fristlos entlassen. Am Freitag trafen sich die Parteien mittags um 12 Uhr vor dem Arbeitsgericht in Villingen zum Gütetermin.

    Drei Parteien sind erschienen: Der Personalleiter von Heckler und Koch mit der Anwältin Dr. Sabine Schröter aus der Kanzlei Graf von Westphalen, der Betriebsratsvorsitzende  Rudolf Ragamentu und sein Anwalt sowie der Stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Martin Stussak und Rechtsanwalt Dr. Albert Hirt. Stussak klagt gegen seine fristlose Kündigung, der der Betriebsrat zustimmen müsste.

    Vorwand gesucht?

    Eine solche Kündigung, so Richter Julius Iben, sei ja „das schärfste Schwert“ im Arbeitsrecht, zumal bei einem freigestellten Betriebsrat. Viel steht wohl schon in den Akten, sodass es für die etwa 15 Zuhörer, die meisten kommen aus der HK-Belegschaft und aus dem Betriebsrat, nicht ganz einfach ist, den Fall zu verstehen. Und bald schon drängt sich der Verdacht auf, da wird ein Vorwand gesucht, um jemanden los zu werden.

    Die bloßen Fakten scheinen klar. Ein Brief eines Gerichts, der eigentlich für die Geschäftsleitung gedacht war, landet versehentlich im Betriebsratsbüro beim freigestellten Betriebsrat Martin Stussak. Der öffnet den Umschlag, liest den Brief und heftet ihn ab. Einige Tage später geht es in einer Besprechung zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung um die hohen Anwaltsgebühren, die der Betriebsrat geltend macht.

    Stussak entgegnet, man müsse ja nicht so viel prozessieren und könne sich  auch so einigen. Im Übrigen würde man sich in paar Tagen ja schon wieder vor Gericht treffen. Dabei bezieht er sich auf das Schreiben, das bei ihm gelandet war. Die HK Geschäftsleitung weiß von nichts. Stussak  eilt in sein Büro, holt den Ordner und überreicht den Brief der Geschäftsleitung. Erst da habe er gemerkt, dass der Brief gar nicht an den Betriebsrat gerichtet war.

    Kein normaler Betrieb

    In jedem normalen Betrieb würde man sagen: „Ups, dumm gelaufen, ‚tschuldigung, war keine Absicht.“ Und gut ist. Aber Heckler und Koch ist kein normaler Betrieb.

    Es kriselt, die Umsätze stimmen zwar, aber die Erlöse brechen ein. Die Schulden drücken, der G 36-Nachfolgeauftrag ist nicht in trockenen Tüchern. Ein Tarifvertrag zur unentgeltlichen Mehrarbeit von zweieinhalb Stunden pro Woche, den die IG-Metall mit der Geschäftsleitung ausgehandelt hat, kommt  bei der Belegschaft nicht gut an, nur mit knapper Mehrheit geht er durch.

    Stussak, vor Jahren im Zorn aus der IG-Metall ausgetreten, soll heftig gegen den Deal agitiert haben. In der IG-Metall ist man auf ihn nicht nur deshalb sauer. Er soll dafür gesorgt haben, dass viele andere aus der Gewerkschaft ausgetreten waren.

    Aber auch der Betriebsrat hat wohl nicht allzu viel unternommen, um ihren stellvertretenden Vorsitzenden an Bord zu halten. Im Betrieb ist offenbar nichts gelaufen, was als Solidaritätsaktion zu werten wäre. Warum das Stussak möglicherweise grade recht ist – dazu später mehr.

    Im Arbeitsgericht argumentiert Anwalt Hirt für Stussak, das mit dem Brief Aufmachen und Abheften sei „allerhöchstens eine Nachlässigkeit“. Es hätte doch gar keinen Sinn gemacht, die Geschäftsleitung von dem Gerichtstermin abzuhalten. Er sieht den Vorfall als „Petitesse“ und „keinen Grund ein jahrzehntelanges Arbeitsverhältnis zu kündigen“.  Das Ganze sei der „Versuch einen Betriebsrat sturmreif zu schießen und ihm seine Betriebsratsarbeit zu verleiden“.

    „Keine Ersatzzustellung  für den Betriebsrat“

    Anschließend fährt Rechtsanwältin Schröter schweres Geschütz auf: Das Abheften des Briefs sei eine versuchte Unterschlagung gewesen und damit eine Straftat. Es sei nur ein Zufall gewesen, dass der Gerichtstermin dem Arbeitgeber bekannt geworden sei. 

    Auf dem Umschlag habe eindeutig der Vermerk gestanden: „Keine Ersatzzustellung für den Betriebsrat.“ Und im  Adressfenster: „An die Geschäftsleitung…“ Stussak habe beides gesehen. „Das war nicht fahrlässig.“ Außerdem sei der Umschlag verschwunden. Schließlich versichert Schröter: „Es geht nicht darum, einen Betriebsrat abzuschießen.“

    Stussak selbst erläutert, den Vermerk „Keine Ersatzzustellung  für den Betriebsrat“ habe er als Laie so verstanden, dass dies keine Ersatzzustellung sei, sondern für den Betriebsrat gedacht sei. Das sei eben nicht der Ersatz, sondern die ordentliche Zustellung.

    Richter Ibes weist auf ein weiteres Verfahren hin, das Heckler und Koch angestrebt hat, nämlich dass Stussak aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden soll. Für dieses Verfahren führe das Unternehmen noch andere Sachverhalte an, aber wenn Stussak  das Unternehmen verlasse, brauche man ihn nicht mehr aus dem Betriebsrat ausschließen.

    Ob allerdings die Briefaffäre für eine fristlose Entlassung des Betriebsrates reiche, „da könne man so seine Zweifel haben“. Hätte Stussak fahrlässig gehandelt, reiche es keinesfalls. Die Kläger unterstellten ja Vorsatz für die Straftat der Unterschlagung. Das sei aber nicht nachweisbar.

    „Jeder ist irgendwie käuflich“

    Nun beginnt Ibes goldene Brücken zu bauen, fragt, ob man nicht über ein Ausscheiden reden könne. Heckler und Koch-Anwältin Schröter ist gesprächsbereit. Stussak-Anwalt Hirt poltert zunächst: Das wäre leicht so zu werten, der Arbeitgeber wolle mit Geld den Betriebsrat gefügig machen. „Stussak nimmt seine Betriebsratsarbeit ernst.“ Doch dann kommt die Wende: „Jeder ist irgendwie käuflich.“  Bei zehn Millionen würde wohl auch ein Richter schwach.

    Es gibt ein minutenlanges Geplänkel, keine Seite will eine Zahl nennen, welcher Preis denn wohl angemessen sei. Hirt sagt lediglich: „Der Preis wird hoch sein.“ Stussak stehe einem solchen Verfahren kritisch gegenüber. 

    Schröter versichert, man wolle den Betriebsrat nicht loskaufen, aber die beiden Seiten könnten nicht mehr miteinander. Schließlich unterbricht Richter Ibes die Sitzung, damit  Schröter mit den wichtigen Leuten bei Heckler und Koch telefonieren kann.

    Der Chef ist in Berlin

    In der Pause Frage an einen Heckler-und-Koch-Betriebsrats-Kollegen, ob das Ganze mit der Haltung Stussaks zur Mehrarbeit zu tun haben könnte? Der Gefragte weist das weit von sich. Er meint: Die Chemie zwischen den beiden, Stussak und HK-Chef Koch stimme nicht. Das sei der wahre Grund.

    Und bei der IG Metall wird gelästert, Stussak gehe es nur ums Geld. Dafür spreche auch, dass dieser nicht wollte, dass die Presse von dem Termin erfahre. Die NRWZ hat es erfahren – nicht von der IG Metall.

    Nach einer viertel Stunde kehrt Rechtsanwältin Schröter zurück. Sie habe mit Björn Krönert von der Geschäftsleitung gesprochen, man brauche aber den Chef, Jens Bodo Koch und der sei im Verteidigungsministerium in Berlin und nicht zu erreichen. Sie bietet an, nächste Woche ein schriftliches Vergleichsangebot zu machen. Richter Ibes ist‘s zufrieden. Er gibt den Parteien bis zum 26. Juli Zeit, sich zu einigen. Um 12.55 Uhr ist die Verhandlung beendet.

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    Martin Himmelheber (him)
    Martin Himmelheber (him)
    ... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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    Stussak, vor Jahren im Zorn aus der IG-Metall ausgetreten, soll heftig gegen den Deal agitiert haben. In der IG-Metall ist man auf ihn nicht nur deshalb sauer. Er soll dafür gesorgt haben, dass viele andere aus der Gewerkschaft ausgetreten waren.

    Aber auch der Betriebsrat hat wohl nicht allzu viel unternommen, um ihren stellvertretenden Vorsitzenden an Bord zu halten. Im Betrieb ist offenbar nichts gelaufen, was als Solidaritätsaktion zu werten wäre. Warum das Stussak möglicherweise grade recht ist – dazu später mehr.

    Im Arbeitsgericht argumentiert Anwalt Hirt für Stussak, das mit dem Brief Aufmachen und Abheften sei „allerhöchstens eine Nachlässigkeit“. Es hätte doch gar keinen Sinn gemacht, die Geschäftsleitung von dem Gerichtstermin abzuhalten. Er sieht den Vorfall als „Petitesse“ und „keinen Grund ein jahrzehntelanges Arbeitsverhältnis zu kündigen“.  Das Ganze sei der „Versuch einen Betriebsrat sturmreif zu schießen und ihm seine Betriebsratsarbeit zu verleiden“.

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    Schröter versichert, man wolle den Betriebsrat nicht loskaufen, aber die beiden Seiten könnten nicht mehr miteinander. Schließlich unterbricht Richter Ibes die Sitzung, damit  Schröter mit den wichtigen Leuten bei Heckler und Koch telefonieren kann.

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    Nach einer viertel Stunde kehrt Rechtsanwältin Schröter zurück. Sie habe mit Björn Krönert von der Geschäftsleitung gesprochen, man brauche aber den Chef, Jens Bodo Koch und der sei im Verteidigungsministerium in Berlin und nicht zu erreichen. Sie bietet an, nächste Woche ein schriftliches Vergleichsangebot zu machen. Richter Ibes ist‘s zufrieden. Er gibt den Parteien bis zum 26. Juli Zeit, sich zu einigen. Um 12.55 Uhr ist die Verhandlung beendet.

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