Personalmangel: Kindertagesstätte muss Betreuungszeiten reduzieren – Eltern begehren auf

Änderung ab 1. Februar 2024 gültig / Kindergarten-Bedarfsplanung im Gemeinderat / Stellungnahme von Eltern liegt vor

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Die Rottweiler Kindertagesstätte Arche Noah hat am Dienstag eine Reduzierung der Betreuungszeiten im Ganztagesbereich angekündigt. Die neuen, gegenüber bisher kürzeren Betreuungszeiten sollen ab dem kommenden Februar gelten. Der Grund: Personalmangel. Die Kitabetreiberin entschuldigt sich bei den Betroffenen, rechnet aber auch mit der Politik ab. Und inzwischen melden sich Eltern zu Wort. Sie haben Fragen an die Kitaträgerin und fordern Unterstützung seitens der Stadtverwaltung.

(Rottweil). „Wir sehen uns bedauerlicherweise dazu gezwungen, im Ganztagesbereich eine Reduzierung der Betreuungszeiten vorzunehmen“, kündigt die katholische Gesamtkirchengemeinde Rottweil als Betreiberin der Kita an. Am 1. Februar 2024 habe die sogenannte Verlängerte Öffnungszeit nur noch einen Umfang von 30 Stunden. „Der Grund für diese Entscheidung liegt in der Herausforderung, qualifiziertes Personal für den Ganztagesbereich zu finden“, so die Kirchengemeinde. Im Klartext: am Personalmangel.

Der Kultur-, Sozial- und Verwaltungsausschuss des Rottweiler Gemeinderats beschäftigt sich in seiner heutigen Sitzung mit der Kindergartenbedarfsplanung. Die Vorlage der Sitzung spricht von einem „vielfach geforderten Elternwunsch nach vereinzelten Anpassungen der Öffnungszeiten“. Dem seien „alle Träger in einzelnen Einrichtungen entgegengekommen.“ So hätten in fünf Einrichtungen die Öffnungszeiten in nun verlängerte Öffnungszeiten ausgeweitet werden können. Da wirkt die aktuelle Meldung aus der Kita Arc he Noah wie ein Dämpfer.

Reaktion von Eltern

Auf die gestern von der NRWZ verbreitete Nachricht über die reduzierten Öffnungszeiten der Kita und einen entsprechenden Elternbrief haben inzwischen Eltern reagiert. Sie machen der Kitabetreiberin Vorwürfe und erwarten Unterstützung seitens der Stadtverwaltung. Ihr Schreiben ist unten im Wortlaut veröffentlicht.

Fachkräftemangel als Grund

Der Mangel an Fachkräften im Bildungsbereich, insbesondere im Ganztagesbetreuungsbereich, sei zudem ein Problem, dem viele Einrichtungen gegenüberstehen, so die katholische Kirchengemeinde dagegen in ihrer Mitteilung.

Man bedauere den Schritt und die damit einhergehenden Unannehmlichkeiten für die betroffenen Eltern und Familien zutiefst, heißt es in der Mitteilung des Kindergartenträgers. „Wir versichern, dass wir intensiv daran gearbeitet haben, alternative Lösungen zu finden.“ Man habe „alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft und müssen nun zur Ultima Ratio greifen und Betreuungszeiten reduzieren, um die rechtskonforme Betreuung der Kinder sicherzustellen. Die Sicherheit und das Wohl der Kinder, sowie unsere Fürsorgeverantwortung für unser Personal stehen dabei an erster Stelle.“

Drei Vollzeitkräfte fehlen

Dann geht die Kirchengemeinde ins Detail: „Allein aufgrund von Langzeiterkrankung und Beschäftigungsverboten in der Schwangerschaft fehlen derzeit drei Vollzeitkräfte in der Einrichtung, außerdem haben Mitarbeitende gekündigt, sind zu einem anderen Träger gewechselt, aufgrund attraktiverer Arbeitszeiten und der hohen Belastung im Ganztagesbereich oder haben sich beruflich neu orientiert.“ Der Fachkräftemangel mache es dem Träger schwer, geeignetes Personal zu finden. „Wir als Träger der Einrichtung bemühen uns intensiv um die Gewinnung von Fachpersonal und freuen uns über jede Bewerbung. Trotzdem können wir die bisher angebotenen Öffnungszeiten in absehbarer Zeit nicht mehr anbieten.“

Die Eltern wurden der Kirchengemeinde zufolge diese Woche in einem Elternbrief über die Personalsituation in der Kita informiert. Eine Umstellung der Betreuungszeiten zum 01.02.24 wirke sich im Übrigen auch auf den zu entrichtenden Beitrag aus. „Natürlich haben die Eltern auch das Recht, sich über die Kommune für einen Betreuungsplatz in einer anderen Einrichtung zu bewerben“, so die Kitaträgerin.

Kritik an der Politik

Und weiter heißt es in der Mitteilung: „Wir verstehen, dass die Eltern durch die Veränderung der Öffnungszeiten vor Probleme gestellt werden. Wir bedauern sehr, dass eine verlässliche Betreuung, wie in der Vergangenheit, aufgrund des massiven Fachkräftemangels nicht mehr möglich ist. Diese Problemstellung wird uns sicherlich noch viele Jahre begleiten.“ Die Versuche aus der Politik wie etwa Erprobungsparagraf oder Direkteinstieg Kita seien „maximal ein Tropfen auf den heißen Stein oder haben gar das Potenzial, die Situation noch zu verschlechtern.“

Im Wortlaut:

„Stellungnahme Eltern/Elternbeirat zur geplanten Schließung der Ganztagesbetreuung am Kindergarten Arche Noah“

Mit großem Entsetzen haben wir das Schreiben des Trägers zur geplanten Schließung der Ganztagesbetreuung ab Februar 2024 zur Kenntnis genommen. Mit nur neun Wochen Vorlauf ist die Alltags- und Lebensplanung für 40 Kinder und deren Familien vollständig hinfällig. Nach der bereits erfolgten Kürzung im Oktober und dem Wegfall von Bildungsangeboten während der Betreuungszeiten ist dies ein weiterer einschneidender Verlust von Quantität und Qualität im Betreuungsangebot der Stadt Rottweil. Die gesellschaftlichen Entwicklungen und Fortschritte zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur Gleichstellung der Geschlechter und zur frühkindlichen Bildung stehen auf dem Spiel. Für Alleinerziehende oder berufstätige Eltern bedeutet die Kürzung, die eigenen Arbeitszeiten zu reduzieren, sich neue Arbeitgeber oder Tätigkeitsfelder zu suchen oder gar die Kommune zu verlassen. Für die Kinder bedeutet dies einen Bildungsnachteil und dies in einer der wichtigsten Phase der Persönlichkeitsentwicklung.

Uns ist bewusst, dass der Fachkräftemangel eine Herausforderung für Träger und Kommunen darstellt. Leider kann Rottweil diese Herausforderung aktuell nicht bewältigen und zeigt sich ohnmächtig. Nach unserem Informationsstand kann nicht einmal das Prädikat ’stets bemüht‘ ausgestellt werden, denn:

Warum sind auf Social Media oder einschlägigen Stellenportalen keine Stellenausschreibungen zu finden? Warum finden sich keine Rottweiler Anwerbekampagnen in Ausbildungseinrichtungen, auf Websites oder Social Media? Warum gibt es keine Benefits für Wechselwillige? Warum werden Betreuungsangebote nicht zentralisiert? Welche innovativen Lösungsversuche werden denn unternommen, um dem Fachkräftemangel vor Ort entgegenzuwirken?

Gerne würden wir Antworten auf unsere Fragen erhalten oder Ideen und Maßnahmen diskutieren. Bedauerlicherweise ist aber der Träger seit Oktober nicht gewillt, einer Gesprächseinladung der Eltern nachzukommen. Und die Stadt Rottweil? Auf Anfrage aus der Elternschaft verweist die Stadtverwaltung an den Träger und sieht bei der Stadt Rottweil keine Einflussmöglichkeiten, obwohl die Schaffung von Plätzen in der Kindertagesbetreuung eine kommunale Aufgabe ist und ein erheblicher Teil des städtischen Haushalts darauf verwendet wird. Wir sind aber der Meinung, dass es sich um ein existentielles Thema von hohem städtischem Interesse handelt und die Stadt aus eigenem Interesse sich dem Thema annehmen muss und kann. Für eine Stadt, die für Familien und Fachkräfte attraktiv sein möchte, kommt dies sonst einer Bankrotterklärung nahe. Wir bitten daher inständig alle Beteiligte und Entscheidungsträger, dem Thema endlich die notwendige Aufmerksamkeit und Priorität zu geben, die es erfordert.

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Unter dem Label NRWZ-Redaktion beziehungsweise NRWZ-Redaktion Schramberg veröffentlichen wir Beiträge aus der Feder eines der Redakteure der NRWZ. Sie sind von allgemeiner, nachrichtlicher Natur und keine Autorenbeiträge im eigentlichen Sinne. Die Redaktion erreichen Sie unter [email protected] beziehungsweise [email protected]

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