Corona: Stadt Rottweil rechnet mit Betriebsschließungen – und installiert (endlich) einen Citymanager

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Rottweil. Noch sei unklar, welche langfristigen Auswirkungen die seit März bestehende, durch die Corona-Pandemie bedingte Situation zeitigen wird. Die Stadtverwaltung erwartet allerdings, dass sich einzelne Betriebe von den Umsatzeinbußen während des Lock-Downs nicht erholen werden. Sie erwartet weitere Leerstände. Das steht in einem Papier, in dem die Verwaltung eigentlich positiv nach vorne schauen wollte – indem ein sogenannter Innenstadt-Manager installiert wird, der den Unternehmern in der Stadt zur Seite steht. Der Gemeinderat beschloss das einstimmig.

Rottweil nach dem Lock-Down. Das öffentliche Leben ist für mehrere Wochen nahezu zum Erliegen gekommen. Seit Ende April werden nun schrittweise Lockerungen in den Beschränkungen für Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistung vorgenommen. Doch hatten die Corona-Maßnahmen massive Auswirkungen etwa auf den Einzelhandel. „Wegen der überwiegend fehlenden alternativen Vertriebswege sehen sich viele Unternehmer in ihrer Existenz bedroht“, so die Stadtverwaltung in einer Vorlage für die Gemeinderatssitzung am Mittwoch. Darin geht es um den Aufbau eines Innenstadtmanagements in Kooperation mit dem Gewerbe- und Handelsverein Rottweil.

Teilweise könnten die gewährleisteten Soforthilfen zwar kurzfristige Liquidität herstellen, unklar sei jedoch, wie viele Betriebe sich langfristig von den massiven Umsatzeinbußen erholen können. „Eine Häufung an Betriebsschließungen, die sich nicht nur auf den unmittelbaren Zeitraum der Krise beschränken werden, ist anzunehmen. Mit Blick auf den Standort Innenstadt werden zunehmend Leerstände und ein Verlust an Funktionen eine mittelfristige Folge sein“, so das Urteil der Stadtverwaltung. Der Ruf nach stärkeren Unterstützungsmaßnahmen für die Innenstädte wird zudem laut.

Innenstadtmanagement stehe dabei als direkter Ansprechpartner für die wirtschaftliche Stabilisierung der Innenstadt und der vorsichtigen Wiederbelebung des öffentlichen Raumes.

Und das langfristige Ziel: „den Funktionsmix aus Handel, Gastronomie und Dienstleistung stärken“, wie Bürgermeister Dr. Christian Ruf vorgab. Noch nie sei ein Innenstadtmanager so wichtig gewesen wie heute – nicht nur wegen Corona, auch wegen anstehenden Generationswechseln in den Geschäften.

Die Schaffung der Position gleicht einem Langstreckenlauf, keinem Sprint. Einem Lauf in Jahresschritten. So hat die Stadt Rottweil im Jahr 2018 gemeinsam mit allen Beteiligten das Gesamtkonzept Wirtschaftsförderung, Tourismus und Stadtmarketing erarbeitet und am 20. Februar 2019 im Gemeinderat beschlossen. Zu den beschlossenen Aufgaben gehörte auch der Aufbau eines Innenstadtmanagements mit neuen Strukturen. In einer Gemeinderatssitzung ein Jahr darauf, im Februar 2020, wurde dann die Konzeption zum Aufbau eines Citymanagements in ihren Grundzügen vorgestellt. Ende April 2020 erhielt die Stadt Rottweil die Entscheidung des Regierungspräsidiums Freiburg, dass eine Förderung über die „Nicht investive Städtebauförderung“ möglich ist. Es gibt also vielleicht Geld für die Position, es wurde laut Stadtverwaltung bereits fristgerecht beantragt. Der entsprechende Gemeinderatsbeschluss stand bis Mittwoch noch aus.

Ende 2020, Anfang 2021 könnte es dann soweit sein, der Citymanager könnte seine Arbeit aufnehmen. Und gleich damit beginnen, die verbliebenen Einzelhändler zu stützen und den Leerstand zu bekämpfen. Zu seinen Aufgaben als Förderer von Bestandsbetrieben und Ansiedler neuer gehören außerdem:

  • Gespräche mit Eigentümern und Verwaltern
  • Betreuung eines aktiven Flächen- und Leerstandsmanagements
  • Entwicklung von und Beratung zu Zwischen- oder Nachfolgnutzungen
  • Umsetzung von temporären Zwischennutzungen (zum Beispiel Pop-Up-Stores)
  • Stärkung der Wochenmarktfunktion durch flankierende Maßnahmen (zum Beispiel Live-Kochen in Zusammenarbeit mit der lokalen Gastronomie …) und Marketing.

Weitere große Aufgabenbereiche:

  • die Akquise und Betreuung von Fördermitteln
  • Schnittstelle zur Sanierungsberatung
  • Steigerung der innerstädtischen Aufenthaltsqualität („in Nach-Corona-Zeiten besonders wichtig“, notiert die Verwaltung)
  • Erhöhung der Besucher- und Kundenzufriedenheit
  • Kommunikation, Koordination, Öffentlichkeitsarbeit

Und er oder sie soll jemand sein, der vor Ort in Erscheinung tritt. Als „Kümmerei 2.0“ für die Belange, die auf der „Straße“ an die Stadt herangetragen werden – der Citymanager „ist also sichtbar im Geschehen und hat ein Ohr bei den Betroffenen“, so die Stadtverwaltung. Es gehe auch mal darum, aufzunehmen, dass wo ein Mülleimer übervoll sei. Und sich darum zu kümmern. Er solle zudem Sprachrohr zur eigenen Bürgerschaft sein, wenn es um die Schaffung eines Wir-Gefühls zur Förderung der Innenstadt geht.

Ziel ist es, die Stelle (Vollzeit, 39 Stunden/Woche) innerhalb des Gewerbe- und Handelsvereins zu schaffen. Dieser habe sich dazu bereiterklärt. Die Stelle ist an die Laufzeit des Förderprogramm (bis Ende 2024) gekoppelt und daher zeitlich auf vier Jahre befristet.

Für den Innenstadtmanager sind laut Stadtverwaltung Personal- und Sachkosten von 77.000 Euro pro Jahr veranschlagt. 70.000 Euro werden für Personalaufwände eingeplant, der Rest für Sachmittel. „In dieser ersten Phase sollen Vorbereitungen für eine dauerhafte Verstetigung getroffen werden“, erklärt die Stadtverwaltung. Das Programm solle zur Halbzeit, also nach zwei Jahren, und zum Ende evaluiert werden. Bei erfolgreicher Wirkungsentfaltung könne neu über eine Verlängerung befunden werden. Bis dahin seien gegebenenfalls auch neue Förderprogramme aufgelegt oder die klassische Städtebauförderung könne, analog zu anderen Bundesländern (Bayern, Hessen), auch zur Co-Finanzierung von Innenstadtmanagement verwendet werden.

20.000 Euro soll der GHV jährlich beisteuern, 32.100 Euro die Stadt. 24.900 Euro pro Jahr betragen die Fördermittel. Die Obergrenzen: Die Fördermittel aus dem Förderprogramm ist auf maximal 100.000 Euro begrenzt. Und der GHV kann sich mit maximal 20.000 Euro im Jahr einbringen.

Die Stadträtin Ira Hugger (Grüne) unterstrich den Bedarf an einem Innenstadtmanager. Das Feld sei bisher als Aufgabe der städtischen Wirtschaftsförderung wahrgenommen worden – und entsprechend als nicht ausreichend besetzt und umgesetzt. Sie hoffe, dass der Manager bis Sommer 2021 aktiv sei.

SPD-Stadtrat Dr. Jürgen Mehl setzte die noch nicht installierte Person unter Druck: Er regte an, den Erfolg des Managers nicht nur nach zwei Jahren zu überprüfen, sondern gegebenenfalls das Projekt bei mangelhaftem Erfolg auch zu beenden.

„Wir müssen diesen Schritt jetzt gemeinsam gehen, den Innenstadtmanager installieren“, sagte CDU-Sprecher Günter Posselt. Es sei gut und notwendig, dass es Fördermittel dazu gebe – aber auch nur richtig, weil einem Ausbluten der Innenstadt gegengesteuert werden müsse. Posselt unterstrich, dass es wichtig sei, dass der GHV mit im Boot sei.

„Wir haben das Thema so oft durchgekaut“, sagte FFR-Stadtrat Jörg Stauss, er sei froh, dass es jetzt umgesetzt werde. Rottweil müsse eine attraktive Innenstadt haben, die Möglichkeiten nicht nur zum Einkaufen, sondern auch zum Verweilen in Restaurants biete.

„Man kann es ihm nur wünschen, dass er Wunder wirkt“, sagte Dr. Michael Gerlich (FDP) mit einem Augenzwinkern. Der Neue müsse erstmal mit der Mentalität hier klarkommen „und mindestens verheiratet sein mit einer Dame, die beim Landes-Denkmalamt arbeitet“, sagte er weiter. Das sei einer der Punkte, die immer Probleme gemacht hätten. „So hoch wollen wir die Qualifikation nicht hängen“, konterte Oberbürgermeister Ralf Broß.

Christian Hörmann von der Stadtentwicklungsgesellschaft Cima schrieb den Stadträten ins Stammbuch, nicht darüber nachzudenken, „was der oder die (geeignete Kandidat/in) denn können sollte“ – das Thema Citymanagement müsse als Gemeinschaftsaufgabe betrachtet werden. Auch könne es schwer sein, ein klares Profil aufzustellen, dem der Manager entspreche – außer vielleicht, dass es sich um eine offene, kommunikative Person handeln solle. Er könne sich durchaus einen Quereinsteiger vorstellen. Einer, der reden könne, überzeugen. Es sei ein anstrengender, aufreibender Job – den derjenige dann lange aushalte, wenn er sich in einem Team wiederfinde. Er dürfe nicht alleine gelassen werden, das führe unweigerlich zum Scheitern.

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Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.