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    Rottweil: Abstauben ist Kunst

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    Am Montag, 6. Januar 2020, geht sie wieder los: die fünfte Jahreszeit, die größte und schönste Jahreszeit von allen, die Fasnetszeit. Um 10.45 Uhr wird die Fasnet durch das Abstauben der Narrenkleider eröffnet. Die Abstauber werden vom Café Schädle aus durch den Narrenmeister in die Stuben der Bürgersleut‘ ausgesandt. Ein erster Höhepunkt, von dem hier ein echter Insider berichtet. Detailreich.

    Ein Gastbeitrag von Rottweils Zunftschreiber Frank Huber

    Der erste Abstaubertag, an den ich mich erinnere, war schlimm. Meine Großeltern und meine Eltern saßen in der guten Stube in der Höllgasse, als es endlich klingelte. Bevor der hünenhafte Hans Mathauer und seine Kollegen schwarz befrackt mit ihren riesengroßen Zylindern am späten Nachmittag zur Tür hereinkamen, flüchtete ich nach deren Anblick auf den Dachboden. Ich kannte die Männer nicht.

    Später dann, vom guten Zureden der Eltern überstimmt, kam ich wieder nach unten in die warme Stube. Während der verpassten Zeit war es schon recht lustig in dem vom Ölofen beheizten Wohnzimmer geworden. Das laute Lachen schwappte mir im Hausgang entgegen.

    Beim Blick in die Stube sah ich etliche entkorkte Flaschen auf dem Tisch. Zudem hatten alle Anwesenden, so wurde mir erklärt, wegen der Wärme rote Backen. Irgendwann mussten die zwei unheimlichen Gestalten, die ich zwischenzeitlich fast sogar liebgewonnen hatte, gehen.

    Der etwas unsichere Gang von Herrn Mathauer wurde mir mit der weiten Strecke, die die drei heute schon zurückgelegt hatten, erklärt. Ich weiß noch, wie meine Mutter mir das sagte, aber ich weiß auch, dass ich damals leise ahnte, dass an der Geschichte etwas faul sein musste. Ich glaube, auch meine Mutter ahnte, dass ich das ahnte.

    Der Mann fiel wie ein Baum

    Auf alle Fälle galt es beim Verlassen unseres Hauses einen Treppenabsatz zu überwinden. Das war zu viel. Bei Herrn Matthauer versagte die Grobmotorik. Der Mann fiel wie ein Baum. Der Handknochen brach vor meinen Augen.

    Von da an wurde diese Geschichte jedes Jahr am Abstaubertag erzählt. Jeder Abstaubertag hat Rituale. Er unterliegt einem mächtigen Wiederholungszwang. Immer, jedes Jahr aufs Neue, gibt es das eine bestimmte Essen, die gleichen scherzhaften Geschichten, den bestimmten Ablauf, die gleichen Gäste.

    Der Abstaubertag ist unzeitgemäß

    Der Abstaubertag ist deshalb unzeitgemäß. Er will nie etwas Neues, sondern nur das Alte zur Wiedervorlage bringen. Der Tag mag keine Varianz. Er zementiert Gemeinschaft in einem Gemeinwesen durch die Wiederholung des Immergleichen. Der Tag gibt der verrinnenden Zeit Struktur, gaukelt Ewigkeit vor.

    Die Älteren versichern sich, dass auch die Jungen das feiern, was sie selbst immer feierten. Der gelungene Dreikönigstag kommt daher nie ohne Rührung aus. Man spürt: Das Ritual ist zählebiger als der Einzelne, der nur die paar Jahre des Irdischen hat. Und wer weiß, ob sich alle im nächsten Jahr noch wiedersehen.

    Jeder Abstaubertag kämpft mit seinen feierlich starren Abläufen gegen die Vergänglichkeit an. Auf die Choreographie der gleichbleibenden Abläufe kommt es deshalb an. Oft hört man, dass das Abstauben etwas für ewig Gestrige ist. Gefordert wird eher das barocke Fest mit Musik, großer Verkleidung, Tanz, Freinacht und viel Schnick und noch mehr Schnack. Wer diesen Tag so versteht, hat nichts verstanden.

    Der Abstaubertag wie er in Rottweil gefeiert wird, ist eher leise. Familiär. Trotzdem oder gerade deswegen ist er noch immer in Form und er gelingt auch nur in der Form. Nur, wenn die ganze närrische Familie sich an ihre feierlich starre Choreographie hält, wird der Abstaubertag zu einem zeitlosen Kunstwerk.

    Die Gastgeber, die die Abstauber besuchen und diejenigen, die sich einfach daran freuen, dass der Narrenmeister heute 30 stolze Brauchtumspfleger mit Fliege und Blume im Knopfloch zur Erweckung der Fasnet um 10.45 Uhr am Café Schädle aussendet, wissen um den Sinn dieses Tages, um seine Bedeutung.

    Wie schwer diese Bedeutung wiegt und welche große Bürde die Abstauber an diesem Tag auf sich nehmen, kann ab 21 Uhr im Gasthaus Goldener Apfel erörtert werden. Dort treffen sich alle Abstauber und alle der Fasnet treu verbundenen Bürgersleute. Die Narrenzunft freut sich auf Ihr Kommen.

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    Ein Gastbeitrag von Rottweils Zunftschreiber Frank Huber

    Der erste Abstaubertag, an den ich mich erinnere, war schlimm. Meine Großeltern und meine Eltern saßen in der guten Stube in der Höllgasse, als es endlich klingelte. Bevor der hünenhafte Hans Mathauer und seine Kollegen schwarz befrackt mit ihren riesengroßen Zylindern am späten Nachmittag zur Tür hereinkamen, flüchtete ich nach deren Anblick auf den Dachboden. Ich kannte die Männer nicht.

    Später dann, vom guten Zureden der Eltern überstimmt, kam ich wieder nach unten in die warme Stube. Während der verpassten Zeit war es schon recht lustig in dem vom Ölofen beheizten Wohnzimmer geworden. Das laute Lachen schwappte mir im Hausgang entgegen.

    Beim Blick in die Stube sah ich etliche entkorkte Flaschen auf dem Tisch. Zudem hatten alle Anwesenden, so wurde mir erklärt, wegen der Wärme rote Backen. Irgendwann mussten die zwei unheimlichen Gestalten, die ich zwischenzeitlich fast sogar liebgewonnen hatte, gehen.

    Der etwas unsichere Gang von Herrn Mathauer wurde mir mit der weiten Strecke, die die drei heute schon zurückgelegt hatten, erklärt. Ich weiß noch, wie meine Mutter mir das sagte, aber ich weiß auch, dass ich damals leise ahnte, dass an der Geschichte etwas faul sein musste. Ich glaube, auch meine Mutter ahnte, dass ich das ahnte.

    Der Mann fiel wie ein Baum

    Auf alle Fälle galt es beim Verlassen unseres Hauses einen Treppenabsatz zu überwinden. Das war zu viel. Bei Herrn Matthauer versagte die Grobmotorik. Der Mann fiel wie ein Baum. Der Handknochen brach vor meinen Augen.

    Von da an wurde diese Geschichte jedes Jahr am Abstaubertag erzählt. Jeder Abstaubertag hat Rituale. Er unterliegt einem mächtigen Wiederholungszwang. Immer, jedes Jahr aufs Neue, gibt es das eine bestimmte Essen, die gleichen scherzhaften Geschichten, den bestimmten Ablauf, die gleichen Gäste.

    Der Abstaubertag ist unzeitgemäß

    Der Abstaubertag ist deshalb unzeitgemäß. Er will nie etwas Neues, sondern nur das Alte zur Wiedervorlage bringen. Der Tag mag keine Varianz. Er zementiert Gemeinschaft in einem Gemeinwesen durch die Wiederholung des Immergleichen. Der Tag gibt der verrinnenden Zeit Struktur, gaukelt Ewigkeit vor.

    Die Älteren versichern sich, dass auch die Jungen das feiern, was sie selbst immer feierten. Der gelungene Dreikönigstag kommt daher nie ohne Rührung aus. Man spürt: Das Ritual ist zählebiger als der Einzelne, der nur die paar Jahre des Irdischen hat. Und wer weiß, ob sich alle im nächsten Jahr noch wiedersehen.

    Jeder Abstaubertag kämpft mit seinen feierlich starren Abläufen gegen die Vergänglichkeit an. Auf die Choreographie der gleichbleibenden Abläufe kommt es deshalb an. Oft hört man, dass das Abstauben etwas für ewig Gestrige ist. Gefordert wird eher das barocke Fest mit Musik, großer Verkleidung, Tanz, Freinacht und viel Schnick und noch mehr Schnack. Wer diesen Tag so versteht, hat nichts verstanden.

    Der Abstaubertag wie er in Rottweil gefeiert wird, ist eher leise. Familiär. Trotzdem oder gerade deswegen ist er noch immer in Form und er gelingt auch nur in der Form. Nur, wenn die ganze närrische Familie sich an ihre feierlich starre Choreographie hält, wird der Abstaubertag zu einem zeitlosen Kunstwerk.

    Die Gastgeber, die die Abstauber besuchen und diejenigen, die sich einfach daran freuen, dass der Narrenmeister heute 30 stolze Brauchtumspfleger mit Fliege und Blume im Knopfloch zur Erweckung der Fasnet um 10.45 Uhr am Café Schädle aussendet, wissen um den Sinn dieses Tages, um seine Bedeutung.

    Wie schwer diese Bedeutung wiegt und welche große Bürde die Abstauber an diesem Tag auf sich nehmen, kann ab 21 Uhr im Gasthaus Goldener Apfel erörtert werden. Dort treffen sich alle Abstauber und alle der Fasnet treu verbundenen Bürgersleute. Die Narrenzunft freut sich auf Ihr Kommen.

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