„Der Tourismus kannte bis 2019 nur Wachstum“, stellte Tobias Klöpf von der Agentur Projekt M im Verwaltungsausschuss fest. Doch dann kam Corona. Bis dahin hätten sich viele ausgeruht, keine klaren Zukunftsstrategien entwickelt. Das sei „keine Schramberger Besonderheit“. Die rückläufigen Übernachtungszahlen zeigten aber: „So läuft es nicht“. Im Ausschuss hat Klöpf die Grundzüge einer solchen Strategie dann vorgestellt.
Schramberg. Es habe in den vergangenen Jahrzehnten große gesellschaftliche Veränderungen gegeben, wie etwa die Digitalisierung. „Die Kundenansprüche sind massiv gestiegen.“ Andererseits hätten die Gastgeber wenig investiert. Bei steigenden Anforderungen und knapperen Ressourcen gelte es sich, zu konzentrieren, lautete die Empfehlung des Experten.
Tourismus als Wirtschaftsfaktor
Für Schramberg habe die Schwarzwald-Tourismus einen Brutto-Umsatz von 27 Millionen Euro aus dem Tourismus errechnet. Er leiste damit einen Beitrag von etwa zwei Prozent zum primäreinkommen. Das sei zwar vergleichsweise wenig, aber der Tourismus bringen wertvolle Effekte für die Stadt, Bevölkerung und Unternehmen.
Er trage unter anderem zum Freizeit, Kultur- und Brauchtumsangebot bei, hatte Ayline Liedtke in einer Vorlage für den Ausschuss erläutert. Klöpf bestätigte, der Tourismus sei keine Pflichtaufgabe der kommune. Er sei aber ein Standortfaktor und die Angebote kämen allen zugute.
Der Tourismusexperte empfahl, „nicht mit Vielfalt, sondern mit einer klaren Profilierung“ für Schramberg zu werben.“
Grundlagen und Ist-Zustand ermittelt
Projekt M habe zunächst mit Workshops, Besichtigungen, Befragungen und Experteninterviews den Ist-Zustand ermittelt. Bei einem Kamingespräch und in einer Strategiewerkstatt habe man gemeinsam mit lokalen Akteuren die Ergebnisse diskutiert. Daraus habe seine Agentur strategische Eckpunkte der Tourismusentwicklung für Schramberg erarbeitet“.
Klöpf stellte fest, dass Schramberg für den Tagestourismus „ein enormes Potenzial“ habe. Etwa 6,5 Millionen Menschen lebten in einer Entfernung von maximal 90 Autominuten. Die Hauptstärken lägen im Umland mit den Bauernhöfen und den Familienangeboten. „Die Museen haben uns nicht so begeistert“, schob er nach.
Familien bevorzugt
Der Leitgedanke für Schramberg sollte sein: „Schramberg – Schwarzwald. Zeit. Erleben“. Ein Gedanke, der vor Jahren fast gleichlautend auch beim Markenbildungsprozess aufgetaucht war. Daraus ergäben sich drei Angebotsthemen: Familienerlebnis, wandern und Industriekultur. Hauptzielgruppen seien Familien, „Best-Ager-Paare“ und “Special Interest-Gruppen“.
Mit dem Thema Zeit baue die Stadt auf bestehende Strukturen auf, könne zugleich kreativ damit umgehen: Familien-Zeit, Auszeit-Zeit erleben und so weiter angehen.
Klöpf nannte als Ziele die verbesserte Zusammenarbeit aller Akteure, die Stadt solle zum „durchgängigen Familienerlebnisraum“ werden. Ziel müsse sein, „Schramberg als Destination für Familienzeit im Schwarzwald zu positionieren“. Die Wertschöpfung ließe sich von zwei auf sechs bis acht Prozent steigern, ist Klöpf überzeugt. Seine Agentur werde nun einen klaren Zeitplan mit Preisschildern ausarbeiten, kündigte er an.
Im Februar werde er diesen dann im Gemeinderat vorstellen, sicherte Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr zu.
Reuter: Schramberg lebt nicht vom Tourismus
Jürgen Reuter (Aktive Bürger) wies darauf hin, dass Schramberg nicht vom Tourismus lebe. Beim Markenbildungsprozess habe man vor acht Jahren schon ähnliches erarbeitet. Er frage sich, ob sich die Stadt eine Qualitätssteigerung angesichts der Wirtschaftslage leisten könne. Auch dürfe man die Stammkunden nicht verlieren.
Tanja Witkowski (SPD-Buntspecht) erinnerte daran, dass die drei Begriffe Schwarzwald, Zeit und Erleben schon bisher im Stadtmarketing bedeutsam sind. „Wir müssen uns entscheiden“, plädierte sie für eine Konzentration. Sie bemängelte, dass die Stadtteile mit ihren Unterschieden zu kurz gekommen seien.
Klöpf betonte, die Ergebnisse des Stadtmarketing-Prozesses seien alle in die Untersuchung eingeflossen. Man habe sich die Unterschiedlichkeiten der Teilorte angeschaut, aber, den Gast interessiere das nicht, „die denken nicht in Ortsteilen, der Erlebnisraum ist wichtig“.
Museen: Verbesserungspotenzial
Thomas Brantner (CDU) hakte nach, was Klöpf denn an den Museen „nicht begeistert“ habe. Er habe die Museen wie ein Tourist angeschaut, erläuterte Klöpf. Da erwarteten die Besucher heute Mitmachangebote, Digitalisierungen. „Hier kann man nichts anfassen, nichts berühren“, bemängelte er. Lauter Autos stünden dicht aneinandergedrängt. Es fehle die Inszenierung, es würden keine Geschichten erzählt. Ein weiteres Manko seien die Entfernungen der Museen zueinander.
Udo Neudeck (Feie Liste) widersprach ein wenig, Steim habe eine Autosammlung, kein Museum. Mit Kindern sei es schwierig, wenn diese alles anfassen dürften.
Andererseits erlebe er grade bei Führungen mit der Zielgruppe „Best Ager“, wie diese „in eine andere Welt zurück katapultiert“ werden. Es sei ein Spagat, einerseits zu modernisieren, andererseits diese Gruppe nicht zu verlieren.
Reuter meldete sich nochmals zu Wort. Die Stadt wolle mit dem Tourismus Geld verdienen. Dazu müsse sie die Museen nicht haben. Menschen, die den Europapark besuchen wollen, übernachteten in Tennenbronn im Ferienpark. Das Kinzigtal profitiere von den Schramberger Museen als Schlecht-Wetter-Angebot. Übernachten würden die Menschen aber anderswo. „Wir müssen überlegen, wo stecken wir Geld rein.“
Der Ausschuss beauftragte schließlich einstimmig die Beratungsfirma Projekt M damit, das Konzept weiter auszuarbeiten und im Februar vorzustellen.