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    Steigeunfall: mehrjährige Haftstrafe wegen versuchten Mordes – Verurteilter bricht zusammen

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    Im Verfahren um einen schrecklichen Unfall an der Steige in Schramberg hat das Landgericht Rottweil am Donnerstagabend das Urteil gefällt: Der Angeklagte wird wegen versuchten Mordes durch Unterlassen, wegen Unfallflucht und fahrlässiger Körperverletzung zu sechs Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Der Richter hatte ihn nach den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung bis zur Urteilsverkündung schon vorsorglich in Gewahrsam nehmen lassen. Das steckte der Angeklagte wiederum nicht gut weg: Kurz vor der Urteilsverkündung sind ein Rettungssanitäter und ein Notarzt ins Gerichtsgebäude gerufen worden.

    Die erste Schwurgerichtskammer des Landgerichts unter Vorsitz von Richter Karlheinz Münzer sah es als erwiesen an, dass der damals 47-jährige Angeklagte am frühen Morgen des 17. März 2018 einen auf der Fahrbahn liegenden Mann überfahren und etwa 320 Meter unter dem Fahrzeug eingeklemmt mitgeschleift hatte. Der Unfall hatte damals in Schramberg für großes Aufsehen gesorgt.

    Der Unfallverursacher hat im Verlauf des Prozesses ausgesagt, er habe nicht bemerkt, dass er einen Menschen überfahren hatte. Er habe gedacht, er sei über einen Ast oder sonstigen größeren Gegenstand gefahren. Mehrere Gutachter konnten nicht zweifelsfrei klären, ob der Unfallverursacher das Opfer tatsächlich gesehen hat.

    Ein Unfallgutachter war allerdings überzeugt, dass der Schlag, den der Aufprall des Autos beim Überfahren des Opfers verursacht hatte, sehr massiv gewesen sei.

    Notarzt- und Polizeieinsatz

    Der heute 50-Jährige hatte schon die Plädoyers nur unter Schluchzen überstanden. Kurz vor der Urteilsverkündung ist es zudem zum Einsatz eines Notarztes und eines Rettungssanitäters gekommen. Dem Mann ginge es schlecht, hieß es. Mit verzweifelter Miene und eine Hand immer schützend vor den Augen erwartete er den Urteilsspruch. Eins-zu-Eins bewacht von einem Justizvollzugsbeamten. Dieser musste dem Mann auch helfen, seinen Stuhl zurechtzurücken. Offensichtlich war der 50-Jährige am Ende, hatte einen Zusammenbruch erlitten. Unterdessen kam auch eine Streifenwagenbesatzung der Polizei hinzu. Der Mann wurde nach dem Urteilsspruch abgeführt. Er war als noch freier Mann am Nachmittag in den Gerichtssaal gekommen.

    Aufschrift auf einer Wartebank vor dem Gerichtssaal. Foto: gg

    Das Urteil

    Den Vorwurf des versuchten Mordes wegen Unterlassung sah das Gericht nach der Beweisaufnahme als erwiesen an. Münzer erklärte zunächst, es könne jedem Fahrer passieren, einen auf der Straße, im Dunkeln liegenden Menschen aus Versehen und unabsichtlich zu überfahren. Dann aber weiterzufahren und sich nicht um das verletzte Unfallopfer zu kümmern – und das absichtlich -, das sei versuchter Mord. Es sei lediglich ärztlicher Kunst zu verdanken, dass das Unfallopfer überlebt habe. Es ist heute noch auf den Rollstuhl angewiesen, kann nur wenige Schritte alleine gehen, „wurde aus dem Leben gerissen, seine Eltern auch“, so der Richter. „Er wird sein Leben lang von diesem Unfall gezeichnet sein.“

    Mit einer Geschwindigkeit von gut 50 Kilometern pro Stunde hatte er das betrunken auf der Fahrbahn liegende Unfallopfer überfahren und mitgeschleift. 320 Meter weit. „Er hat gemerkt, dass sich etwas unter dem Fahrzeug verfangen hatte“, so Richter Münzer. Deshalb habe er angehalten. Und etwa sechs Meter zurückgesetzt.

    Richter: „Er hat ihn gesehen“

    „Dadurch hatte sich das Unfallopfer gelöst. Dadurch lag dieses auf der Straße. Da hat der Angeklagte auch erkannt, dass es sich um einen Menschen handelt.“ Mit einem tödlichen Ausgang des Unfalls habe er nun rechnen müssen – „wenn er ihn liegen lässt, ohne ihm zu helfen, ohne die Rettungskräfte zu rufen.“ Er sei weitergefahren, um sich einer Strafverfolgung zu entziehen. Seine Aussage, nur über ein Schlagloch gefahren zu sein oder über einen unbekannten Gegenstand, die sei nicht glaubhaft.

    „Das Unfallopfer lag vor dem Wagen. Es war ein vollständiger Mensch, so auch erkennbar. Es ist nicht nachvollziehbar, dass man nicht nachschaut, was man da eine so lange Strecke mitgeschleift hat“, so Münzer. Zumal der Mann um das Unfallopfer anschließend habe herumfahren müssen, um die Unfallstelle zu verlassen.

    Er sei schlicht verpflichtet gewesen, sich zu vergewissert, wen oder was er da an- oder überfahren habe.

    Das Gericht hatte bei der Strafzumessung – möglich waren bis zu 15 Jahre Haft – berücksichtigt, dass der Mann nicht vorbestraft ist, dass er sich zudem entschuldigt habe. Wegen ungewöhnlich langer Verfahrensdauer werden dem Mann zwei Monate der verhängten Haftstrafe erlassen. Sechs Jahre Haft liegen nun vor ihm.

    Aus dem Gerichtssaal in Haft

    Direkt nach der öffentlichen Urteilsverkündung schickte Richter Münzer alle nicht direkt am Verfahren Beteiligten – Presse, Zuschauer, Nebenklage auch – aus dem Saal. Sodann wurde der Haftbefehl gegen den 50-Jährigen verkündet. Der Mann ist anschließend in ein Justizvollzugskrankenhaus gebracht worden.    (gg)

    Die Plädoyers von Anklage, Nebenklage und Verteidigung

    In ihren Plädoyers hatten zuvor die Staatsanwältin eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und vier Monaten wegen versuchten Mordes, Unfallflucht und fahrlässiger Körperverletzung gefordert. Sie sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte an jenem verhängnisvollen Morgen das Unfallopfer gesehen haben muss. Nachdem sich der Geschädigte vom Auto gelöst hatte, habe er sich vom Unfallort entfernt, um eine Straftat zu vertuschen. Damit habe er „billigend in Kauf genommen“, dass das Opfer an seinen lebensgefährlichen Verletzungen stirbt.

    Die Vertreterin des Nebenklägers betonte in ihrem Plädoyer die möglicherweise lebenslänglichen Unfallfolgen für das Opfer und seine Familie. Sie forderte wie die Staatsanwältin eine Haftstrafe von sieben  Jahren und vier Monaten. Auch für sie war bewiesen, dass der Angeklagte das Opfer gesehen haben muss.

    Verteidiger: Kein Mordversuch

    Für Verteidiger Bernhard Mußgnug hat die Beweisaufnahme nicht zweifelsfrei ergeben, dass der Angeklagte das Unfallopfer gesehen hatte. Er plädierte deshalb für eine Haftstrafe von vier Monaten wegen fahrlässiger Körperverletzung, die zu Bewährung auszusetzen sei, auch weil der Angeklagte bisher keinerlei Straftaten begangen hatte. Er beschrieb die körperlichen und psychischen Defizite des Angeklagten. Nur diese machten sein Verhalten erklärbar, so der Anwalt.

    Es sei mit dem Charakter des Angeklagten nicht erklärbar, dass er, ohne aufgewühlt zu sein, nach dem Unfall mit einer Zeugin telefoniert hat, nach Stuttgart und wieder zurückfährt. „Er schläft im Auto in aller Ruhe ein. Erst als ihm, Stunden später, die Polizei eröffnet, was passiert ist, bricht er völlig zusammen.“ Das sei rational nicht erklärbar, das könne man nicht spielen. Spätestens beim Anblick der Polizeibeamten hätte er doch fliehen können oder müssen, wenn er tatsächlich gewusst habe, dass er einen Menschen möglicherweise auf dem Gewissen hat.

    Gut bewacht

    Der Angeklagte, ein Deutscher mit iranischen Wurzeln, verzichtete  auf sein letztes Wort. In sich zusammengesunken hatte er während der Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung dagesessen.

    Vielleicht in Erwartung des Haftantrags seitens der Staatsanwaltschaft hatte das Gericht den Mann von vier Justizangestellten bewachen lassen. Von ungewöhnlich vielen.

    Urteil noch nicht rechtskräftig

    Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft können innerhalb einer Woche Revision beantragen.

     

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    Martin Himmelheber (him)
    Martin Himmelheber (him)
    ... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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    Das Urteil

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    Mit einer Geschwindigkeit von gut 50 Kilometern pro Stunde hatte er das betrunken auf der Fahrbahn liegende Unfallopfer überfahren und mitgeschleift. 320 Meter weit. „Er hat gemerkt, dass sich etwas unter dem Fahrzeug verfangen hatte“, so Richter Münzer. Deshalb habe er angehalten. Und etwa sechs Meter zurückgesetzt.

    Richter: „Er hat ihn gesehen“

    „Dadurch hatte sich das Unfallopfer gelöst. Dadurch lag dieses auf der Straße. Da hat der Angeklagte auch erkannt, dass es sich um einen Menschen handelt.“ Mit einem tödlichen Ausgang des Unfalls habe er nun rechnen müssen – „wenn er ihn liegen lässt, ohne ihm zu helfen, ohne die Rettungskräfte zu rufen.“ Er sei weitergefahren, um sich einer Strafverfolgung zu entziehen. Seine Aussage, nur über ein Schlagloch gefahren zu sein oder über einen unbekannten Gegenstand, die sei nicht glaubhaft.

    „Das Unfallopfer lag vor dem Wagen. Es war ein vollständiger Mensch, so auch erkennbar. Es ist nicht nachvollziehbar, dass man nicht nachschaut, was man da eine so lange Strecke mitgeschleift hat“, so Münzer. Zumal der Mann um das Unfallopfer anschließend habe herumfahren müssen, um die Unfallstelle zu verlassen.

    Er sei schlicht verpflichtet gewesen, sich zu vergewissert, wen oder was er da an- oder überfahren habe.

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    Verteidiger: Kein Mordversuch

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    Es sei mit dem Charakter des Angeklagten nicht erklärbar, dass er, ohne aufgewühlt zu sein, nach dem Unfall mit einer Zeugin telefoniert hat, nach Stuttgart und wieder zurückfährt. „Er schläft im Auto in aller Ruhe ein. Erst als ihm, Stunden später, die Polizei eröffnet, was passiert ist, bricht er völlig zusammen.“ Das sei rational nicht erklärbar, das könne man nicht spielen. Spätestens beim Anblick der Polizeibeamten hätte er doch fliehen können oder müssen, wenn er tatsächlich gewusst habe, dass er einen Menschen möglicherweise auf dem Gewissen hat.

    Gut bewacht

    Der Angeklagte, ein Deutscher mit iranischen Wurzeln, verzichtete  auf sein letztes Wort. In sich zusammengesunken hatte er während der Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung dagesessen.

    Vielleicht in Erwartung des Haftantrags seitens der Staatsanwaltschaft hatte das Gericht den Mann von vier Justizangestellten bewachen lassen. Von ungewöhnlich vielen.

    Urteil noch nicht rechtskräftig

    Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft können innerhalb einer Woche Revision beantragen.

     

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