Der katholische Kindergarten in Waldmössingen beschäftigt den Schramberger Gemeinderat und den Ortschaftsrat Waldmössingen schon seit geraumer Zeit. Zum einen müsste er dringend saniert werden, und zum anderen möchte die Kirchengemeinde weitere Räume für Kindergartengruppen einrichten. Das Problem: Anders als seit Jahrzehnten üblich – und vertraglich auch so geregelt -, möchte die katholische Kirche den bisher üblichen 20-Prozentanteil an den Investitionen nicht mehr übernehmen. Die Stadt soll den Anbau komplett bezahlen. Insgesamt 2,9 Millionen Euro möchte die Kirchengemeinde investieren. Lediglich 100.000 Euro hat die Diözese zugesagt.
CDU löst Debatte aus
Im Rahmen der Haushaltsdebatte hat CDU-Fraktionssprecher Thomas Brantner das heikle Thema angesprochen. Ein solcher Paradigmenwechsel müsse im Gemeinderat beraten werden. Und bevor die Mittel frei gegeben werden, müsse die Stadt nachverhandeln. Deshalb fordere seine Fraktion, einen Sperrvermerk anzubringen. Brantner betonte, alle beteiligten Personen wollten „das Optimale“. Der Bedarf an weiteren Kitaplätzen stehe außer Frage. Das Problem seien die 20 Prozent Kostenübernahme, die die Kirche nicht zu leisten bereit sei.
Erst in der Ortschaftsratssitzung am 9. März 2020 sei dieser Paradigmenwechsel bekannt geworden, bedauerte Brantner. Da ein solcher Paradigmenwechsel Auswirkungen für die gesamte Stadt habe, sollte zunächst der Gemeinderat darüber beraten können. Seine Fraktion habe erwartet, dass die Verwaltung Alternativvorschläge vorbereitet. So sei beispielsweise auch ein Betriebskindergarten denkbar.
Alternativen nicht erarbeitet
Beim Kindergarten Oberreute läge der Kostendeckungsgrad bei 40 Prozent, bei den anderen städtischen Kitas lediglich bei 15 Prozent, so Brantner. Auch ein gemeinsamer Kindergartenbau mit einer Nachbargemeinde wäre möglich. Weil dazu nichts gekommen sei, sei seine Fraktion „zutiefst enttäuscht von der Verwaltung“, ärgerte sich Brantner. Nun können wir fast nicht anders als zustimmen. Er forderte, dass man zumindest der Vertrag mit der Kirchengemeinde so abändert, dass die Stadt mehr Mitspracherechte, etwa bei den Öffnungszeiten erhält.
Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr fand, es sei in Ordnung, wenn man bei dem Punkt einen Sperrvermerk vorsehe, bis ein Vertragsentwurf vorliege. „Zum Heiraten gehören immer zwei. Beim Ja-Wort sollte man den Ehevertrag kennen.“
Den Vorwurf, die Verwaltung habe keine Alternativen aufgezeigt, wollte sie dagegen nicht stehen lassen: „Wir waren bisher als Verwaltung nicht beauftragt, Alternativen zu prüfen.“ Der Ortschaftsrat wollte das gute Verhältnis zur katholischen Kirchengemeinde erhalten, aber der Paradigmenwechsel sei „ schon ein sehr saurer Apfel“. Allerdings wolle sie auch einen langjährigen Partner „nicht vergrätzen“.
Mit einem klaren Auftrag werde die Verwaltung Alternativen suchen. Zu den Öffnungszeiten versicherte Eisenlohr, die Kirchengemeinde habe zugesagt, längere Öffnungszeiten anzubieten. „Sie werden bei bis zu zehn Stunden am Tag mitgehen.“ In Waldmössingen habe es dafür aber bisher „nicht die große Nachfrage“ gegeben.
Mehr Mitsprache für die Stadt
Brantner erwiderte, seine Fraktion wolle vertraglich geregelt haben, dass die Stadt bei den Öffnungszeiten ein Mitspracherecht habe,. Wenn die Eltern die längeren Öffnungszeiten nicht benötigten, sei das ok. Auch seine Fraktion wolle niemanden vergrätzen. Um Alternativen zu prüfen, brauche die Verwaltung keinen Auftrag. Als es um den neuen Jugendraum im ehemaligen Notariat ging, habe die Stadt auch gehandelt, ohne dass der Rat dazu einen Auftrag erteilt hätte.
Eisenlohr gab zu den vorgeschlagenen Ideen zu bedenken, dass ein Betriebskindergarten drei bis vier Millionen Euro kosten würde, Auch würde er erst wesentlich später fertig als die Erweiterung. Auch wolle sie es sich „nicht mit der Kirche verscherzen, da sie aus der Kirche ausgetreten“ sei. Der Gemeinderat müsse entscheiden, so Eisenlohr. Mit dem Start Ende 2022 sei aber nicht zu rechnen, wenn man neu plane. Weil während der Bauarbeiten Modulbauten aufgestellt würden, sei ein halbes Jahr Verzögerung aber nicht so schlimm.
CDU-Stadtrat Jürgen Winter sah es grundsätzlich: Die Stadt sei „ein äußerst großzügiger Partner“ für die Kirchengemeinden. Sie zahle 80 Prozent der Investitionen und 90 Prozent der laufenden Kosten. „Und die Kirche schreibt vorne ihren Namen auf’s Schild.“ Wenn die katholische Kirche nun ihren 20-Prozent-Anteil nicht mehr zahlen wolle, dann kündige sie den langjährigen Vertrag auf. „Deshalb muss neu verhandelt werden.“ Auch bei organisatorischen Punkten wolle die Stadt dann mehr Mitspracherechte.
„Wir müssen zustimmen“
Für den Sprecher der Freien Liste Udo Neudeck ist klar, dass der Rat „nicht mit dem Partner brechen“ wolle. Es gehe um eine prinzipielle Entscheidung. Die Verwaltung hätte den Rat früher informieren sollen. Auch er findet, man hätte Alternativen prüfen sollen. „In der jetzigen Situation können wir ja gar nicht mehr anders als zustimmen.“
Tanja Witkowski (SPD/Buntspecht) fand vieles sei unglücklich gelaufen. Mehrere Dinge würden vermischt. Sie würdigte „das große Engagement der Kirchengemeinde“. Nun könne die Stadt nicht mehr anders. „In der Zukunft sollten wir aber die Idee von Betriebskindergärten weiter verfolgen.“
Auch Clemens Maurer (CDU) lobte die Kirchengemeinden als „tolle Träger“. Er habe lange über den Paradigmenwechsel nachgedacht. Er habe „keine stichhaltige Begründung“ gefunden, weshalb der Partner aus der 80-zu-20-Vereinbarung aussteige. Der bisherige Vertag sei nicht gekündigt, so Maurer. Zumindest bei den Kosten für die Sanierung in Höhe von für die 1,4 Millionen Euro müsse das weiter gelten, denn da gehe es um das Eigentum der Kirchengemeinde. Er sei enttäuscht, dass die Kirche die langjährige Solidargemeinschaft aufkündige, und verlangte weitere Verhandlungen mit der Diözese.
Eisenlohr meinte, es sei „lange unsre Absicht gewesen, dass die Kirche 20 Prozent trägt. Bei der ursprünglichen Summe von 500.000 Euro habe die Kirche ja auch 100.000 Euro zugesagt.
Auf Nachfrage von Emil Rode (Freie Liste) wann denn mit einem Baubeginn zu rechnen sei, erwiderte Abteilungsleiterin Kerstin Flaig, die Kirchengemeinde brauche „ein klares Signal, können wir starten oder nicht“.
Nachverhandeln mit Diözese
Jürgen Winter forderte, erneut sich zusammen zu setzen. „Wenn wir es einfach schlucken, hinterlässt das einen Schaden in der Partnerschaft.“ Tanja Witkowski sah wenig Sinn, weiter mit der Diözese reden zu wollen, da sei die Diskussion geführt. Barbara Kunst (CDU) möchte nochmals alle Beteiligten an einen Tisch bekommen. Insbesondere die Verantwortlichen der Diözese, diese sei auch für die Kitas St. Maria oder Heilig Geist in der Talstadt zuständig. OB Eisenlohr sicherte schließlich zu, sie werde versuchen, die Kirchengemeinde und einen Vertreter der Diözese in eine Ausschusssitzung einzuladen.
Bei lediglich einer Gegenstimme votierte der Gemeinderat dafür die Ausgaben für den Kindergarten Waldmössingen mit einem Sperrvermerk zu versehen. Das heißt, die Mittel werden erst frei gegeben, wenn der Rat mit den Vertragsbedingungen einverstanden ist.