Vor der zweiten Zivilkammer des Landgerichts Rottweil begann am Montag die juristische Aufarbeitung des verheerenden Erdrutschs vom 14. Januar 2019 in Schramberg. Damals war nach tagelangem Dauerregen eine enorme Masse an Schutt und Geröll aber auch hunderte Bäume eine steile Rinne beim Thomas-Philipps-Markt heruntergerutscht. Die Massen hatten den Parkplatz meterhoch bedeckt. Auch in den Markt waren Schlamm und Geröll in großen Mengen eingedrungen.
Schramberg. Nun soll das Landgericht klären, wer für den Schaden aufkommen muss. Die Versicherung des Marktes hatte 1,1 Millionen Euro für die Schadensregulierung bezahlt. Sie möchte das Geld aber von der Eigentümerin des Grundstücks zurück erhalten. Die Geröllmassen waren damals von deren Grundstück zu Tal gerutscht.
Bei der Verhandlung in Rottweil hat der Vorsitzende Richter Torsten Hub den Parteien vorgeschlagen, noch einmal über einen Vergleich nachzudenken.
Grundstückseigentümer verantwortlich
Die Versicherung begründet ihre Klage damit, dass es nicht auf das Verschulden ankomme, sondern darauf, dass ein Grundstückseigentümer einen angemessenen Ausgleich verlangen könne, wenn vom Grundstück des Nachbarn eine „Einwirkung“ ausgeht, die die Benutzung seines Grundstücks „über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt“. So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch.
Umstritten ist, wann die Erddeponie angelegt wurde, auf der später ein Parkplatz für die damalige Gaststätte Schilteckhof entstand. Die klagende Versicherung sagt, das sei ab etwa 1967 geschehen und dann einige Jahre als „wilde Deponie“ betrieben worden.
Die Beklagte erklärt, schon seit der Hochwasserkatastrophe 1959 sei dort Bauschutt aufgefüllt worden – und zwar mit Billigung der Stadt.
Verhandlung mi Landgericht mit drei Berufsrichtern
Pünktlich um 10.30 Uhr eröffnet Richter Hub die Verhandlung. Wegen der Bedeutung und der Höhe der Summe werde das Verfahren nicht von einem Einzelrichter, sondern der Kammer mit drei Richtern verhandelt, erläuterte er.
Klägerin ist die Sparkassenversicherung, bei der der Markt versichert war. Beklagte die Grundstückseigentümerin – und damit deren Haftpflichtversicherung. Der Klage beigetreten sind die Stadt Schramberg, hinter der wiederum der Gebäudeversicherungsverband steht, sowie das Landratsamt Rottweil.
Zunächst nannte Richter Hub die Summen, die die Versicherung bezahlt hatte: 800.000 Euro für die Beseitigung der Geröllmassen. Etwa 250.000 Euro für die Gebäudeschäden und weitere 50.000 Euro für Schadensminderung.
Die Kläger hätten ihre Erkenntnisse, dass die Deponie nach 1969 und dann sieben Jahre betrieben worden sei, aus einem Gutachten.
Das Grundstück habe dem Vater der Beklagten gehört, der zunächst dort eine Landwirtschaft betrieben, dann 1962 zusätzlich eine Vesperstube eingerichtet hatte. 1977 habe er diese an seine Tochter übergeben. Diese habe dann die Fläche mit dem Schutt asphaltieren lassen.
Beklagte erinnert sich an Transporte in der Kindheit
Dann ließ er die Beklagte erzählen, was sie über die Auffüllungen wisse. Sie berichtete, sie sei damals noch ein kleines Kind gewesen, erinnere sich aber, dass nach der Schramberger Hochwasserkatastrophe 1959 Fuhrunternehmer Schlamm und Dreck hergefahren hatten. Damals sei ein Baurat Fischer und Bauamtsleiter Kugler auf ihren Vater zugekommen, ob man das Loch füllen könne.
Ihr Vater sei froh gewesen, und die Stadt auch. Auch später sei immer wieder Material dort abgeladen worden, erinnerte sie sich. Es sei schon „alles richtig gemacht worden mit Drainage“. Auch später beim Asphaltieren sei ein Bauunternehmen tätig gewesen.
Ob es dafür noch eine Baugenehmigung gibt, konnte sie nicht beantworten. Dass der Parkplatz standhält, sei für sie kein Thema gewesen. „Da standen ja Busse drauf.“
Vergleichsvorschlag lag auf dem Tisch
Ihr Anwalt erinnerte daran, dass es vor gut einem Jahr bereits einen Vergleichsversuch gegeben habe, der schließlich an der Versicherung der Stadt gescheitert war.
Demnach hätte jede Versicherung ein Drittel des Schadens zahlen sollen. Dabei stellte sich heraus, dass die Beklagte durch eine Haftpflichtversicherung abgesichert ist.
Der Anwalt der Stadt Schramberg berichtete, weder in den Archiven noch in den Unterlagen habe man zu den damaligen Vorgängen etwas gefunden. Auch eine Baugenehmigung für den Parkplatz – Fehlanzeige. Das bestätigte auch Fachbereichsleiter Matthias Rehfuß ausdrücklich.
„Wir wissen wenig bis nichts“
Der Vorsitzende Richter zog ein Zwischenfazit: „Wir wissen wenig bis nichts.“ Weder wann genau das Material ankam, woher es stammt, ob die Drainage noch funktioniert hat. Richter Hub unterbrach für einige Minuten zur Beratung.
Ausführlich erörterte der Vorsitzende Richter anschließend, wie das mit dem Störungsfall und dem Grundstück juristisch zu bewerten wäre. Es gebe „wenig Fälle“, in denen höhere Instanzen sich mit dieser Frage befasst hätten. „Allein Eigentümerin des Grundstücks zu sein, reicht nicht aus, um Sie zu belangen“, so seine Überzeugung. „Da muss noch was dazu kommen.“
Etwa, dass die Gefahr bekannt war und sie selbst davon gewusst hätte. Weder für die verstopfte Drainage und noch weniger für das schlechte Wetter sei sie verantwortlich.
Die Kammer sehe das „deutlich höher Risiko auf Seiten der Kläger“, so Hub. Er schlug vor, nochmals über einen Vergleich zu verhandeln. „Es müsste aber sichergestellt sein, dass es für die Klägerin anschließend ein Ende findet.“
Erneute Vergleichsverhandlungen
Die Vertreterin der Sparkassenversicherung machte deutlich, man sei weiterhin an einem Vergleich interessiert. Vor einem Jahr sei dies an der Versicherung der Stadt gescheitert.
Der Anwalt der Beklagten sah das grundsätzliche Problem bei einem Vergleich noch nicht gelöst. Er erinnerte an die 50er Jahre. Damals seien die Schramberger Bauern „arme Leute“ gewesen. Die Vesperstube habe der Vater aufgemacht, um zusätzlich etwas zu verdienen.
Das zugeschüttete Loch sei nutzlos gewesen. „Nicht mal eine Kuh konnte da fressen, die fliegt s Loch nab!“ Deshalb seien damals alle froh gewesen, als man das Loch mit Material aus dem Hochwasser gefüllt habe. Es sei in erster Linie eine zähflüssige Masse gewesen, die auf dem Parkplatz angekommen war.
Er erinnerte an ein weiteres Verfahren beim Verwaltungsgericht. Da gehe es um die Kosten für die Polizei- und Feuerwehreinsätze. Ein weiteres Thema sei die Amtshaftung, so die Vertreterin der Sparkassenversicherung. Sie sei aber grundsätzlich vergleichsbereit.
Hohe Kosten
Das Verfahren ist wegen des Streitwertes sehr teuer, erläuterte ein Anwalt. Deshalb seien alle Beteiligten eigentlich am Vergleich interessiert, auch wenn sie im Verfahren vielleicht sogar den Prozess gewinnen könnten. So war schließlich auf allen Seiten die Bereitschaft groß, noch einmal zu verhandeln.
Richter Hub hatte eine Lösung ins Gespräch gebracht. Danach würde die Sparkassenversicherung die Hälfte übernehmen, die Versicherung der Beklagten ein Drittel und die Versicherung der Stadt ein Sechstel, also etwa 187.000 Euro.
Vier Wochen Zeit
Zu weiteren offenen Fragen wie den Gerichtkosten meinte Hub: „Wenn Sie das abgeräumt bekommen, schaffen wir auch den Rest.“ Nach Absprache der Beteiligten einigte man sich auf vier Wochen Frist. Bis zum 13. Mai sollen die Parteien dem Landgericht mitteilen, ob der Vergleich zustande kam.
Ansonsten werde die Kammer im schriftlichen Verfahren weiter verhandeln und die Kammer bis Mitte Juli ein Urteil verkünden.
Mit der heutigen Verhandlung sei man hoffentlich der „Lösung ein bisschen nähergekommen“, so Richter Hub, der sich schließlich nach einer guten Stunde für „die angenehme Verhandlung“ bedankte.