„Eine Million – für was?“

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Schramberg –  Gemächlich plätscherte die Diskussion über die „Revitalisierung des Lauterbachs“ im Gewerbepark Junghans dahin. Erst berichtete Fachbereichsleiterin Petra Schmidtmann, was an der Geißhalde von wem wie bezuschusst werden könnte. Dann stellte Landschaftsplaner Thomas Kusche seinen schönen Plan vor. CDU-Sprecher Thomas Brantner dankte, dass die Verwaltung das Projekt nun „nach vorne getrieben“ habe.

Sieht auf dem Papier sehr gut aus. Grafik: Stadt

Man redete über ein „Brückle“, das der Vorsitzende des Szene 64 Vereins sich wünsche. Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr versicherte, durch die Revitalisierung gingen keine Gewerbeflächen verloren. Schmidtmann bestätigte, der Eigentümer des Gewerbeparkes begrüße die Pläne. Alles paletti?

So könnte das Gelände nach den Vorstellungen des Landaschaftsplaners eines Tages aussehen. Graifk: Stadt

Neudecks Donnerwetter

Doch dann aus heiterem Himmel gab‘s ein Donnerwetter. Freie-Liste-Sprecher Udo Neudeck begann mit dem geforderten Brückle: “Wie abgehoben ist das denn?“ Drei Brücken auf einer Länge von 150 Metern. Das sei indiskutabel. Soweit war sich Neudeck mit der Verwaltung einig.

Doch sein Hauptkritikpunkt betraf das gesamte Vorhaben. Die Renaturierung  an sich sei ja ok. Aber weshalb man für eine Million Euro noch die Gestaltung der Flächen und eine Attraktivitätssteigerung bezahlen sollte, das wollte Neudeck nicht in den Kopf.

Wenn es um die bessere Vermarktung des Gebietes gehen sollte? „Dann machen wir es an der H.A.U.  Dort gehört uns das Gelände.“ Oder man sollte das Geld an der Schiltach in der Stadt einsetzen, fand Neudeck. “Dann haben die Schramberger auch was davon.“

Die Kostenschätzung

Wer soll was bezahlen?

Mit dem Hinweis auf den Eigentümer hatte Neudeck ein Fass aufgemacht. Die Sache ist nämlich so: Vor etlichen Jahren verkaufte der Diehl-Konzern das Gelände an der Geisshalde und die dazu gehörigen Wasserkraftanlagen an einen Immobilienkaufmann aus München. Dieser hat in den folgenden Jahren  einzelne Gebäude oben an die Familie Steim und deren Uhrenfabrik Junghans verkauft. Andere Gebäude ließ er abbrechen und vermietet den Rest an Firmen.

Der Stadt gehört lediglich der durch das Gelände fließende Lauterbach, wie Schmidtmann bestätigte. Der Revitalisierungsplan von Thomas Kusche sieht nun vor, die in Fließrichtung linksseitige Bachmauer abzubrechen, das Gelände Richtung  Kulturbesen abzuflachen und dort einige Sitzstufen anzulegen. Der Abbruch der Mauer  und das Öffnen und teilweise neu gestalten des Uferbereiches gelten als „Ökologische Aufwertung“ und würden mit bis zu 85 Prozent gefördert. Die Kosten für diesen Teil schätzt Planer Kusche auf etwa eine Million Euro.

Der zweite Teil des Planes, nämlich die Schaffung von Aufenthaltsqualität, betrifft neben einigen Sitzstufen im wesentlichen die Sanierung der anderen Bachmauer, der in Fließrichtung rechten Mauer. Diese, so Kusche, sei teilweise einen Meter tief unterspült und akut einsturzgefährdet.

Kusche schlug vor, die Bruchsteine von der Abbruchmauer für die Sanierung der anderen Bachmauer zu verwenden. Die Kosten für die Bachmauersanierug bezifferte er auf etwa 430.000 Euro. Mit all den anderen Maßnahmen und Baunebenkosten käme man für den reinen städtischen Anteil auf etwa 800.000 Euro.

Unklarheit über Besitzverhältnisse? Nur in der Verwaltung

Damit ergab sich die Frage: Wem gehört die Mauer? Die Verwaltung musste passen. Doch Neudeck kennt einen Grundbesitzer an der Schiltach und ist überzeugt: „Die Mauer gehört dem Grundbesitzer. Und der ist unterhaltspflichtig.“

Damit war eigentlich klar: Die Stadt übernimmt den zuschussfähigen Teil der Maßnahme. „Wenn der Eigentümer da nicht mitmacht, machen wir gar nichts“, so Neudeck. Jürgen Kaupp (CDU) wandte ein, man habe 20 Jahre die Renaturierung des Lauterbachs gefordert. „Und jetzt machen wir es nicht, weil es was kostet?“

Tanja Witkowsi (SPD-Buntspecht-Sprecherin) entgegnete, vor 20 Jahren habe auch noch niemand an ein Schulcampusprojekt gedacht. „Für uns sind Hochwasserschutz und Renaturierung zentral.“ Für Begehbarkeit am Flußufer zu sorgen, sei in der Stadt wichtiger.

Brantner sah es ähnlich, es sei nicht Aufgabe der Stadt, die Mauer zu sanieren und das Gebiet für den Eigentümer herzurichten. Sein Fraktionskollege Dominik Dieterle warb für das Gesamtvorhaben. Es sei wichtig. das Gebiet attraktiver für die Zukunft zu machen.

Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr und Landschaftsrplaner Thomas Kusche im Gemeinderat. Foto: him

Wem nützt die Revitalisierung?

Ralf Rückert (Freie Liste) sah die Möglichkeit, beim Bau 64 ein Café oder einen Biergarten anzulegen.

Thomas Koch (ÖDP) fragte, welchen Nutzen die Mauersanierung für die Stadt habe. Er bezweifelte, dass Erholungssuchende später an die Geisshalde kämen. Auf einer so kurzen Strecke seien weder der ökologische Nutzen noch der Hochwasserschutz „so doll“.

Reinhardt Günter (SPD-Buntspecht) plädierte ebenfalls für die zuschussfähige Renaturierung. Den Bau des „Brückles“ hielt er für „utopisch“, weil wegen des Höheunterschieds technisch kaum zu realisieren.

Jürgen Winter (CDU) fand, es gehe nicht nur um den ökonomischen, sondern auch um den ökologischen Aspekt und eine Aufwertung des Gebietes.

Jürgen Reuter („Aktive Bürger“) meinte, es sei Konsens, den zuschussfähigen Teil umzusetzen. Ansonsten meinte er mit Blick auf das Ende des Sanierungsgebietes Talstadt- West Ende April 2023 laufe der Stadt die Zeit davon.

Das, so Kusche, sei nicht der Fall. Der Zuschuss komme nicht im Rahmen des auslaufenden Sanierungsgebiets sondern aus einem anderen Topf.

Die Stadt soll erneut prüfen

Schließlich machte OB Eisenlohr einen Beschlussvorschlag. Danach soll die Stadt die Eigentumsverhältnisse an der Bachmauer klären. Dann sollen die Fördermöglichkeiten geprüft und dargestellt werden, welche Kosten zu 85 Prozent förderfähig wären.

Bei zwei Nein-Stimmen nahm der Rat diesen Vorschlag an. Wegen des neuen elektronischen Abstimmungsverfahrens ist für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar, wer mit Nein gestimmt hat.

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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