Schramberg. Noch eine Beratungsrunde drehen will der Gemeinderat beim Thema „Ein-Euro-Ticket“. Hoffentlich nicht so lange wie beim ersten Waldkindergarten seligen Angedenkens, als die Bedenkenträgerei auch so lange dauerte, bis „der Markt verloffen“, und das Projekt gescheitert war.
Offene Fragen geklärt
Nach der Vorberatung im Ausschuss für Umwelt und Technik hatte Fachbereichsleiterin Susanne Gwosch einige offene Fragen nun im Gemeinderat zu beantworten. Die Jugend- und Schülertickets seien in Tuttlingen durch die „Ein-Euro-Tickets“ „weniger betroffen“, habe sie erfahren. Der Grund: Die Monatsklarten sind landesweit gültig und damit attraktiver.
Bei Erwachsenen könnte es Veränderungen geben. Eine Sorge sei, wenn vermehrt Einzeltickets gekauft würden, könnte es zu Verspätungen kommen, weil die Fahrer die Karten ausgeben müssten. „Davon hat man aber noch nichts gemerkt.“
Das Deutschlandticket habe insgesamt zu mehr Kunden geführt. Der Unterschied in der Betriebsart erklärt, weshalb in Tuttlingen das Defizit bei sehr viel mehr Fahrgästen tendenziell sinkt, in Schramberg hingegen steigt. Im Kreis Rottweil gilt das Prinzip der Eigenwirtschaftlichkeit. Im Kreis Tuttlingen sind die Kommunen an den Buseinnahmen beteiligt. Schließlich teilte Gwosch mit, der Verkehrsverbund Move sei auch bereit, den Test nur zwei statt drei Jahre verbindlich laufen zu lassen.
Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr wollten den Beschlussvorschlag entsprechend auf zwei Jahre anpassen. „Wir müssten uns dann nach anderthalb Jahren entscheiden.“
Auf Nachfrage von Thomas Brantner erläuterte Gwosch, die zusätzlichen Kosten für die Fahrten über Hardt und Dunningen-Seedorf betrügen etwa 4800 und 3100 Euro. Sie habe die Bürgermeister aber noch nicht erreicht um nachzufragen, ob diese sich beteiligen würden.
Neudeck: Traum vom Stadtverkehr
Wie schon im Ausschuss schlugen bei Freie Liste-Sprecher Udo Neudeck zwei Herzen in seiner Brust. Er fürchte, man verzettle sich mit den vielen unterschiedlichen Angeboten. „Warum müssen wir immer noch was eigenes basteln?“ Für ihn persönlich sei nicht der Preis, sondern das Angebot ausschlaggebend, ob er den Bus nutze oder nicht. Erfand, die Stadt solle das Geld sparen und lieber schauen, „wie wir einen besseren Nahverkehr hinbekommen“.
Er träume von einem Stadtverkehr, der von Waldmössingen bis Tennenbronn reiche, und das im Stundentakt. „Das würde allen helfen.“ OB Eisenlohr plädierte, erst einmal dafür zu sorgen, dass mehr Leuten den Bus nutzen. Das „Ein-Euro-Ticket“ sei eben auch für Nutzergruppen, für die der Preis eben wichtig sei.
Gwosch erinnerte daran, dass für die günstigeren Tickets im Stadtverkehr schon jetzt 23.000 Euro gezahlt würden. „Für den Stundentakt werden die 100.000 bei weitem nicht reichen.“
Günter: Ausprobieren
Reinhard Günter SPD-Buntspecht warb für das „Ein-Euro-Ticket“. Bessere Takte habe es schon gegeben, aber das sei auf der Stecke Tennenbronn – Schramberg nicht angenommen worden. Nun gebe es am Wochenende nur noch Anrufbusse. „Das Ein-Euro Ticket haben wir noch nie probiert.“ Es sei ein Signal und ein Schub für den Verkehrsverbund.
Witkowski: In Tuttlingen drei mal mehr Fahrkarten verkauft
Tanja Witkowski pflichtete ihrem Fraktionskollegen bei. Schramberg könnte eine Vorreiterrolle einnehmen. In Tuttlingen seien die Einzelticketverkäufe von monatlich 8000 bis 9000 im Jahr 2019 auf 22.500 bis 25.000 in diesem Jahr gestiegen. Sie plädierte dafür, beides zu machen und fände einen Folgeantrag für einen Stadtverkehr super. Aber jetzt sollte man für zwei Jahre mit dem Ein-Euro-Ticket anfangen.
Auch für Bärbel Pröbstle (SPD-Buntspecht) spricht das „Ein-Euro-Ticket“ alle an, die nur bei Gelegenheit den Bus brauchen.
Winter: Nicht vergleichbar
Jürgen Winter (CDU) erinnerte an das gemeinsame Ziel, den Klimaschutz zu verbessen und den Autoverkehr in die Stadt zu reduzieren. Hinzu komme der soziale Aspekt. Winter warnte aber vor Schnellschussmaßnahmen, dafür sei das Thema zu wichtig. Tuttlingen und Rottweil seien „nicht eins zu eins vergleichbar“.
Sein Fraktionskollege Dominik Dieterle sah es genauso. Der Vorschlag sei „begrüßenswert“. Die Antworten des Verkehrsverbunds hätten aber weitere Fragen bei ihm aufgeworfen. „Schramberg allein wird den ÖPNV nicht retten.“ Er plädierte, man solle lieber mit dem Kreis über eine Angebotsverbesserung reden. Thomas Brantner regte an, über kleinere Busse nachzudenken. „Das ist vielleicht günstiger.“
Udo Neudeck meinte, wenn man die Entscheidung vertage, sei das keine Ablehnung des Antrags. Das Thema sei zu wichtig, „um ein Politikum draus zu machen“. OB Eisenlohr erinnerte daran, dass der Move-Verband im September tage. Bis dahin müsse man entscheiden, wenn das Ticket zum 1. Januar eingeführt werden soll.
Reuter: Irgendwo reingrätschen
Jürgen Reuter („Aktive Bürger“) meinte, man müsse „irgendwo reingrätschen“. Das „Ein-Euro-Ticket“ sei vielleicht die günstigste Möglichkeit. Auch Reuter schwärmte von einer Direktverbindung von Waldmössingen nach Tennenbronn. Wenn weniger Leute mit dem Auto führen, spare man ja bei den Parkplätzen.
Reinhard Günter mahnte, nicht zu versuchen, beide Pläne parallel umsetzen zu wollen. „Ich fürchte, dann gibt es am Ende gar nichts.“
Kiolbassa: Klimaschutz hat keine Zeit
Lara Kiolbassa (SPD-Buntspecht) forderte, man solle „ins Tun kommen“ und nicht „alles zerdenken“. Das „Ein-Euro Ticket“ helfe den Geringverdienenden und könne zeitnah umgesetzt werden. Und: „Klimaschutz hat keine Zeit mehr.“ Sollte sich in zwei Jahren herausstellen, dass es nichts gebracht hat, „versuchen wir es anders“.
Rückert: Gesamtpaket schnüren
Etwas anders sah es Ralf Rückert (Freie Liste). Er plädierte dafür, über den Sommer ein Gesamtpaket zu schnüren und dann eine ausgeklügelte Lösung zu beschließen. Das sei kaum zu schaffen, entgegnete Gwosch. Sie wies aber darauf hin, dass das „Ein-Euro-Ticket“ auch unter dem Jahr starten könnte. OB Eisenlohr wurde ungeduldig und fand: „Wir müssen das zum Loch naus bringen“.
Patrick Fleig (CDU) lobte das „49-Euro-Ticket“. Die meisten wollten sich doch „in alle Richtungen bewegen“. Er riet abzuwarten, größer zu denken und die Taktzeiten zu verbessern.
Das 49-Euro Ticket spreche eine ganz andere Zielgruppe an, erwiderte Tanja Witkowski. Es sei eine Illusion, zu glauben, man könne schnell das Angebot verbessern. Das habe „unglaublich lange Vorlaufzeiten“, wisse sie aus ihrer Erfahrung als Schulleiterin. Gwosch bestätigte, dass da sehr komplizierte Abstimmungen erforderliche seien. Wenn man engere Takte wolle, heiße es von den Konzessionären: „Wenn ihr das finanziert, könnt Ihr das tun.“
Es ging nichts „zum Loch naus“: Mit 14 Ja, sechs nein und zwei Enthaltungen nahm der Rat den Vertagungsantrag an.
„Radfahren tut gut“
Bei aller Ernsthaftigkeit der Diskussion gab es auch einen Moment großer Heiterkeit: Udo Neudeck, der gewichtige Fraktionschef der Freien Liste, hatte Lara Kiolbassas Klimaschutzargument aufgegriffen und erklärt: „Wenn einer statt mit dem Bus mit dem Fahrrad fährt, dann tut er auch der Umwelt gut.“
Kiolbassa schlagfertig: „Dann tut er sogar seiner Figur gut!“ Riesenjubel im Ratssaal und Beifall für Kiolbassa. Mit am lautesten lachte übrigens Udo Neudeck.