Der leidige Streit um die Schramberger Burgenbeleuchtung geht in eine weitere Runde. Die CDU-Fraktion hat eine „Anfrage“ an die Stadtverwaltung gerichtet und fragt unter anderem, weshalb diese den Ratsbeschluss vom 27. April nicht umsetze.
Schramberg. Die CDU vertrete nach wie vor die Auffassung, dass der gefasste Beschluss mit dem aktuellen Naturschutzgesetz (NatSchG) vereinbar ist. Sie wolle wissen, aus welchen Gründen die Stadt als untere Naturschutzbehörde Paragraf 21 NatSchG auf Bestandsanlagen anwende? „In der Begründung zum NatSchG ist ausdrücklich erwähnt, dass der ‚Zweck der Regelung ist, neue Beleuchtungsanlagen im Außenbereich auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken‘.“
CDU: Gemeinderatsbeschluss umsetzen
Zur Begründung schreibt die CDU: „Seit nun mehr als eineinhalb Jahren diskutiert die Schramberger Bürgerschaft über den Antrag der SPD/Buntspecht-Fraktion aus dem November 2021. Nach sorgfältiger Abwägung der drei Nachhaltigkeitssäulen Ökonomie, Ökologie und sozialem Miteinander, hat der Gemeinderat der Großen Kreisstadt Schramberg am 27. April 2023 mehrheitlich den Beschluss gefasst, die Beleuchtung abends bis 24 Uhr und morgens ab 6 Uhr einzuschalten.“
Der Beschluss vom 27. April lautete: „Die Verwaltung wird beauftragt, eine Sondergenehmigung bei der Unteren Naturschutzbehörde zu beantragen. Die Sondergenehmigung betrifft den temporären Weiterbetrieb der bestehenden Burgenbeleuchtung von Einbruch der Dunkelheit bis 24 Uhr und von 6 Uhr bis zur Morgendämmerung. Für die Neukonzeption der Beleuchtung soll kein Geld ausgegeben werden. Lediglich defekte Leuchtmittel etc. sollen ausgetauscht werden. Dieser Beschluss gilt vorbehaltlich der Zustimmung der Unteren Naturschutzbehörde.“
Dieser Beschluss sei „ein Bekenntnis zu einer identitätsstiftenden Beleuchtung städtischer Gebäude und Denkmäler“ und das gelte es nun umzusetzen, erklären für die CDU-Fraktion Thomas Brantner und für den CDU-Stadtverband Dominik Dieterle.
Was steht im Gesetz?
Das neue Naturschutzgesetz bestimmt im Paragrafen 21 Absatz 1.: „Eingriffe in die Insektenfauna durch künstliche Beleuchtung im Außenbereich sind zu vermeiden. Beim Aufstellen von Beleuchtungsanlagen im Außenbereich müssen die Auswirkungen auf die Insektenfauna, insbesondere deren Beeinträchtigung und Schädigung, überprüft und die Ziele des Artenschutzes berücksichtigt werden. Beleuchtungen, die sich in Naturschutzgebieten, Nationalparken, Naturdenkmalen, geschützten Landschaftsbestandteilen und gesetzlich geschützten Biotopen befinden oder in diese hineinstrahlen, sind, soweit sie nicht aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich sind, nur in Ausnahmefällen von der zuständigen Naturschutzbehörde oder mit deren Einvernehmen zu genehmigen.“
Im Absatz 2 heißt es: „Es ist im Zeitraum 1. vom 1. April bis zum 30. September ganztägig und 2. vom 1. Oktober bis zum 31. März in den Stunden von 22 Uhr bis 6 Uhr verboten, die Fassaden baulicher Anlagen zu beleuchten, soweit dies nicht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder der Betriebssicherheit erforderlich oder durch oder auf Grund einer Rechtsvorschrift vorgeschrieben ist.“
Was sagen die Juristen?
Um Klarheit in die komplizierte Causa zu bekommen, hat die NRWZ zwei erfahrene Juristen und Kommunalpolitiker und das Regierungspräsidium Freiburg gebeten, den Fall zu analysieren.
Die Juristen erklären übereinstimmend, entscheidend sei, was im Gesetz steht. Nur wenn es da Unklarheiten gebe, könne man die Begründung des Gesetzes heranziehen.
Welche Anlagen sind gemeint?
In der Frage, ob es nur um neue Anlagen geht, wie die CDU argumentiert, sagt einer der Juristen: Stimmt. „Paragraf 21 Abs. 1 NatSchG BW betrifft nur neue Anlagen. Das ergibt sich schon aus Satz 2. ‚Beim Aufstellen‘ kann sich nur auf die Zukunft nach Inkrafttreten des Gesetzes beziehen, da die alten Anlagen ja schon ‚aufgestellt‘ sind.“
Das bestätige auch die Begründung des Gesetzes, denn auch dort heiße es: „Zweck der Regelung ist, neue Beleuchtungsanlagen im Außenbereich auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken.“
Anders sei dies beim Absatz 2: Der betreffe „auch bestehende Anlagen. Der Gesetzgeber hat hier keine Einschränkung beschlossen.“ Dies werde auch durch die Gesetzesbegründung auf Seite 23 bestätigt, wo es um den Erfüllungsaufwand geht. „Dort werden ausdrücklich auch die Umstellungskosten für ältere Anlagen angesprochen.“
Was bedeutet das für die Burgenbeleuchtung?
Die Konsequenz für den von der NRWZ befragten Verwaltungsjuristen: Die Burgenbeleuchtung darf im Sommerhalbjahr gar nicht und im Winterhalbjahr nur bis 22 Uhr und ab 6 Uhr eingeschaltet werden. „Es sei denn, die untere Naturschutzbehörde kommt bei einer Ermessensentscheidung im Rahmen des Absatz 5 zu einem anderen Ergebnis.“
Dort heißt es: „Die Naturschutzbehörde kann folgende Werbeanlagen, Himmelsstrahler und Einrichtungen mit ähnlicher Wirkung widerruflich zulassen, wenn sie weder das Landschaftsbild noch die Tierwelt beeinträchtigen.“
Es folgt eine Aufzählung von Werbeanlagen und Wegweisern, und schließlich: „In sonstigen Fällen kann die Naturschutzbehörde Ausnahmen von den Absätzen 2 und 4 bewilligen, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist oder wenn sonst ein wichtiger Grund vorliegt.“
Was sagt das Regierungspräsidium?
Das Regierungspräsidium Freiburg (RP) betont wie die befragten Juristen: „Grundsätzlich gilt hinsichtlich der Beleuchtung von baulichen Anlagen das Naturschutzgesetz und nicht die (möglicherweise abweichende) Begründung hierzu.“
Nach Überzeugung der Freiburger Behörde gilt der Paragraf 21 auch für bereits bestehende Anlagen: Die Sätze 1 und 2 des Paragrafen 21 Absatz 1 NatSchG enthielten „ein allgemeines Vermeidungsgebot“. Es werde hier nicht zwischen bestehenden und neuen Beleuchtungen unterschieden.
Kann es eine Ausnahmegenehmigung geben?
Das RP fasst die Grundaussage des Gesetzes so zusammen: „Im Außenbereich soll es so wenig künstliche Beleuchtung wie möglich geben. Und dort, wo sie wirklich notwendig ist, soll sie so insektenfreundlich wie möglich sein.“ Beleuchtungen, die sich unter anderem in Naturschutzgebieten befinden oder in diese hineinstrahlen, seien „grundsätzlich verboten, soweit sie nicht aus Gründen der Verkehrssicherheit zwingend erforderlich sind oder durch die untere Naturschutzbehörde im Einzelfall ausnahmsweise zugelassen wurden“.
Für die Erteilung einer derartigen Ausnahmegenehmigung sei erforderlich, „dass die Zweckbestimmung und die Notwendigkeit der konkreten Beleuchtung derart bedeutsam sind, dass sie den Insektenschutz im Einzelfall überwiegen“.
Wo gilt das Beleuchtungsverbot des Naturschutzgesetzes?
Das Regierungspräsidium weist darauf hin, dass die Beleuchtungsregelung des Paragrafen 21 Absatz 2 NatSchG ohne Unterscheidung zwischen Innen- und Außenbereich für alle Fassaden baulicher Anlagen gelte. „Seit dem 11. Februar 2023 ist die Begrenzung der Regelung auf bauliche Anlagen der öffentlichen Hand weggefallen, so dass sie nun auch für Bauwerke gilt, die sich nicht im Eigentum der öffentlichen Hand befinden.“ Umfasst seien auch historische Bauwerke wie Burgen oder Schlösser und sonstige bauliche Anlagen etwa an Privatpersonen verpachtete Gaststätten.
Warum ist eine Ausnahmegenehmigung derzeit nicht zu bekommen?
Die CDU fordert die Stadt auf, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen. Die Burgenbeleuchtung berühre kulturelle, touristische und wirtschaftliche Belange, dies seien Gründe für eine Ausnahmegenehmigung. Dagegen argumentiert die Stadtverwaltung, das gehe nicht. Weil es bisher ja noch gar keine Genehmigung für die Burgenbeleuchtung gegeben habe, könne man auch keine Ausnahmegenehmigung erteilen.
Der Jurist meint, da die Anlagen wohl noch nie naturschutzrechtlich genehmigt wurden, müsse die Stadt erst die Genehmigungsfähigkeit der Anlagen prüfen. Erst dann könne man schauen, ob gegebenenfalls von Absatz 2 eine Ausnahme gemacht werden kann. “Insoweit liegt die Stadt mit ihrer Rechtsauffassung wohl richtig und nicht die CDU. Der Naturschutz steht im Vordergrund.“
Wie soll es nun weitergehen?
Dazu der erfahrene Verwaltungsjurist: „Meines Erachtens müsste die Stadtverwaltung jetzt, um eine angemessene Entscheidung zwischen dem vorrangigen Naturschutz und beispielsweise Stadtmarketinggesichtspunkten zu treffen, in einen fundierten Abwägungsprozess eintreten.“
Nach den Einlassungen der Landesverwaltung komme es insbesondere auch auf die Eingriffsintensität an. Je höher die „Belastung der Natur“, umso mehr trete der Schutz derselben in den Vordergrund. „Dabei spielt eben die Technik der Beleuchtung eine vorrangige Rolle.“ Doch die soll laut Ratsbeschluss nicht geändert werden.