Betriebskindergarten Waldmössingen: Verwaltungsausschuss ist dafür

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Schramberg – Mit großer Mehrheit empfiehlt der Verwaltungsausschuss dem Gemeinderat, das Projekt Betriebskindergarten (Beki) in Waldmössingen voran zu treiben. Nach ausführlicher Diskussion stimmten acht Ausschussmitglieder dafür, die Vertreterinnen von SPD-Buntspecht enthielten sich der Stimme.

Die Rätinnen und Räte waren sich einig, dass das Projekt für Waldmössingen und Schramberg eine große Chance wäre. Auch mit dem Träger der Stiftung Lernen Fördern Arbeiten waren alle einverstanden. Es gebe aber noch einige offene Fragen zu den Kosten, der Kostenübernahme und den Öffnungszeiten, so die Sprecherin von SPD-Buntspecht Tanja Witkowski. Diese möchte sie bis zur Gemeinderatssitzung am 30. Juni geklärt haben.

Zu Beginn der Vorstellung des Beki- Vorhabens hatte Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr darauf verwiesen, dass der Ortschaftsrat Waldmössingen am Montag mit sieben Ja- und drei Nein-Stimmen für den Betriebskindergarten gestimmt habe.

Lange Vorgeschichte

Fachbereichsleiterin Susanne Gwosch erinnerte daran, dass die Idee für einen Beki im Zusammenhang mit den langen Debatten um die Sanierung des katholischen Kindergartens entstanden war. Der Gemeinderat habe damals auch beschlossen, beide Vorhaben weiter zu verfolgen. Laut Kindergartenbedarfsplan wären zehn Krippen- und zehn Ü-3-Plätze möglich. Der Standort im Industriegebiet Webertal sei grundsätzlich möglich. Das habe ein Lärmgutachten ergeben.

Zu den Kosten räumte Gwosch ein, es sei „sehr schwierig konkrete Berechnungen zu machen, weil es sehr viele Variablen gibt“. So  gehe es um die Öffnungszeiten, die Anzahl der Kinder, die Familiengrößen, die Öffnungszeiten  und die Zuschusshöhe. Fest zugesagt hätten die Betriebe einen jährlichen Zuschuss von 60.000 Euro für fünf Jahre. Gwosch wies auch darauf hin, dass mit dem Ausbau des katholischen Kindergartens der Bedarf in Waldmössingen gedeckt wäre: „Es fehlen uns Plätze in Sulgen und der Talstadt.“

Stiftung als Träger

Der Vorstandsvorsitzender der Stiftung Lernen Fördern Arbeiten (LFA) Tamer Öteles stellte ausführlich die Stiftung vor, deren Leitbild und Geschäftsfelder. Die Stiftung war aus zwei Projekten on Oberndorf und Villingen-Schwenningen entstanden und beschäftigt heute etwa 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie ist Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband. „Wir sind gemeinnützig, nicht gewinnorientiert“, betonte Öteles.

Das Ziel der Stiftung sei, „allen Menschen gleiche Chancen für ein freies und selbstbestimmtes Leben“ zu ermöglichen. Die Stiftung sei kein Spezialist für Kindertagesstätten. Man übernehme eine Trägerschaft, wenn es sich so ergebe.

Tamer Öteles in der VA-Sitzung. Foto: him

Baupreise steigen – die Miete auch?

Das Grundstück im Webertal  sei wegen seiner Nähe auch zur Lebenshilfe ideal. So bestehe die Möglichkeit, auch Arbeitsplätze für Mitarbeiter der Lebenshilfe zu schaffen. Das Gebäude werde die Stiftung bauen und dann an die Stadt vermieten. Ob angesichts der steigenden Baupreise der Mietpreis von 120.000 Euro gehalten werden könne, sei fraglich. Er riet deshalb zu einer baldigen Entscheidung, bevor die Preise noch weiter steigen. Schon 2023 könnte der Beki an den Start gehen

Montessori-Pädagogik

Zum pädagogischen Konzept berichtete die Bereichsleiterin Kinder- und Jugendhilfe Marie-Kristin Breddin von vier Eckpfeilern: Maria Montessori und deren Vorstellung, dass die Persönlichkeit des Kindes im Mittelpunkt steht.

Zum zweiten  der „lebensbezogene Ansatz“ des Freiburger Pädagogen Norbert Huppertz. Drittens für den Bereich Krippe die Ideen von Emmi Pikler zur Pflege, Versorgung und Kommunikation bei Kleinkindern.

Marie-Kristin Breddin. Foto: him

Und schließlich der Orientierungsplan für Baden-Württemberg mit seinen sechs Bildungs- und

Entwicklungsfeldern. Das in allen Schramberger Kitas angewandte Infans-Konzept werde man integrieren, denn es passe sehr gut zu den eigenen Vorstellungen, versicherte Öteles auf Nachfrage von Tanja Witkowski. Und außerdem: „Wer zahlt, bestimmt“. Die Stadt werde den Abmangel zu 100 Prozent tragen.

Brantner: Angebot fürt die ganze Stadt

In der anschließenden Debatte versicherte CDU-Fraktionssprecher Thomas Brantner, seine Fraktion befürworte den Beki. Damit werde die Trägervielfalt erreicht. „Wir bieten etwas zusätzliches nicht nur für Waldmössingen sondern für die ganz Stadt.“ Der Beki stehe nicht in Konkurrenz zu etwas anderem.

Brantner hob hervor, ein solcher Kindergarten in der Nähe der Betriebe sei ein wichtiger weicher Standortfaktor. Er wollte wissen, wie das mit den Zuschüssen sei, da nun nur noch von 20 statt ursprünglich 30 Plätzen die Rede sei. Außerdem fragte er nach der Abschreibung.

Susanne Gwosch berichtete, dass sich die Zuschüsse nach der Anzahl der Kinder richte, die die Einrichtung zu einem bestimmten Stichtag besuchen. Da liege man erfahrungsgemäß im ersten Jahr immer unter der Höchstzahl. Bei der Abschreibung habe die Stiftung ursprünglich mit 25 Jahren gerechnet, so Öteles. Nun sei man schon bei 33 Jahren „Die Mieteinnahmen müssen die Finanzierung sicherstellen“, machte er klar.

Neudeck: Grünes Licht

Udo Neudeck, Sprecher der freien Liste, lobte die Stiftung als zuverlässigen Partner. Der Beki sei „eine Wahnsinnschance“. Er dankte den Betrieben und Initiatoren. Da es sich um einen weichen Wirtschaftsfaktor handle, könnte man den Abmangel auch unter Wirtschaftsförderung verbuchen. Sein Fazit: „Von uns gibt es grünes Licht.“

Jürgen Winter (CDU) sprach von einem Lernprozess, den die Gesellschaft in den letzten drei Jahrzehnten durchgemacht habe „Heute sehen Frauen nicht mehr ihre einzige Erfüllung darin, Mutter zu sein.“ Sie wollten auch im Berufsleben erfolgreich sein. Das sei „ein gesellschaftlicher Wandel, auf den wir reagieren müssen.“

Witkowski: Ja, aber

Tanja Witkowski (SPD-Buntspecht) sah „viele positive Aspekte“: Von den sechs Betrieben, die mit zahlen wollen, über die Trägervielfalt, die Lebenshilfe, die Stiftung als Träger und Alternative zum kirchlichen Angebot. Doch sie hatte auch einige „aber“: Wenn die Stadt den Abmangel zu 100 Prozent übernehme, was bedeute dies für die anderen Träger?

Sie nannte de Kostenschätzung „wackelig“, ihre Fraktion gehe von höheren Kosten aus. Was passiere nach den fünf Jahren, für die die Betriebe den jährlichen Beitrag zugesagt hätten? Auch werde es in Waldmössingen ein deutliches Überangebot an Kita-Plätzen geben. Es sei wenig wahrscheinlich, dass Mütter und Väter ihre Kinder aus der Talstadt  nach Waldmössingen fahren. „Es sei denn, sie schaffen da.“

Was werde der Rat entscheiden, wenn nun auch andere Stadtteile einen solchen Kindergarten wünschten? Schließlich kritisierte sie, dass ursprünglich ein Ganztagsangebot geplant  war, nun  aber nur ein Angebot mit verlängerter Öffnungszeit. Sie fragte schließlich: “Welchen Mehrwert hat die Stadt?“

OB Eisenlohr entgegnete zur letzten Frage, sie hätte damals für den katholischen Kindergarten die kleinere Lösung und  den Beki befürwortet. „Das wäre billiger geworden.“ Der Rat habe aber anders entschieden. Oteles meinte zu den Öffnungszeiten, das sei „ein dynamischer Prozess“. Die verlängerten Öffnungszeiten seien für die Stiftung „eine gute Grundlage, um eine Basisstruktur aufzubauen“.

Koch: Auf gesellschaftliche Strömunen reagieren

Thomas Koch (ÖDP) erinnerte daran, dass es seiner Partei immer schon wichtig war, dass auch die häusliche Erziehungsarbeit wert geschätzt und bezahlt wird. Aber auch er hielt den Beki-Ansatz für sehr gut. Die Stadt müsse auf gesellschaftliche Strömungen reagieren.

Ortsvorsteher Rainer Ulrich sah den Mehrwert für die Stadt in der Tatsache, dass Arbeitnehmer, die in Waldmössingen arbeiten, dort einen Kindergarten in Anspruch nehmen können. Das entlaste die Stadt an anderer Stelle. Letztlich sei der Beki Wirtschaftsförderung und stärke die Betriebe.

Barbara Kunst (CDU) erinnerte sich, wie schwer es für sie vor knapp 30 Jahren gewesen sei, Beruf und vier Kinder unter einen Hut zu bekommen. Sie wäre sicher keine bessere Mutter  gewesen, „wenn ich die ganze Zeit daheim gewesen wäre“ , meinte sie und fügte schmunzelnd hinzu: „Das hätte ich denen auch nicht gewünscht!“  Angesichts wieder steigender Kinderzahlen sei es auch gut, einen gewissen Puffer an Plätzen zu haben.

Nach den Pfingsferien wird der Gemeinderat ohne weitere große Ausprache über das Projekt entscheiden.

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.