Schramberg. Samstagmorgen kurz vor neun. In Markus Kleks kleinem Häuschen im Falkenstein herrscht reges Treiben. Noch stehen die Teetassen auf dem Küchentisch. Doch im Wohnzimmer schnüren vier eigenartig gewandete Herren ihre Bündel: Markus Klek, Dennis Moch, Raimund Kuckuk und André Schnellmann bereiten sich auf ein Abenteuer vor. Die Vier interessieren sich allesamt stark für das Leben der Menschen in der Steinzeit. Sie wollen mit einer Ausrüstung, die von Ötzi inspiriert ist, mehrere Tage durch den Schwarzwald wandern, Klek sogar bis nach Freiburg.
„Nehmt so wenig wie möglich mit“, mahnt er seine Mitwanderer, „das müssen wir alles schleppen.“ Doch das Einschränken fällt schwer. Schließlich will das Quartett nicht nur wandern, sie wollen draußen übernachten, kochen und sich vielleicht auch mal ein wenig waschen. Und da sie eben kein leichte Alu-Geschirr und keine Daunenschlafsäcke mitnehmen können, sondern einen Tontopf und mehrere schwere Felle, werden Rucksäcke und Schleppen schwerer und schwerer.
Die Steinzeit als Hobby und Beruf
Markus Klek beschäftigt sich beruflich mit der Steinzeit. Der „Archäotechniker“ arbeitet für Museen, hält Vorträge und gibt Kurse etwa im Bogenbau und Gerben. Auch mehrere Bücher hat er schon verfasst.
Für André, Raimund und Dennis ist die Beschäftigung mit dem Leben in der Steinzeit ein Hobby. Kennengelernt haben sie sich bei Kursen oder Treffen wie dem Petersfelstag bei Engen. Dennis arbeitet ehrenamtlich in einem Freilichtmuseum bei Marburg.
André kennt sich bestens aus mit der Steinzeit in der Nord-Schweiz vor etwa 13.000 Jahren. „Damals war das eher eine Steppenlandschaft, Holz war sehr rar“, weiß er.
Raimund kommt von der künstlerischen Seite: Ihn faszinieren die kleinen Figürchen aus jener Zeit, die heute zum Weltkulturerbe zählen. „Die Menschen waren schon damals kreativ tätig und sind nicht nur huhuhu brüllend durch die Gegend gerannt.“
Originalgetreue Kleidung
Sorgfältig kleiden die vier sich an. Dennis trägt an den Füßen Schuhe, wie man sie bei Ötzi gefunden hat. Auch das Beinkleid ähnelt dem der Gletscherleiche. Nur was Ötzi am Oberkörper trug, hat man nicht gefunden. „Ich habe mir deshalb ein Hemd aus Leinen angezogen.“ Selbstverständlich handgewebt und mit selbstgesponnenen Faden genäht. Darüber hat er eine „Lederjacke“ gezogen.
„Wir haben überlegt, ob wir fürs Gepäck Schlitten nehmen oder Schleppen“, berichtet Markus. Doch am Samstag lag nur ein Hauch Schnee auf den Wiesen, und so entschlossen sie sich, Schleppen zu nutzen: Zwei lange Haselnussstangen, die quer mit kürzeren Stöcken verbunden sind. Darauf haben Dennis und Raimund ihre Steinzeithabseligkeiten gepackt. André und Markus bevorzugen Rucksäcke.
Zum Essen haben sie sich Nüsse, getrocknetes Fleisch, Dörrobst eingepackt. Dennis öffnet eine Dose aus Birkenrinde, sieht appetitlich aus. Ein Trinkbehälter aus einer Schweinsblase, bleibt zurück: „Die tropft leider“, meint Raimund.
Es geht los
Nach etwa einer drei Viertel Stunde ist alles gepackt. „Heute wollen wir bis Peterzell kommen“, erzählt Markus. Dort haben sie die Möglichkeit, bei Freunden ihr Lager aufzuschlagen. Dann geht es weiter nach Eisenbach. Markus wird dann entscheiden, wie er weiter wandern wird: „Je nachdem, wie das Wetter ist, vielleicht über den Feldberg und den Toten Mann runter nach Kirchzarten“, überlegt er. Eine Woche hat er dafür eingeplant.
Eine solche Tour im Winter hat noch keiner der vier gemacht. Deshalb meint Markus: „Man wird sehen wie weit wir kommen. Das kannst Du nicht einplanen.“ Schließlich habe er auch „keinen Bock auf Gewaltmärsche“. Sie seien sehr gespannt, ob es funktioniert.
Der Bergstöffel ist eine Herausforderung
Doch wie so oft: Die ersten Schritte sind die schwersten. Kurz vor zehn schließt Markus die Haustüre im Falkenstein zu. Bei Minusgraden stehen die vier Steinzeitforscher am Gartentörchen und schauen die Wiese hinauf zum Wald. Den Bergstöffel hoch, dann durch den Wald bis zum Tischneck. Von dort weiter Richtung Hardt und Peterzell. Das ist der Plan.
Markus hat seinen Rucksack auf elf Kilo herunter getrimmt. André lasten 30 Kilo auf den Schultern. Das Gewicht auf den beiden Schleppen dürfte ähnlich hoch sein. Raimund nimmt die beiden Stangen seiner Schleppe in die Hand, über den Schultern hat er einen Riemen gelegt, um die Last besser zu verteilen.
Auf der schneeglatten Wiese geht es steil bergauf. Mühsam ziehen Dennis und Raimund ihre Schleppen; auf dem rutschigen Boden haben die Lederschuhe wenig Halt.
Immer wieder Pausen
Bald schon kommt der erste Stopp. Ein Knoten an der Schleppen-Konstruktion hat sich gelöst. Dennis sucht nach einer Ersatzschnur, doch die reißt. „Zu alt.“ Er sucht nach einem Lederriemen.
Immer wieder müssen die vier Eiszeitwanderer pausieren, um Luft zu holen, am Gepäck etwas nach zu zurren oder Handschuhe auszuziehen: „Es wird einem echt warm“, stöhnt Dennis. André hat sich kurz hingesetzt. Schließlich wird es leichter, der Weg weniger steil. Noch einmal mahnt Markus. „Lasst alles da, was ihr nicht wirklich braucht.“ Auch schöne Dinge, die sie gefertigt haben, aber nicht unbedingt nötig sind. „Das ist alles Gewicht.“ Der Schwarzwald werde nicht flacher werden.
Raimund kramt in seinem Gepäck und zieht eine schwere Lederdecke heraus. „Das wäre mein Regenschutz gewesen.“ André packt nichts aus: Er hat ein Pferdefell, ein Gams- und ein Steinbockfell dabei. „Das brauche ich zum Schlafen. Und ein zweites Gewand. Für alle Fälle.“ Im Vergleich zu den Schleppen tragen sich die Rucksäcke leichter. „Da ist viel Abrieb an den Enden“, meint Markus, „das sind keine Räder.“
Auch wissenschaftlich von Nutzen
Für ihn hat die Tour weniger einen wissenschaftlichen Hintergrund: „Das ist mehr Privatvergnügen“, meint er schmunzelnd. Aber einen Artikel für eine wissenschaftliche Zeitschrift könnte er sich schon vorstellen. Außerdem möchte er in Museen und auf Tagungen über ihre Erfahrungen berichten. Auch von unterwegs plant er über Facebook und Instagramm immer mal wieder zu berichten. Drum hat er auch als einziges Zugeständnis an die heutige Zeit ein Smartphone dabei.
Endlich ist die steile Wiese überwunden, und die vier sind auf dem Weg Richtung Tischneck. Aufatmen, denn hier ist es deutlich weniger mühsam. Dennoch, für die ersten vielleicht 500 Meter haben sie eine halbe Stunde gebraucht. Dennis muss noch mal seine Konstruktion an der Schleppe verstärken.
Die drei anderen nutzen die Gelegenheit, um durch zu schnaufen. Dieser erste Anstieg hat der kleinen Gruppe recht drastisch vor Augen geführt: Das wird ein hartes Stück Arbeit werden. Ob eine Woche bis Freiburg reicht?
Info: Wer in den sozialen Medien den Steinzeitwanderern folgen möchte, Markus Klek hat angekündigt, gelegentlich auf Facebook, Instagram und auf seiner Homepage zu berichten.