Unlängst hat ein Rottweiler Apotheker in einem Artikel seine abfällige Einschätzung zu Corona-Schnelltests abgegeben – ungeprüft in der örtlichen Tageszeitung. Etwas irritiert habe er das vernommen, so Axel Keller, Geschäftsführer des Testzentrums Rottweil auf dem Berner Feld. Er habe sich gefragt, „wieso sich dieser Apotheker gerade derart unspezifisch über die Qualität von Spucktests äußert.“ Die Zeitung titelte: „Spucktests oft fehlerhaft“ und ließ den Apotheker, der selbst Tests anbietet, und einen Arzt zu Wort kommen. „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…“, kommentiert Keller den Artikel im Gespräch mit unserer Zeitung, nennt die Aussagen des Apothekers „Halbwahrheiten“. Auf Nachfrage der NRWZ liefert Keller Zahlen.
„Wir liegen derzeit bei 0,059 Prozent positiv Getester.“ Das sagt Axel Keller, eigentlich Reiseunternehmer, der mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in seiner zum Testzentrum umgebauten Halle bis zu 1500 Probanden täglich testet. „Ginge man davon aus, dass wirklich alle falsch-positiv wären, dann läge die Spezifität bei uns bei 99,94 Prozent“, so Keller weiter. Die Spezifität ist ein Maß dafür, wie hoch der Anteil gesunder Personen ist, der auch ein negatives Testergebnis bekommt. Die vom Hersteller angegebene und dem Paul-Ehrlich-Institut überprüfte Spezifität liegt bei 99,45 Prozent, das Testzentrum liegt also besser. „Ich glaube, dass das alles sagt“, so Keller. „Vielleicht noch in absoluten Zahlen: Wir hatten bei 10.205 durchgeführten Tests sechs positiv Geteste.“
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Autoschlangen in Spitzenzeiten
Im Testzentrum auf dem Berner Feld geht es derweil zu wie in einem Taubenschlag. Zu Spitzenzeiten reiht sich Auto an Auto, werden die Probanden dennoch aber im Minutentakt auf zwei Fahrspuren durchgeschleust. Mitunter ist es schwer, unter www.testzentrum-rottweil.de einen Wunsch- oder überhaupt einen Termin zu bekommen. Der Lohn für die Geduld und Mühe: ein negatives Testergebnis, mit dem man shoppen und ins Restaurant oder Café gehen kann. Und ins Freibad.
„Mund-leer-Pause“ muss eingehalten werden
Da die Inzidenz im Landkreis Rottweil weiter vergleichsweise hoch ist – immer um die entscheidende 50 pendelt, ab der Schließungen drohen – ist das Testzentrum auf dem Berner Feld in den Verdacht geraten, die Zahl der positiv Getesteten hochzutreiben. Tatsächlich habe es eine Zeit gegeben vor etwa vier Wochen, als die Zahl der positiven Testergebnisse – der Nachweis des Corona-Virus – vergleichsweise hoch gelegen hatte. Keller und sein Team hätten reagiert und herausgefunden, dass viele Probanden einen Hinweis missachtet hätten – meist unabsichtlich. Nämlich den, vor dem Spucktest nichts mehr zu essen und zu trinken, auch keinen Kaugummi zu kauen. Und nicht zu rauchen. Inzwischen habe man daher den Zeitraum vor dem Test, in dem die Probanden keine Nahrung zu sich nehmen sollen, auf 60 Minuten ausgeweitet, auf das Doppelte der Test-Hersteller-Vorgabe. Nun sei das Ergebnis wieder sicher.
Positiv Geteteste werden von den Testcenter-Mitarbeitern – neben der direkten Info per E-Mail an Proband und Gesundheitsamt – übrigens persönlich angerufen und betreut, wie die nächsten Schritte sind. „Die Erfahrung zeigt, dass immer noch etwa 80 Prozent dieser Fälle sich nicht an unsere Ansage mit dem ’60 Minuten leeren Mundraum‘ gehalten haben“, so Keller weiter. Wir schauen dann nach einem NAT-Test, damit die nicht in Quarantäne müssen. Das heißt, die Probanden werden etwa in die Römer-Apotheke geschickt, um sich genauer testen zu lassen. Diese Testmethode bieten der eingangs erwähnte Apotheker und Arzt an. Die Zeitung nennt sie schon „Zauberwort in Sachen Corona-Test.“ Zuzsätzlich wird der an den Tests beteiligte Arzt zitiert: „Gerade Spucktests sind problematisch. Über 90 Prozent der Spucktests, die positiv gemeldet werden, sind fehlerhaft.“
Abfällige Aussage – eine falsche Schlussfolgerung?
Das bestätigt Keller weitgehend – und verweist auf die 60 Minuten Nicht-Nahrungsaufnahme, die seine Mitarbeiter inzwischen auch penibel von den Probanden einfordern (notfalls muss man es später noch mal versuchen). Insofern scheinen die Testmethoden – Spucktest auf dem Berner Feld und NAT in der Römerapotheke – nur vermeintlich in Konkurrenz zu stehen. Die Spucktests wurden sicherer gemacht und müssen nur im Falle eines positiven Corona-Testergebnisses durch den aufwändigeren NAT-Test bestätigt werden.
Und das bestätigen auch wiederum der Apotheker und der Arzt: „Zum Einsatz kommt das (NAT-)Testgerät, wenn Schnell- oder Selbsttests positiv sind. Es ersetzt quasi den bisherigen PCR-Test, der zwar Klarheit bringt, aber zur Folge hat, dass die Betroffenen und deren Kontakte bis zum Eintreffen des Ergebnisses in Absonderung, das heißt in Quarantäne, müssen.“
Die abfällige Aussage über den Schnelltest in der Tageszeitung: anscheinend nur eine falsche Schlussfolgerung.
Verzweigte Teststrategie
Zum Hintergrund: Antigen-Schnelltests werden in Deutschland vom Bundesgesundheitsministerium, genauer eigentlich von dessen unterstelltem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (kurz BfArM), zertifiziert und damit für die Testung von Probanden freigegeben. Eine zweite Kontrollinstitution ist dabei das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das die vom BfArM gelisteten Produkte testet und zusätzlich mit einem Gütesiegel versieht. Alle in Deutschland beauftragten Testinstitutionen – also Testzentren, Apotheken und Arztpraxen – dürfen nur diese Tests verwenden, damit korrekte Testergebnisse sichergestellt werden.
„Nun entstand in den vergangenen Wochen und Monaten eine wahre Glaubensfrage über das Für und Wider der unterschiedlichsten Testarten – wie so eine Art Diskussion über Android oder iOS. Ich möchte mich dazu eigentlich gar nicht äußern, da ich die Expertenmeinung des Paul-Ehrlich-Instituts als die maßgebliche ansehe“, so Testzentrums-Betreiber Axel Keller. Antigentests seien per se immer etwas unschärfer als PCR-Tests – „dies ist Fakt“, sagt Keller weiter. Gleichzeitig könne eine Teststrategie aber eben auch nicht nur auf PCR-Tests basieren, „da die Ergebnisermittlung viel zu aufwendig, zeitintensiv und nicht zuletzt auch teuer“ sei. Daher basieren die nationalen Teststrategien vieler Länder darauf, möglichst viele Bürger zu testen – „es wird also das große Sieb verwendet“ – und zusätzlich PCR-Tests punktuell einzusetzen, wo begründete Verdachtsfälle auf das Coronavirus bestehen – hier komme „das feine Sieb“ zum Einsatz.
Damit das große Sieb – wir sind beim Spucktest an bis zu 1500 Menschen täglich auf dem Berner Feld – aber verlässliche Ergebnisse liefert, muss es von einem unabhängigen Institut beurteilt werden. In Deutschland ist dies das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). „In unseren Gesprächen mit dem PEI wurde immer betont, dass alle vom PEI zugelassenen Tests die erforderliche Testqualität aufweisen, und dabei gibt es keinen Unterschied zwischen den Methoden wie Nasen- beziehungsweise Rachentests, Popeltests oder eben Spucktest“, sagt Keller. Entscheidend seien die Werte von Spezifität und Sensitivität, also die prozentuale Wahrscheinlichkeit für die richtige Erkennung eines Corona-Erkrankten oder einer gesunden Person. Allein dieses Kriterium entscheide über die Qualität eines Tests und nicht dessen Art.
„Weshalb man sich nun aber gerade derart unspezifisch in dem besagten Artikel über Testarten geäußert hat, weiß ich nicht – ich maße mir hier weder eine Einschätzung noch eine Beurteilung von Tests an, dafür sind das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukteund das PEI zuständig“, unterstreicht Keller weiter.
Probe kann verfälscht werden
Zur ganzen Wahrheit zählt jedoch auch: Das Risiko bei einem Spucktest ist die Angabe des Probanden, wie lange sein Mundraum vor dem Test leer war. So gehe es also eher nicht um die Qualität eines Spucktests an sich, sondern darum, ob die Probe durch Inhalte im Mund „verfälscht“ und so ein falsches Ergebnis ermittelt wird. „Der von uns verwendete Test zählt zu den sehr gut bewerteten Tests vom PEI und liefert daher auch exakte Ergebnisse“, erklärt Keller. Wenn allerdings das ‚Material‘ nicht korrekt ist, dann kann das Ergebnis auch nicht korrekt sein. Die meisten Hersteller von Spucktests schreiben vor, dass 30 Minuten vor dem Test nichts gegessen und getrunken werden darf. „Wir gehen in unserem Testzentrum sogar so weit, dass wir den Zeitraum auf 60 Minuten ausgedehnt haben und das Kaugummi kauen oder rauchen nicht mehr erlauben – so gehen wir sicher, dass das ‚Material‘ korrekt ist und der Test dann auch die Verlässlichkeit besitzt, die vom PEI bescheinigt wurde. Die Erfahrung der letzten Wochen hat gezeigt, dass wir hier nun sogar weit unter der Quote falsch angeschlagener Tests anderer Hersteller und Testarten liegen“, so Keller.
Der Unternehmer räumt ein, dass Probanden noch bis Mitte Mai ziemlich lax mit diesem Sachverhalt umgegangen seien – bei Terminbuchung wurde zwar explizit darauf hingewiesen und musste vom jeweiligen Probanden akzeptiert werden, vor Ort wurde dies vereinzelt aber oft nicht genügend ernst genommen – und erst seitdem man derart scharf auch beim Check-in dieses Thema anspricht und darauf hinweist, dass ein Nichtbeachten ein falsch-positives Ergebnis zur Folge haben kann, hat sich die Quote an falschen Ergebnissen nochmals drastisch reduziert.
Manche Probanden halten Spielregeln nicht ein
Ein Testzentrum-Mitarbeiter gibt an, dass bei geschätzt zehn bis fünfzehn Prozent der Probanden kein Test durchgeführt wird, da diese die so verschärften Spielregeln nicht eingehalten hätten. Allerdings müsse die Zahl an falschen Ergebnissen im Verhältnis zu den durchgeführten Testungen gesehen werden. „Wenn wir im Testzentrum teilweise über 1000 Tests pro Tag durchführen und die bloße Anzahl an falschen Testergebnissen dann verglichen wird mit kleineren Institutionen, die nur etwas über 100 Tests pro Tag durchführen, dann hinkt dieser Vergleich schon am Zahlenverhältnis“, sagt Keller und liefert hier eine kleine Spitze gegen den Apotheker, der in der Rottweiler Innenstadt ein kleines Testzentrum betreibt. „Vielmehr ist doch die Quote entscheidend für die Testqualität – und da scheuen wir keinen Vergleich mit anderen Tests, die in anderen Institutionen zum Einsatz kommen. Im Übrigen basiert die Haltung des Paul-Ehrlich-Instituts auch genau auf dieser Quotenermittlung.“
Schön sei es doch für die Bürgerinnen und Bürger im Kreis Rottweil: Sie haben die Auswahl „und können sich freuen, dass es so viele unterschiedliche Testmöglichkeiten in und um Rottweil gibt“, sagt Keller. Egal ob Stäbchen-, Popel- oder Spucktest – wichtig sei, dass der Test korrekt angewendet wird und zertifiziert ist. Keller ist sich sicher, dass alle beauftragten Institutionen in und um Rottweil hier „einen guten Job machen“.
Penibel kontrolliert
Übrigens auch kontrolliert: Vor zwei Wochen war das Gesundheitsamt zur peniblen Kontrolle auf dem Berner Feld. Die Folgen: Ein Desinfektionsmittel ist durch ein anderes ersetzt worden, weil das ursprünglich eingesetzte nicht ganz den Anforderungen entsprochen habe. Im Testraum sei ein Stück Holz nachlackiert worden, weil es laut Gesundheitsamt dann besser zu reinigen und zu desinfizieren sei. Und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen den Test-Probanden nun explizit die Frage: „Sind Sie symptomfrei“, auch das wollte das Gesundheitsamt laut Keller so. Ansonsten: alles bestens. Zudem habe er in der Startphase das DRK und das Ordnungsamt hinzugezogen, um die Abläufe zu optimieren und die Hygienebedingungen zu perfektionieren.
Keller selbst ist derweil Reiseunternehmer – und wird erste Busse ab 30. Juni wieder rollen lassen. Bislang zu innerdeutschen Zielen, „Nord- und Ostsee sowie Bayern stehen bei den Kunden hoch im Kurs.“ Sein Testzentrum will er bis August betreiben, dann sei wohl eine Impfquote erreicht, die die Schnelltests von mehr als tausend Menschen am Tag überflüssig mache, schätzt Keller.
Seit 17. Mai betreibt er – übrigens gemeinsam mit dem eingangs erwähnten Arzt – auch ein Impfzentrum auf dem Berner Feld. Freitags und samstags gibt es dort Johnson & Johnson, zuletzt auch AstraZeneca und Biontech. 3000 bis 4000 Menschen seien bislang dort geimpft worden. „Die Impfung für Alle“, wird versprochen.
Termine gibt es unter www.impfcenter-rottweil.de
ich vertraue trotz alledem einem Apotheker und nicht einem Busfahrer. Was ist mit den negativen Tests, wie viel davon positiv waren weiss vermutlich keiner. Ich würde die tests mit 5 euro Eigenbeteiligung versehen dann würde es bei 80 Przent keinen Bedarf mehr geben. Aber ist ja bekanntermaßen ein sehr gutes Geschäft