Wendelin Mauch: der erste Schramberger Bürger im Porträt
Ahne vieler Schramberger auf früher Abbildung zu sehen

Manchmal führt ein Zufall zu den interessantesten Geschichten. Unser Mitarbeiter David Kuhner studiert Geschichtswissenschaften in Tübingen. Im Schramberger Stadtarchiv hat er zufällig im Nachlass von Hans Albrecht (1901-1974) eine historische Zeichnung von Wendelin Mauch entdeckt. „Hab‘ mich gefreut, da er auch mein Vorfahre ist“, erzählt er. Der Name samt Geburtsjahr sei dabeigestanden. Die Sache habe ihn interessiert, „weil ich keine älteren derartigen Zeichnungen von Schrambergern je zu Gesicht bekommen habe“. Hier seine Geschichte zu einem Bild eines Schrambergers aus dem 19. Jahrhundert:
Schramberg. Im Vergleich zum Adel war es für die einfache Bevölkerung eher unüblich, dass sie sich portraitieren ließ. Für den Begründer der Herrschaft Schramberg Hans von Rechberg (1410-1464) sind beispielsweise mindestens zwei Darstellungen bekannt, während die Zeichnung von Wendelin Mauch (1770-1859) eine der ersten oder gar die erste ihrer Art darstellt.

Sie muss um 1830 entstanden sein, doch der Künstler, der sie gefertigt hat, ist leider unbekannt. Im Stadtmuseum befinden sich lediglich noch zwei weitere Gemälde, die Theresia Tritschler geborene Maurer (1789-1856) und vermutlich ihren Ehemann Ferdinand Tritschler (1790-1846) in der typischen Tracht darstellen. (Über diese und weitere Darstellungen von Schrambergern wird die NRWZ noch berichten.)
Bewegtes Leben: Vom Müllersohn zum Gemeinderat
Wendelin Mauch erblickte am 20. Oktober 1770 in Dunningen, genauer auf der Stampfe, als erster Sohn seiner Eltern das Licht der Welt. Er erhielt wie damals üblich, den Vornamen seines „Geburtsheiligen“, denn der 20. Oktober ist der Wendelinstag.

Sein Vater Philipp (1741-1837) war dort als Müller tätig und ein angesehener Mann. Da sein 18 Jahre jüngerer Bruder Anton (1788-1871) den Hof auf der Stampfe übernahm, war kein Platz in der Erbfolge für Wendelin.

Daher zog es ihn nach Schramberg, wo er am 3. Februar 1795 die Bauerstochter Katharina Maurer (1773-1819) vom Kasperleshof im Oberen Göttelbach (ehemalige Gebäudenummer 269, heute Oberer Göttelbach 12) heiratete.
Ihr Vater Josef war bereits 1791 verstorben. Seine Witwe führte den Hof ohnehin schon ungewöhnlich lange selbstständig weiter, weshalb das junge Ehepaar den Hof sogleich übernehmen konnte. Mit seiner ersten Frau hatte er sieben Kinder. Er heiratete nach dem Tod von Katharina Maurer die von Sulgen stammende Elisabeth Esel (1785-1856).
Urahn vieler Schramberger
Aus dieser zweiten Ehe gingen weitere vier Kinder hervor. Von den insgesamt elf Kindern aus beiden Ehen stammt eine Vielzahl der heutigen Schramberger Bevölkerung und aus dem Umland ab, die der Autor in einem Ordner zusammengestellt hat. Deshalb kann man ihn als Ahnen vieler Schramberger bezeichnen.
Die Familien Mantel/Kopp vom Tischneck, die „Schrauben-Hettichs“, die Broghammers von der Steige beziehungsweise dem Vogtshof oder die „Sandwäscher-Seckinger“ vom oberen Kirnbach gehen auf Wendelin Mauch zurück, um nur ein paar zu nennen.
Mauchs Sohn Franz Xaver (1829-?) war Metzger und wanderte am 7. Mai 1852 nach Amerika aus. Hierfür erhielt er 260 Gulden des väterlichen Erbes. Das war wohl der Anlass für ein Testament, um die Summe unter den übrigen Kindern zu verrechnen. Über das weitere Schicksal des Auswanderers ist bis jetzt nichts bekannt.
Gelegentlich hatte der Bauer mit Problemen zu kämpfen. So stahlen ihm Unbekannte beispielsweise Holz aus seinen Waldungen und fügten ihm dadurch finanziellen Schaden zu.
Hochwasserschaden
Auch ein Hochwasser beim „Wolkenbruch vom 24.09.1810“ suchte unter anderem das Göttel- und Kirnbachtal heim und verursachte verheerende Schäden. Die amtlichen Gutachter waren sichtlich überrascht, „daß ein Bächlein wie der Göttelbach, das nur einen Schritt breit und die meiste Jahreszeit über fast ganz trocken ist, solche Verheerung anrichten kann.“
Die Überschwemmung riss ganze Wiesenstücke und Bäume sowie große Felsen mit, wovon vor allem der Besitz des Wendelin Mauch betroffen war. Dort entwurzelte das Unwetter wohl allein 400 bis 500 Bäume entlang des Baches und riss einen halben Morgen Wiesen hinweg, was mehr als 150 Gulden Schaden verursachte. Die Tiefe des Flussbettes verzehnfachte sich und insgesamt entstand in Schramberg ein Schaden von sage und schreibe 7982 Gulden!

Der Gulden
Um die Schäden richtig einschätzen zu können, hier ein paar Vergleichswerte für den Gulden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: So kostete 1816 ein Kalb 15 Gulden. Ein Pfarrer verdiente im Österreichischen 200 Gulden und dazu einiges an Getreide. Der Bau eines Pfarrhauses kam 1805 auf 2155 Gulden. Die österreichische Nationalbank bietet einen Währungsumrechner. Demnach kann man im frühen 19. Jahrhundert, grob gesagt einen Gulden mit 25 Euro bewerten. Dabei sind Preise und Löhne, Dienstleistungen und Güter von damals und heute einbezogen. Und noch ein paar Vergleichswerte: Ein kleines Häuschen kostete damals in Schramberg 200 Gulden, ein normales Haus gab es für etwa 500 Gulden. Für einen mittleren bis großen Hof musste man schon 2000 bis 3000 Euro gespart haben. (him)
Ein zweites Hochwasser
Nachdem die gravierendsten Schäden behoben waren, kam es keine zehn Jahre später 1820 erneut zu fürchterlichen Überschwemmungen im Göttelbachtal. Die Bewohner stellten deshalb einen Antrag auf Entschädigung, den Wendelin Mauch „für sich & namens aller“ federführend in die Wege leitete.
Neben seinem Hof war Wendelin Mauch ein angesehener Bürger und Bauer seiner neuen Heimat Schramberg. Unter anderem wirkte er als einer der ersten Bürger im Gemeinderat von Schramberg mit, wo er bis zu Beginn der 1830er Jahre erscheint. Vermutlich wird er aus Altersgründen ausgeschieden sein, obwohl ihm – ähnlich wie seinem Vater Philipp – ein langes Leben beschieden war.

Der Wendelhansenhof
Seinen Hof verkaufte er 1837 an seinen jüngsten Sohn aus der ersten Ehe, Johannes (1806-1870), der den Spitznamen „Wendelhans“ führte. Diesen Namen führt der Hof noch heute und auch der angrenzende Wald zwischen der B462 und der Steige Richtung Sulgen, der sich noch im Besitz der Nachfahren – nun in fünfter Generation – befindet, wird so bezeichnet.
Sein Sohn Philipp (1821-1872) aus der zweiten Ehe erhielt später ein Viertel des Hofes zugesprochen. Vater Wendelin verbrachte seinen Lebensabend im Leibding, wo er am 12. März 1859 im hohen Alter von 89 Jahren verstarb.

Rufname ist geblieben
Die Zeichnung von ihm, die möglicherweise im Rahmen seiner Gemeinderatstätigkeit oder bei seinem Abschied entstanden ist, hat ihn überdauert. Ebenso der Rufname seines Sohnes, in dem bis heute auch sein Name steckt. Es verwundert nicht, dass der Hofnachfolger Johannes und dessen Ehefrau Pauline, geborene Ganter (1830 -1912) ebenfalls in je einer Zeichnung erscheinen.

Dass es sich hierbei um denselben Künstler handelt, der auch das Porträt von Wendelin Mauch gemalt hat, ist jedoch fraglich. Die Darstellungsweise unterscheidet sich, denn diejenigen des Ehepaars zeigen die beiden deutlich größer und nicht vor einem Tisch. Außerdem dürften diese Portraits erst 1859 oder später entstanden sein – dem Ehejahr von Johannes und Pauline. Für ihn war es bereits die zweite Ehe, da er zuvor mit Maria King (1813 – 1858) verheiratet war.
Falls die Portraits doch zeitgleich entstanden sein sollten, dann wären sie als Hochzeitsbilder zu verstehen und dasjenige von Wendelin Mauch als Totenbild, da er fünf Tage nach der Eheschließung seines Sohnes verstarb. Dies würde auch erklären, warum die zweite Ehefrau des Altbauern Wendelin Mauch, Elisabeth Esel, kein Portrait erhielt, denn sie verstarb bereits 1856. Doch wie ein 89-jähriger Mann sieht Mauch in seinem Portraitbild noch nicht aus. Ich vermute deshalb, dass es einige Jahre älter sein dürfte und um 1830 entstanden ist.

Es ist bemerkenswert, dass diese Portraits sich erhalten haben, denn die Photographie war zu dieser Zeit natürlich noch nicht in Schramberg angekommen. Erster ortsansässiger Fotograf war bekanntlich Carl Faist (1839-1918). Als Foto-Pionier trat er verstärkt ab 1870 in Erscheinung. Zu dieser Zeit waren zumindest die beiden Mauch-Männer schon verstorben.
Bilder im Sonntagshäs
Dass die bildliche Abbildung einen besonderen Anlass darstellte, erkennt der Betrachter am Kleidungsstil, da sich die Bauersleute im „Sonntagshäs“ mit Zylinder, Hemd, Mantel und Radkappe, also in der Schramberger Tracht darstellen ließen.
Zudem ist Wendelin mit einem Gegenstand in der Hand abgebildet, der ein Taschenmesser, Kartenspiel oder eine Tabakdose sein könnte. Der Gegenstand ist hierbei wohl als symbolisches Charakteristikum zu deuten. Für die Nachfahren bilden die Zeichnungen eine schöne und bleibende Erinnerung an ihre Vorfahren aus dem alten Schramberg.