Feurenmoos: Gemeinderat beschließt Stellungnahme der Stadt

Finanzierung auch über Bürgerenergiegenossenschaften geplant

Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

Nach einer ausgiebigen Bürgerfragestunde zum Thema Windkraft im Feurenmoos beschäftigte sich am Donnerstag auch der Gemeinderat mit den möglicherweise fünf Windrädern. beschloss eine Stellungnahme an den Regionalverband. Die Stadtwerke Tübingen haben auf Anfrage der NRWZ erläutert, inwiefern die Kommunen von den Anlagen profitieren. Auch die Bürgerschaft wird die Möglichkeit haben, sich an den Anlagen zu beteiligen.

Schramberg. Zunächst hatte Stadtplanerin Veronika Schneider nochmals erläutert, um welche drei Gebiete es bei der erneuten Stellungnahme geht. Kleinere Änderungen beim Feurenmoos, aber auch beim Hummelbühl bei Waldmössingen und dem Kapfwald bei Tennenbronn ermöglichten zu diesen Gebieten eine weitere Stellungnahme. Die erste Beteiligung fand im vergangenen Jahr statt. Nun die zweite, die für die Kommunen noch bis zum 14. April läuft.

Veronika Schneider erläutert das Verfahren. Foto: him

Regionalverband ist zuständig

Schneider wies darauf hin, dass das Verfahren nicht in der Zuständigkeit der Stadt sei. „Wir können lediglich eine Stellungnahme abgeben.“ Schneider betonte aber auch, dass das konkrete Vorhaben der Stadtwerke Tübingen unabhängig vom Verfahren des Regionalverbands betrachtet werden müsse.

Beim Feurenmoos werde erneut auf die Wasserschutzzone III hingewiesen und auf die bedeutsame Bodenfunktion. Auch werde auf die „massiven Bedenken“ der Anwohner hingewiesen. Für die konkreten Pläne werden noch zahlreiche Gutachten erforderlich, versicherte Schneider, die jetzt beim Regionalverband noch nicht benötigt werden.

Schoren-Osterweiterung?

Fachbereichsleiter Bent Liebrich ging ausführlich auf eine Mail des Aktive-Bürger-Gemeinderats Jürgen Reuter ein. Reuter hatte erklärt, dass ein Gebiet östlich des Gebiets Schoren-Süd als mögliche Bebauungsfläche gedacht gewesen sei. Liebrich bestätigte, dass in einem Plan von 2004 tatsächlich diese Option angedacht worden war.

In späteren Plänen aber habe der Rat den Gedanken nicht mehr weiterverfolgt. Es stehe zwar nachrichtlich die Erweiterungsmöglichkeit im Plan. „Das hat aber keinen Rechtscharakter und schafft kein Planungsrecht. Auch in den Flächennutzungsplänen finde sich diese Option nicht. „Es bleibt landwirtschaftlich genutzte Fläche“, so Liebrich.

Auch die geplante Umfahrungsstraße würde durch dieses Gebiet führen. Der vom Rat beschlossene Rahmenplan sehe ebenfalls hier keine Wohnbebauung vor. „Das Regierungspräsidium würde es auch nicht genehmigen“, ist Liebrich überzeugt. Freiburg würde sagen: „Konzentriert euch auf das, was Ihr beschlossen habt.“ Und das wären Haldenhof, Wittum/Mariazeller Straße und Innentwicklung.

Beteiligung der Kommunen

In der Diskussion fragte Susanne Andreae (SPD-Buntspecht) nach den Einnahmen für die Kommunen, die durch das Erneuerbare Energiengesetz (EEG) zu erzielen wären. Wirtschaftsförderer Ralf Heinzelmann betonte, es gäbe „zwei Spieler bei dem Thema: Grundstückseigentümer und Betreiber.“ Nach dem EEG könne der Betreiber den Anliegerkommunen 0,2 Cent je Kilowattstunde von der Einspeisevergütung abtreten.

Profitieren würden alle Kommunen im Umkreis von 2500 Meter um eine Anlage, also Hardt, Eschbronn und Schramberg. Das gelte auch, wenn sie keine Grundstückseigentümer sind. (Zur Gewerbesteuer und zur Beteiligungsmöglichkeit siehe unten.)

1000 Meter Abstand als Zeichen

Udo Neudeck (Freie Liste) betonte zunächst, man brauche die Energiewende und man sollte nicht nach dem St. Floriansprinzip handeln. Dann aber hieb er in diese Kerbe: Er verstehe nicht, wie Entscheider in Berlin und Stuttgart ein solches Verfahren entwickeln können, „nur um ihre Ziele umzusetzen“. Da denke man wohl, wenn Menschen betroffen seien, sei das nicht so schlimm. Aber: „Menschen haben das gleiche Recht auf Schutz wie Biber und Nachtfalter.“

Er forderte, deshalb müsse ein Abstand von 1000 Meter zu den Anlagen in die Stellungnahme aufgenommen werden, „um ein Zeichen zu setzen, auch wenn es vielleicht nichts hilft“. Andernfalls sollten die Betreiber eine Entschädigung zahlen, etwa für Schallschutzfenster. Neudeck hatte offenbar den Ton getroffen, den die Anwohner hören wollten, und bekam großen Applaus.

Thomas Brantner (CDU) tat es ihm gleich und forderte, man müsse die „Ängste der Bevölkerung ernst nehmen“. Er beantragte, die Stellungnahme einiger Anwohner an die städtische anzufügen mit der dringenden Bitte an den Regionalverband, diese Punkte intensiv zu prüfen. Auch er forderte die 1000 Meter Abstand aufzunehmen. Beides sagte Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr zu.

Option Schoren offen halten

Jürgen Reuter (Aktive Bürger) meinte an Eisenlohr gewandt, selbst sie werde den Abbau der Anlagen nicht mehr erleben. Er meinte, „im Moment“ würde die Stadt in dem Gebiet östlich von Schoren-Süd nicht bauen. Würden die Windräder errichtet, könne die Stadt dort auf keinen Fall mehr bauen. Man sollte sich die Option offenhalten.

Die Idee, schnell noch ein Baugebiet auszuweisen, um eine Windkraftanlage zu verhindern, funktioniere nicht, erklärte dazu Eisenlohr. Sie verwies auf den Rahmenplan Sulgen mit dem riesigen Industriepark Schießäcker. Auch bei der Umfahrung seien die Anwohner davon ausgegangen, dass diese 130 Meter Abstand haben wird.

Klimawandel zwingt zum Handeln

Jürgen Winter (CDU) beklagte, dass der Kommune die Entscheidungskompetenz aus der Hand genommen wurde. „Wir können nur protestieren, nicht entscheiden.“ Winter sprach von einem besonderen Verhältnis zum Wald, das die Menschen bei uns entwickelt hätten. Andererseits sei der Klimawandel ein Fakt. „In Afrika ist der einzige Gletscher dort verschwunden.“ In den Alpen passiere dasselbe. „Wir wollen von den Fossilen weg, sind aber nur bedingt bereit, uns einzuschränken.“ Die Windenergie sei wichtig für die Energiegewinnung. Andererseits sei es wichtig, dass der Protest ankommt.

Reinhard Günther (SPD-Buntspecht) hatte einerseits Verständnis für die Ängste. Andererseits sei der Klimawandel ein fundamentales Problem für Mensch, Tier und Natur. „Ich habe deshalb Verständnis, dass es Regelungen von oben geben muss. Nur so geht es.“ Würde jede Kommune für sich entscheiden, wären drei Viertel der Gebiete weg, die für das Aufstellen nötig sind.“

Günter erinnerte daran, dass auch Hochwasserschutzgebiete „von oben“ festgelegt werden. „Würde jede Gemeinde für sich entscheiden, käme nichts raus. Auch diese Gremien wie Bundes- oder Landtage seien demokratisch legitimiert. Ein Windpark sei anders zu behandeln als eine Industrieansiedlung, denn ein Windpark reduziere den CO2-Ausstoß.  

Einwände prüfen

Seine Fraktionskollegin Tanja Witkowski versicherte, niemand sei gegen Windkraft. Jede Kommune jeder kreis muss seinen Beitrag leisten. Dennoch sei sie dankbar für die Einwände der Bürger, die der Regionalverband ernsthaft prüfen müsse. Erste Wirkungen seien ja schon sichtbar: Die Stadtwerke Tübingen haben einen anderen, 25 Meter niedrigeren Anlagentyp gewählt.

Sie erinnerte daran, dass viele Schutzmaßnahmen vorgesehen seien. Etwa 30 Gutachten seien vor einer Baugenehmigung erforderlich. Witkowski fand den Hinweis auf die Wasserschutzzone III wichtig.

OB Eisenlohr erinnerte daran, dass nur ein kleiner Teil des Gebietes in einer Wasserschutzzone III liege.

Für Peter Bösch (CDU) aus Tennenbronn bringe die 1000 Meter-Regel nicht so viel. Er wohnt etwa 560 Meter von den Anlagen auf dem Falken entfernt. Das Brummen der Getriebe sei schlimmer als der Windschlag. Die nun geplanten Anlagen im Feurenmoos haben keine Getriebe. Natürlich wolle er auch kein Atomkraftwerk, fand aber, die Wasserkraft werde zu wenig genutzt.

Birgit Kronenbitter (AfD Waldmössingen) wusste, dass unter Auflagen Windkraftanlagen auch in Wasserschutzzonen III gebaut werden dürfen, das werde aber teurer. Sie beantragte, man solle das Wasserschutzgebiet erweitern.

Veronika Schneider erwiderte, die Stadtwerke sähen dafür keinen Bedarf, „auch in Zukunft nicht“.

Nicht tricksen

Eisenlohr schlug vor die Stellungnahme um die 1000 Meter Abstandregel und das Anwohnerpapier zu ergänzen. Jürgen Kaupp (CDU) fragte, weshalb man nicht das Thema Wasserschutzgebiet und Wohnbebauung einbezieht. Ohne Satzungsbeschluss zu einem Bebauungsplan bringe das nichts, entgegnete Bent Liebrich. Günter pflichtete ihm bei. Die bedenken weiter zu geben sei richtig. Falsch finde er, „wenn wir jetzt anfangen zu tricksen.“

Eisenlohr sprach von „reiner Symbolpolitik“.  „Aber schaden tut es auch nicht“, meinte Reuter und bekam Beifall. Tanja Witkowski warnte davor, man könne sich auch unglaubwürdig machen, wenn man „wissentlich etwas reinschreibt, was nichts bringt“.

Bei einigen Enthaltungen und zwei Gegenstimmen von Günter und Witkowski beschloss der Gemeinderat schließlich, zur Stellungnahme der Stadt als Anhang die Stellungnahme der Anwohner aufzunehmen. Auch sollte ein Hinweis auf eine mögliche Bebauung am Schoren Richtung Osten sowie die mögliche Ausdehnung einer Wasserschutzzone eingefügt werden.

Finanzielle Beteiligung an den WKAs

Die Windkraftanlagenbetreiber können laut EEG-Gesetz 0,2 Cent pro Kilowattstunde an die umliegenden kommunen auszahlen. Dazu haben sich die Stadtwerke Tübingen verpflichtet. Die Zahlen nennt Stadtwerkesprecher Ulrich Schermaul: Je Anlage würden pro Jahr 24.000 Euro ausgeteilt, bei fünf Anlagen also 120.000 Euro. „Verteilt wird dieser Betrag dann nach dem Flächenanteil des Gemeindegebiets, welchen eine Gemeinde jeweils im Kreis (Umkreis von 2,5 km um die Turmmitte) hat.“

Gewerbesteuer

Neben den beschriebenen 0,2 Cent je Kilowattstunde können die Kommunen auch über die Gewerbesteuer von Windkraftanlagen profitieren.  Auf der Homepage der Stadtwerke Tübingen heißt es, die SWT würden schnell Gewerbesteuern zahlen, weil man keine Sonderabschreibungen plane.

Dazu erklärt der Sprecher der SWT auf Nachfrage der NRWZ, es sei „richtig, dass die Stadtwerke Tübingen als 100 Prozent kommunales Unternehmen bei der Windkraft keine Steuersparmodelle, wie es viele andere Investoren machen, anwenden. Insbesondere Sonderabschreibungen in den Anfangsjahren sind ein gängiges Instrument, dass die swt jedoch nicht anwenden.“

Ulrich Schermaul erläutert das Verfahren:  „Windräder werden nach den afa-Tabellen über 16 Jahre abgeschrieben, obwohl sie in der Regel mindestens 25 Jahre betrieben werden.“ Dadurch seien die Gewinne in den ersten 16 Jahren häufig überschaubar. Es sei jedoch gut möglich, dass auch ohne die oben genannte Sonderabschreibung auch innerhalb der ersten 16 Jahren schon Gewerbesteuer fließt. „Derzeit fehlen allerdings noch wesentliche Parameter für eine belastbare Wirtschaftlichkeitsprognose, zum Beispiel das Ertragsgutachten nach Abschluss der Windmessung.“

Bürgerbeteiligung

Immer wieder wird als Argument ins Feld geführt, dass die Gewinne aus den Windkraftanlagen bei den Stadtwerken Tübingen und nicht in Schramberg landeten. Auf der Homepage kündigen die swt allerdings an, dass  man sich über Bürgerenergiegenossenschaften am Bau und am Ertrag beteiligen kann. „Dieses Konzept haben swt bereits mehrfach mit verschiedensten Energiegenossenschaften erfolgreich umgesetzt und gehört aus unserer Sicht im Sinne der Akzeptanz und Bürgerbeteiligung zu einem erfolgreichen Windprojekt dazu“, schreibt Schermaul.

Allerdings sei es derzeit noch zu früh, dazu Näheres zu erklären: „Da Energiegenossenschaften erfahrungsgemäß das Risiko einer Projektentwicklung von Windkraftanlagen scheuen, gehen die swt erst zu einem späteren Zeitpunkt (in der Regel in Richtung Inbetriebnahme) auf potentielle Genossenschaften zu.“ Wie gesagt, es fehle auch noch eine belastbare Wirtschaftlichkeitsprognose.




NRWZ-Redaktion Schramberg

Unter dem Label NRWZ-Redaktion beziehungsweise NRWZ-Redaktion Schramberg veröffentlichen wir Beiträge aus der Feder eines der Redakteure der NRWZ. Sie sind von allgemeiner, nachrichtlicher Natur und keine Autorenbeiträge im eigentlichen Sinne. Die Redaktion erreichen Sie unter redaktion@NRWZ.de beziehungsweise schramberg@NRWZ.de

Schreiben Sie einen Kommentar




Back to top button
Share via