Beim „Tag des offenen Denkmals“ standen sie jüngst im Blickfeld. Das ganze Jahr über kann man sich mit Monumenten, die Geschichte zwischen Schramberg, Wellendingen, Sulz und Deißlingen besonders erfahrbar machen, anhand der Denkmaltopografie des Landkreises Rottweil befassen: ein Werk, das die Schätze der Region erstrahlen lässt.
Was für ein Kaliber! Über fünf Kilo bringen sie auf die Waage, die beiden großformatigen Bände mit insgesamt 1900 Seiten. Und noch viel mehr meist farbigen Abbildungen und Plänen. Wenn man anfängt, darin zu blättern und lesen, besteht akute Gefahr, dass man die Prachtbände nicht so schnell wieder zur Seite legt.
Denn es tut sich ein riesiger Reichtum auf an Spuren der Geschichte. An Bauten und Objekten, mittels derer sich ablesen lässt, wie die Menschen zwischen Albtrauf und Ostschwarzwald seit Jahrtausenden gelebt haben. Wie sie arbeiteten, worunter sie litten, woran sie glaubten und sich erfreuten.
Die spröde Bezeichnung „Denkmaltopografie“ zeigt das kaum an. Sie verweist aber auf die Grundidee: Nämlich Kulturdenkmale deutschlandweit systematisch zu erfassen und zu dokumentieren. Die erschienen Rottweiler Bände fügen sich ein in eine Reihe, die 1981 und 1982 in Hessen und Niedersachsen begann. Trotz dieses Abstandes hat die hiesige Denkmaltopografie auch ein Pionierrolle. Denn erstmals in Baden-Württemberg stellt sie den Bestand eines gesamten Landkreises flächendeckend dar.
Das sind aktuell rund 3000 archäologische Denkmale sowie Bau- und Kunst-, Technik- und Kleindenkmale. Nackte Zahlen lassen jedoch kaum erahnen, was sich dahinter alles an Denkmalen sowie an weiteren Wissensbezügen Spannendes verbirgt. Das Spektrum reicht von einer altsteinzeitlichen Jagdbeute, die bei Deißlingen gefunden wurde und zeigt, dass vor 80000 Jahren hierzulange Mammut, Wildpferd und Rentier auf dem Speiseplan standen, bis nahe heran an die Gegenwart.
Man stößt auf wirklich Glanzvolles, wie den sieben Kilo schweren „Silberring von Trichtingen“ aus der Keltenzeit. Den zieren junge Stierköpfe, die so lebendig eingefangen sind, dass man meint, die Tiere sprängen gleich kraftstrotzend los. Man staunt über die Cleverness der Zimmerleute, die in Rottweil schon im Spätmittelalter riesige Dachstühle konstruierten, die seither ihren Dienst tun – Ausdruck eines Weitblicks und einer Nachhaltigkeit, von der man sich im Sinne von „denk‘ mal“ viel abschauen könnte. Und man ist elektrisiert von der kulturellen Blüte und Schönheit, die sich in Verbindung mit dem christlichen Glauben entfaltet hat, vom prachtvollen Gotteshaus bis zum liebevoll gepflegten Wegkreuz.
Dieses staunenswerte Panorama – das auch auf den ersten Blick Unscheinbares einschließt, wie etwa eine verrostete Splitterschutzzelle in Welschdorf, die im Zweiten Weltkrieg als Ein-Mann-Bunker diente – wird in Texten zum einzelnen Objekt präzise dargestellt. Und darüber hinaus in übergreifenden Beiträgen hervorragend eingeordnet.
In der Verknüpfung von beidem, Detailbeschreibung und Aufzeigen großer Linien und Zusammenhänge, liegt eine der Stärken dieses Mammut-Projekts. Die aussagekräftigen Fotos sind als weitere Qualität zu nennen, ebenso wie der Kenntnisreichtum der Autorinnen und Autoren.
Alles in allem ist diese Denkmaltopografie nicht nur ein wichtiges Nachschlagewerk, das für lange Zeit Gewicht und Gültigkeit haben wird. Es ist auch für die interessierte Öffentlichkeit eine großartige Einladung, die Schätze der Region näher oder auch erstmals kennen zu lernen. Und sich bewusst zu machen, was uns da anvertraut ist, was es gilt, verantwortungsvoll mit Leben zu füllen – und gut in die Zukunft zu führen.
Info: Die beiden Bände „Kulturdenkmale in Baden Württemberg – Landkreis Rottweil“ (ISBN: 978-3-7995-1173-5), sind im Thorbecke-Verlag erschienen und kosten zusammen 59 Euro. Zum Thema lohnt sich auch ein Blick auf die Website der Landesdenkmalpflege, die unter www.denkmalpflege-bw.de neben Infos auch digitale Publikationen sowie eine im Aufbau befindliche Karte der Kulturdenkmale lm Land bietet.