Umstritten: Freiflächen-PV-Anlage in Tennenbronn

Umweltbeirat und Investor werben für Projekt

Ein Investor plant auf einer Freifläche bei Tennenbronn eine große Photovoltaikanlage zu errichten. Dagegen hat sich der Tennenbronner Ortschaftsrat sehr deutlich ausgesprochen. Im Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) war das Ergebnis differenzierter: sechs Ausschussmitglieder haben die Anlage abgelehnt, drei aber dafür gestimmt. Wegen der seit Jahren miserablen Anzeige-Technik ist es der Presse und der Öffentlichkeit allerdings unmöglich, festzustellen, wer wie abgestimmt hat.

Schramberg. Das differenziertere Votum kam möglicherweise auch deshalb zustande, weil – anders als im Ortschaftsrat – auch eine Vertreterin der Investoren zu Wort kam. Außerdem verlas Oberbürgermeister-Stellvertreterin Tanja Witkowski eine Stellungnahme des Vorsitzenden des Umweltbeirats Dr. Josef Günter. Dieser hatte sich vehement für die Anlage ausgesprochen. Entscheiden wird am 8. Mai der Gemeinderat.

Zunächst hat Stadtplaner Joschka Joos im Ausschuss die rechtliche Situation dargelegt. Wegen der laufenden Regionalplanfortschreibung gibt es zwar eine Vielzahl von Anfrage, doch die potenziellen Investoren warteten erst einmal ab, so Joos. „Insgesamt liegen der Stadt Anfragen für eine Fläche von etwa 220 Hektar vor. Das entspricht einer Fläche von etwa 325 Fußballfeldern“, so Joos.

In Tennenbronn habe sich ein Investor trotz des noch nicht abgeschlossenen Regionalplanverfahrens gemeldet. Er möchte auf einem 13,5 Hektar großen Wiesengrundstück eine Freiflächen-PV-Anlage errichten. Die erforderlichen Planungskosten für die Änderung am Flächennutzungsplan (FNP) und einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan würde der Investor übernehmen, so Joos in seiner Vorlage.

Landwirte dagegen

Im Tennenbronner Ortschaftsrat habe sich ein Vertreter der Landwirte gemeldet und erklärt, die Fläche werde intensiv genutzt. Außerdem befindet sich laut Joos zwischen den beiden Flurstücken ein Lesesteinriegel, dieser sei ein geschütztes Biotop. Schließlich liege die Fläche in einer Wasserschutzzone 3.

Weil auch der Auerhahn-Wanderweg in der Nähe der geplanten Anlage liefe, fürchteten die Verantwortlichen der Touristikabteilung, die Anlage könne „zu einem Rückgang der Bepunktung führen“. Müssten die Zufahrtswege weiter verdichtet oder verbreitert werden, könne das zu weiterem deutlichen Punktabzug für den Premiumwanderweg führen, heißt es in einer Stellungnahme.

Klimaneutralität erfordert Windkraft- und PV-Anlagen

Dass Freiflächen-PV-Anklagen gebaut werden müssen, wenn Baden-Württemberg das Ziel Klimaneutralität erreichen will, sei unbestreitbar. Der Regionalverband habe sein Ziel 0,2 Prozent der Fläche für PV-Anlagen auszuweisen, bisher nicht erreicht. Die Tennenbronner Fläche sei bisher darin nicht enthalten, so Joos.

Er verwies aber auch auf die generelle Flächenproblematik. Die städtischen Flächen seien endlich. Man werde zunehmend Flächen auch für Ausgleichsmaßnahmen benötigen. Die Verwaltung plädiere daher insgesamt dafür, den Plan abzulehnen.

Ortschaftsrat Tennenbronn grundsätzlich dagegen

Tanja Witkowski, die die Sitzung für Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr leitete (diese war auf einer Fortbildung), erteilte Tennenbronns Ortsvorsteher Manfred Moosmann das Wort. Dieser berichtete von einer Ablehnung im Ortschaftsrat mit neun Stimmen, zwei hätten sich enthalten. „Die Landwirte brauchen diese Flächen“, so ein Hauptargument. Außerdem würde ein Präzedenzfall geschaffen. Man könne kaum an anderer Stelle eine Anlage ablehnen, wenn man diese nun genehmige.

Der Ortschaftsrat lehne grundsätzlich Photovoltaik-Freiflächenanlagen ab. Einen entsprechenden Beschluss müsse der Rat aber nochmals fassen, weil er nicht auf der Tagesordnung gestanden habe, so Moosmann.

Ortsvorsteher Manfred Moosmann. Foto: him

Umweltbeirat dafür

In der Verwaltung sei das Thema „kontrovers“ diskutiert worden, berichtete Witkowski. Der Vorsitzende des Umweltbeirats, Dr. Josef Günter, selbst Landwirt aus Tennenbronn, habe eine Stellungnahme verfasst. Schramberg werde seine Klimaschutzziele nicht erreichen, so Günter. 

Um wenigstens größere Schritte voran zu kommen, „werden wir nicht um die Freiflächen-PV herumkommen“. Dafür spreche auch, dass die Wertschöpfung in der Region bleibe, die Energieerzeugung dezentraler werde und die Energiepreise sinken. Die Landwirte hätten ein zusätzliches Einkommen und die Stadt zusätzliche Steuereinnahmen.

Günter weist auch auf die Möglichkeit hin, dass Bürger sich an der Anlage finanziell beteiligen können.

Eine pauschale Ablehnung wäre schädlich, weil Schramberg dann von zukünftigen Fördertöpfen ausgeschlossen würde, fürchtet er. Das Argument, Tennenbronn habe schon genug beigetragen mit den Windkraftanlagen, sei falsch. Es reiche „bei weitem nicht, was Schramberg zur Reduzierung von Treibhausgasen beigetragen hat“, so Günter. Er forderte, das Thema PV-Anlagen und die technischen Möglichkeiten müssten in allen Gremien noch ausführlicher bearbeitet werden.

Investor: Kein guter Boden

Anders als im Ortschaftsrat konnte im AUT auch eine Vertreterin der Investoren, der Energie-Kontor AG, als „sachkundige Bürgerin“ ihre Position darlegen. Cornelia Gottschling versicherte, der Grundeigentümer wolle verpachten. Die Fläche weise „niedrige Bodenwerte von 28 bis 32 auf“. Dieser Bodenwert oder Bodenzahl bestimmt, wie wertvoll ein Acker- oder Wiesenboden ist. Die besten Böden in der Magdeburger Börde werden mit 100 bewertet.

Fläche stark gedüngt

Laut Gottschling gibt es Städte, die schon ab einer Bodenzahl 50 PV-Freianlagen genehmigen. Die Tennenbronner Fläche werde „sehr stark genutzt“, also auch stark gedüngt. Das führe dazu, dass die Trinkwasserquelle des Eigentümer immer wieder mit Coli-Bakterien belastet werde. Für den Naturschutz wäre eine PV-Anlage daher von Vorteil, weil die Wiese extensiv genutzt würde, und sich Arten wieder ansiedeln könnten.

„Das Biotop würden wir aussparen“, so Gottschling. Zum Wald werde ein 30-Meter-Abstand eingehalten. Das Wasserschutzgebiet 3 sei „unproblematisch“, im Gegenteil, es würde die Düngung entfallen. Wenn die Wege verbreitert würden, dann mit Schotter und nach dem Aufbau der Anlage auch wieder zurückgebaut werden, versicherte sie.

Cornelia Gottschling, Projektkoordinatorin bei der EnergieKontor AG. Foto: him

Beim Auerhahnweg werde man bei einer Gesamtstrecke von elf Kilometern vielleicht auf 150 Metern die Anlage sehen können. Es sei auch möglich, den Rand das Anlage zu begrünen, sodass man möglicherweise gar nichts sieht.

Keine generelle Ablehnung

In der Diskussion erkundigte sich Jürgen Kaupp (CDU), was die anderen Investoren, die bei der Stadt angefragt hatten, unternähmen. Abwarten, so Joos. Anders als bei der Windkraft würden keine Vorrang-, sondern Vorbehaltsflächen ausgewiesen. Dafür seien weiterhin Änderungen im FNP und ein Bebauungsplan erforderlich. Auf Gemarkung Schramberg habe der Regionalverband keine Vorbehaltsflächen vorgesehen. „Es geht aber auch ohne.“

„Hin und hergerissen“ war Mirko Witkowski (SPD-Buntspecht). Die Klimaziele einzuhalten, gehe nur mit Windkraft und Photovoltaik. Andererseits habe er Verständnis für die Landwirtschaft, die wiederum die Fläche intensiv nutze. „Wir brauchen die Landwirtschaft für unsere Lebensmittel.“ Er fragte, ob es nicht andere Flächen für PV-Anlagen gebe.

Auf dieser Fläche würde die Anlage entstehen. Plan: Stadt

Moosmann erwiderte, die Äcker und Wiesen auf der Hochfläche seien für die Landwirte gut zu bewirtschaften. Andere Hangflächen seien für „PV nicht wirklich gut geeignet“.

Witkowski plädierte dafür, keine generelle Ablehnung von Freiflächen-PV-Anlagen zu beschließen, um entsprechende Möglichkeiten zu erhalten.

Dem pflichtete auch Kaupp bei: Man brauche eine Regelung, nach welchen Kriterien man zustimme, etwa über die Bodenwerte. Stadtplaner Joos versprach, die Verwaltung werde ein Papier mit Kriterien erarbeiten. Er verwies aber auch darauf, dass es viele öffentliche Gebäude und Parkplätze, aber auch Fassaden gebe, wo PV-Anlagen „weniger Probleme machen“.

 1,7 Millionen Euro in 30 Jahren für die Stadt

Oskar Rapp (Freie/Neue Liste) erkundigte sich nach den Abgaben, die die geplante Anlage der Stadt einbringe. Neben den 0,2 Cent je Kilowattstunde, die man überweisen werde, sei das auch die Gewerbesteuer, so Gottschling. Insgesamt habe man 1,7 Millionen Euro bei einer Laufzeit von 30 Jahren errechnet.

Guido Neudeck (SPD-Buntspecht) erinnerte daran, dass Freiflächenanlagen so gebaut werden können, dass die Flächen auch landwirtschaftlich nutzbar bleiben. Sie würden aber nicht intensiv genutzt, entgegnete Joos.

Am Ende gab es einen mehrheitlichen Empfehlungsbeschluss an den Gemeinderat, die Umsetzung des Vorhabens über einen Bebauungsplan und eine Änderung des Flächennutzungsplans abzulehnen.




Martin Himmelheber (him)

... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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