Hu-hu-hu und Halleluja
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Fasnet hat viel mit Halligalli zu tun. Aber auch mit Himmel. Der Verbindung von Narren und Spiritualität geht ein jüngst erschienenes, kluges und flott zu lesendes Büchlein nach.
Verfasst hat es eine ausgewiesene Kapazität in diesem Bereich: der unter anderem als Vizepräsident des Bundes Deutscher Karneval vielfach im fastnachtlich-kulturellen Feld profilierte Peter Krawietz.
In einem schlanken Band fächert der Mainzer Autor auf, was man im Rottweiler Heilig-Kreuz-Münster jederzeit sehen kann: Dass Fasnet und christlicher Glaube eng miteinander verwoben sind. Im Münster veranschaulicht das die Darstellung der „Narrenmutter“ an einer barocken Stuhlwange: Sie füttert ihr närrisches Kind – Symbol der nie endenden Narretei in der Welt.
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Krawietz bleibt freilich nicht an der Oberfläche von Bildern hängen. Er macht einen weiten Horizont auf und geht in die Tiefe. So weist er darauf hin, dass schon in den Psalmen von Narren die Rede ist, aber auch in für das Christentum zu zentralen Texten wie dem Korintherbrief. Dort heißt es vieldeutig: „Wir sind Narren um Christi willen“.
Angesprochen wird dabei wohl unter anderem eine bestimmte Art der Freiheit: Lange stand es nur Narren frei, den Mächtigen die Wahrheit zu sagen. Und diese sprichwörtliche „Narrenfreiheit“ ist letztlich eine zutiefst christliche Freiheit: die Freiheit der Kinder Gottes, wie die Bibel sie beschreibt.
Jesus hat unterdrückerische Machtstrukturen durchkreuzt. Auch Fröhlichkeit, Humor und die Rituale der Umkehr von Macht, wie sie vielerorts zur „fünften Jahreszeit“ gehören, lassen sich in einem tieferen Sinne daher als christlich verstehen.
Anschaulich zeigt Peter Krawietz die Verwurzelung der Fastnacht im Christentum insbesondere anhand der Anbindung an das Kirchenjahr. Dass die tollen Tage einen Freiraum vor dem Verzicht der Fastenzeit bieten, ist da nur ein Argument unter vielen.
Mit Freude liest man auch von humorvoll gereimten Predigten, die eine Alltagsebene mit dem Horizont von Endlichkeit und Ewigkeit verbinden. Oder den streng ritualisierten Abläufen, die sich Fastnacht und Karneval landauf, landab vom Formen-Vokabular der Kirche abgeschaut haben – ein Befund, den man auf die Rottweiler Fasnet unschwer übertragen kann.
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Schön an dem Band ist insbesondere, dass der Autor die Themen nicht allzu ehrfürchtig abhandelt. Krawietz schreibt enormen kenntnisreich, zugleich aber mit Herzblut, Schwung und einem launigen Unterton. Nicht zuletzt durch feine Heiterkeit, gelingt es ihm, spürbar zu machen, wie viel Glaube und Fasnet – sowie der mit ihr verbundene Umgang mit dem Leben – miteinander zu tun haben.
Schon die Distanz, die der Narr zu Alltag und Autoritäten einnimmt, dass er gesetzte Grenzen eben nicht für die letzte aller Weisheiten hält, lässt sich als spirituell verstehen – als Gespür dafür, das sich nicht alles im Hier und Jetzt erschöpft. Und zumindest in Rottweil ist eine „glückselige Fasnet“ für viele etwas ziemlich Himmlisches, schwingt im Hu-hu-hu auch ein Halleluja mit.
Info: Das Buch mit dem Titel „Spiritualität der Narren“ von Peter Krawietz ist im Echter-Verlag (Würzburg) erschienen (104 Seiten, ISBN 978-3-429-06739-7) und kostet 12,90 Euro.