Handwerk steckt in Rezession
Konjunkturumfrage zeigt, dass sich die Stimmung in den Betrieben im ersten Quartal 2025 verschlechtert. Umsätze gehen leicht zurück.

Schnell die richtigen Entscheidungen treffen. Das erwartet das Handwerk im Bezirk der Handwerkskammer Konstanz von den Koalitionsverhandlungen. Denn die Rezession ist nun auch in den Betrieben angekommen. Diese bewerten ihre Geschäftslage im ersten Quartal des Jahres 2025 negativer als noch zum Jahresbeginn 2024. Nur noch etwa die Hälfte (51 Prozent; Q1/2024: 61 Prozent) sieht ihre Geschäftslage als „gut“ an. Bei 40 Prozent (Q1/2024: 32 Prozent) hingegen war die Geschäftslage zum Jahresbeginn nur „befriedigend“.
„Das Handwerk ist mit mehr als einer Million Unternehmen für die Wirtschaft in allen Ecken unseres Landes ein stabilisierender Faktor“, sagt Werner Rottler, Präsident der Handwerkskammer Konstanz. „Damit sich das nicht ändert, brauchen wir die richtigen Reformen, um die Konjunktur anzukurbeln und keine teure Klientelpolitik“, richtet er sich an die kommende Regierung in Berlin.
Umsätze gehen zurück
In der aktuellen Konjunkturumfrage der Handwerkskammern in Baden-Württemberg, für die quartalsweise Betriebe aus jedem Kammerbezirk im Land befragt werden, spiegelt sich die wirtschaftliche Entwicklung des Handwerks im vergangenen Jahr wider. Landesweit verbuchten die Betriebe im Jahr 2024 einen Rückgang beim Brutto-Umsatz von 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Sie hatten insgesamt 118 Milliarden Euro erzielt und damit den größten Umsatzrückgang seit 2009.
Auch im Kammergebiet gehen die Umsätze leicht zurück. Im Vergleich zum ersten Jahresquartal 2024 berichten aktuell etwas mehr Betriebe (42 Prozent; Q1/2024: 35 Prozent) von rückläufigen Umsätzen. Von gestiegenen Umsätzen berichtet nur etwas mehr als jeder zehnte Betrieb (12 Prozent; Q1/2024: 13 Prozent). Von den Umsatzrückgängen am stärksten betroffen sind die Ausbau- (73 Prozent) und Bauhauptgewerbe (61 Prozent), sowie das Lebensmittelhandwerk (47 Prozent). Im Kfz-Gewerk stabilisierte sich die Lage: Fast jeder dritte Betrieb gab einen Anstieg der Umsätze an (29 Prozent; Q1/2024: 13 Prozent), die Hälfte sieht die Umsätze im Vergleich zum Vorjahresquartal unverändert (50 Prozent; Q1/2024: 27 Prozent).
Etwas rückläufig ist aktuell auch der Grad der Auslastung der betrieblichen Kapazitäten. So waren im Vorjahresquartal 53 Prozent der Betriebe zu über 80 Prozent ausgelastet. Aktuell liegt dieser Anteil bei 45 Prozent.
Konsumenten werden vorsichtiger
Die Daten zeigen, dass weiterhin besonders die Branchen, die stark mit der Industriekonjunktur und dem Wohnungsbau verbunden sind, mit spürbaren Umsatzeinbußen kämpfen. „Zusätzlich schränken die Kunden ihren Konsum ein und verändern ihr Kaufverhalten“, sagt Werner Rottler zu den Entwicklungen. „Das Nahrungsmittelhandwerk bekommt das schon zu spüren. Auch für Dienstleistungen sitzt das Geld nicht mehr so locker.“ Die Bevölkerung brauche Sicherheit, dass es nun bald wieder bergauf geht. Erst dann würden auch im privaten Bereich wieder notwendige Investitionen getätigt.
Bau lebt hauptsächlich von Sanierungen
Wegen der Krise in der Baubranche generieren Ausbau- und Bauhauptgewerbe den Umsatz derzeit hauptsächlich aus Modernisierungen und Sanierungen: 57 Prozent der Betriebe aus dem Bauhauptgewerbe und 73 Prozent aus dem Ausbaugewerbe. Dafür liegen die Umsätze mit Wohnungsneubau (Bau: 9 Prozent, Ausbau: 7 Prozent) und öffentlichem Bau (Bau: 17 Prozent, Ausbau: 0 Prozent) bei den befragten Betrieben auf einem sehr niedrigen Niveau.
Auf der Suche nach Fachkräften
Trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten können die meisten Betriebe ihre Mitarbeiter halten. Im ersten Jahresquartal gab es bei wenigen Betrieben einen Rückgang bei der Zahl der Mitarbeiter (18 Prozent; Q1/2024: 18 Prozent), etwas seltener einen Anstieg (8 Prozent; Q1/2024: 14 Prozent).
Rund 40 Prozent der Betriebe sind laut Umfrage allerdings auf der Suche nach geeigneten Fachkräften und würden in den kommenden zwölf Monaten offene Stellen besetzen. Dabei haben laut Umfrage alle von ihnen Probleme, geeignete Mitarbeiter zu finden. Die eine Hälfte kann nur mit erhöhtem Aufwand nach längerer Zeit neue Teammitglieder einstellen, die andere Hälfte sucht vergeblich.
Als Gründe nennen die betroffenen Unternehmen an erster Stelle, dass es keine geeigneten Bewerber gibt. Andere Gründe sind unzureichende Qualifikation und ein hoher Wettbewerb mit anderen Unternehmen. Dabei ist die Nachbesetzung bei vielen Betrieben notwendig: 60 Prozent geben bei der Umfrage an, dass bei ihnen mindestens ein Mitarbeiter in den kommenden fünf Jahren in Rente geht.
„Steuern und Abgaben senken“
Die Herausforderungen sind für die Betriebe vielfältig. Da reiht sich auch die hohe Steuer- und Abgabenlast ein, für die Kammerpräsident Werner Rottler eine Senkung fordert: „Die Sozialabgaben müssen wieder unter die magische 40-Prozent-Grenze gebracht werden. Außerdem müssen die Kleinstbetriebe als Personengesellschaften entlastet werden. Ein Anstieg der Einkommensteuer wäre für sie fatal, da diese für sie die Unternehmenssteuer ist. Diese Betriebe müssen aus ihrem Einkommen das Unternehmen am Laufen halten: investieren, Mitarbeiter bezahlen, Rücklagen bilden. Das hat nichts mit Reichtum zu tun. Nur durch sinkende Abgaben und Steuern erhält die junge Generation als zukünftiger Leistungsträger mehr Anreize, um unsere vielen Betriebe, die zur Übernahme anstehen, weiterzuführen“, so Rottler.
Positiver Blick nach vorne
Trotz allem zeigt sich im Handwerk eine optimistischere Stimmung als im Vorjahresquartal. Die Erwartungen an das zweite Geschäftsquartal sind etwas positiver als im Vorjahr. Aktuell gehen mit 44 Prozent etwas mehr Betriebe als im Vorjahresquartal (35 Prozent) von einer Verbesserung der Geschäftslage aus, mit 10 Prozent ähnlich viele Betriebe wie im Vorjahresquartal (12 Prozent) von einer Verschlechterung. Auch die Erwartungen an einen steigenden Umsatz verbessern sich minimal (46 Prozent; Q1/2024: 42 Prozent).
„Wir brauchen Veränderungen, die wirklich zukunftsweisend sind. Das erfordert Mut“, richtet sich Werner Rottler an die Koalitionspartner. „Der Koalitionsvertrag muss den Rahmen vorlegen, für die Abstimmung der Detailfragen sollten allerdings Vertreter der Wirtschaft mit am Tisch sitzen. Es wird nicht ausbleiben, auch unangenehme Entscheidungen zu treffen.“ Denn das Handwerk werde zwar kurzfristig von den geplanten Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung profitieren, doch der wachsende Schuldenberg sei ein ernstzunehmendes Problem.
Das sagt das Handwerk
„Wir merken, dass die Leute vorsichtiger werden. Die einen verlängern die Terminintervalle, andere verzichten aufs Färben. Die Barbershops machen uns zunehmend das Leben schwer, und auch die Kleinunternehmer, die keine Mehrwertsteuer berechnen müssen. Zudem wird die Bürokratie immer mehr, die Büroarbeit kostet zunehmend mehr Zeit und auch die Steuerlast ist erdrückend. Wir plädieren schon lange für einen Steuersatz von sieben Prozent, aber aus der Politik ist hier nichts zu hören. Im Gegenteil, die Auflagen werden höher, man benötigt Ersthelfer, Brandschutzhelfer und manches mehr. Kleine Betriebe mit wenigen Mitarbeitern können das kaum leisten. Und nur sieben bis acht Prozent der Betriebe in Deutschland bilden überhaupt aus. Woher sollen denn da die Fachkräfte kommen?“
Friseurmeister Angelo Sciammacca, Obermeister der Friseur-Innung Rottweil, Inhaber des Salons „Angelo“ in Villingendorf