Bündnis Rottweil bleibt bunt
Respektvoll miteinander streiten: Podiumsdiskussion im Badhaus
Respektvoll miteinander streiten: Das geht, auch wenn in letzter Zeit der Eindruck entstand, dass beim Thema Politik meist gleich die Fetzen fliegen. Am Freitagabend hatte das Bündnis „Rottweil bleibt bunt“ Vertreter von acht Parteien ins Badhaus eingeladen. Und der respektvolle Umgang gelang, auch dank der Moderation von Sarah Köhler, ganz hervorragend.
Zunächst stellten die Teilnehmer ihre Ziele vor, in Kurzform natürlich und alphabetisch nacheinander. Andreas Anton (FDP) stellte Freiheit und Toleranz in den Vordergrund, Marius Dettki (Volt) das vereinigte Europa, Verena Föttinger (ÖDP) die aus ihrer Sicht längst überschrittenen Grenzen des Wachstums. Für Carmen Jäger (CDU) sind es Wirtschaft und Soziales, für Andreas Ragoschke-Schumm (Grüne) Klima- und Ressourcenschutz, nachhaltiges Wirtschaften und Gemeinsinn, für Manfred Regele (Freie Wähler) pragmatische Lösungen und gesunder Menschenverstand, Mika Schmid (Linke) hingegen findet: „Auf den Klimaschutz wird gesch… Ich möchte auch in 50 Jahren noch hier leben“, und Mirko Witkowsi (SPD) stellte die soziale Gerechtigkeit in den Fokus.
Es folgten praktische Vorschläge: Ein Startkapital für junge Menschen, die keine reichen Eltern haben (Volt), ein Rentensystem, das durch Aktienfonds mitfinanziert wird (FDP), eine bessere Bezahlung unter anderem im Pflegeberuf (Grüne), öffentliche Aufträge nur für tarifgebundene Firmen (SPD), einen Mindestlohn von 15 Euro für jeden, finanziert durch höhere Steuern für Reiche (Linke), eine Änderung beim Bürgergeld, denn alle, die arbeiten können, sollten das auch tun (CDU), die finanzielle Unterstützung der Care-Arbeit (ÖDP), 2000 steuerfreie Euro und mehr Kinderfreundlichkeit – Manfred Regele lobte hier Verena Föttinger, die zehn Kinder hat und bekam dafür Protestrufe – und Mirko Witkowski wies darauf hin, dass die Ampel 80 Prozent ihres Koalitionsvertrags abgearbeitet hat.
Um die Einwanderung ging es dann, ein Beispiel brachte Andreas Ragoschke-Schumm: So habe die Spaichinger Sozialstation potenzielle Mitarbeiter in der Türkei, für die man auch bereits Ausbildungsplätze gefunden hatte. Dass die Menschen doch nicht kommen können, liege daran, dass sie keine Visa bekamen. Verena Föttinger wies darauf hin, dass deutsche Produkte die Märkte in ärmeren Ländern vernichteten – „wir müssen die Fluchtursachen lösen“, und Marius Dettki plädierte dafür, die Menschenrechte in Europa hochzuhalten. „Wir dürfen die Leute nicht jahrelang auf ihr Asyl warten lassen, die Integration in den Arbeitsmarkt muss schneller gehen, wir brauchen die Leute!“
Auch Carmen Jäger sah die Notwendigkeit von Einwanderung, immerhin hätten Einwanderer in der Nachkriegszeit Deutschland groß gemacht, aber man müsse trennen zwischen Asyl und Einwanderung in den Arbeitsmarkt. Würde man weniger Kriege führen, hätte man auch weniger Flüchtlinge, betonte Mika Schmid, und Andreas Ragoschke-Schumm wies darauf hin, dass der Klimawandel Menschen die Lebensgrundlage nimmt. „Wenn wir den bekämpfen, ist eine Fluchtursache weg.“ Qualifizierte Einwanderer müssten hierbleiben können, forderte Mirko Witkowski , und auch für Andreas Anton muss Deutschland mit Blick auf den demografischen Wandel Einwanderungsland sein.
Die Big Four der Herausforderungen seien ökologische, leitete Moderatorin Sarah Köhler das nächste Thema ein, und hier betonte Mika Schmid: „Wir müssen die grünen Energien weiter fördern, sonst geht es den Bach runter.“ Keiner mache so viel für Nachhaltigkeit wie die Landwirte, war die Erklärung von Manfred Regele, er plädierte für mehr Biogasanlagen, und Andreas Ragoschke-Schumm ging auf die Gäubahn ein, die ohne Alternative auf keinen Fall abgehängt werden dürfe. „Wir müssen raus aus der Energiewirtschaft, die CO₂ produziert.“ Ein gescheiter Energiemix helfe, meinte Carmen Jäger, und hier müsse auch jeder bei sich anfangen – sie selbst trage Secondhand-Kleidung. Mehr Förderung für E-Autos und raus aus der Schuldenbremse, um den kommenden Generationen keine vergammelte Infrastruktur zu hinterlassen, das wünscht sich Andreas Ragoschke-Schumm), keine Waffenlieferungen und Kürzungen bei den Milliardären Mika Schmid, doch letzteres wolle weder FDP noch CDU – dafür gab es Beifall. Carmen Jäger wies darauf hin, dass keine Waffen an die Ukraine auch bedeuteten, „dass es keine Ukraine mehr gibt.“ Die Besucher durften ihre Fragen auf Karten schreiben, die ausgesucht ans Podium gingen, so blieb das Abend beinahe im vorgesehenen Zeitrahmen.
Die Möglichkeit, den Kandidierenden Fragen zu stellen und miteinander zu diskutieren, wurde anschließend ausgiebig genutzt im beeindruckenden Rahmen des Badhauses, in dem sich einst die Mitarbeiter von Duttenhofers Munitionsfabrik den Pulverstaub von der Haut waschen konnten. Unterstützt wurde der Abend von der Betreiber-Familie, wie Moritz Weber-Jänichen betonte: „Wir wollen auch unseren Teil zur Demokratie und einem bunten Rottweil beitragen“, und so schenkte man dem Bündnis die Kosten für Saal, Technik und Getränke.