Schramberg (him) – Wegen des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine hat die Bundesregierung angekündigt, die Gaspipeline Nordstream 2 werde erst einmal nicht ans Netz gehen. Die Europäische Union kündigt scharfe Sanktionen gegenüber Russland und insbesondere der russischen Führung an.
Gleichzeit liefert Russland bisher etwa 55 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases. Klar ist, dass Russland den Gashahn zudrehen kann. Welche Folgen das für uns auch hier in Schramberg haben könnte, welche Alternativen es zum Erdgas gibt, und auf was sich die Verbraucher einstellen müssen, hat Stadtwerkeleiter Peter Kälble im Gespräch mit der NRWZ erläutert.
Energiepreise steigen
Kälble ist überzeugt, dass die Preise für Energie weiter steigen werden: Der Rohölpreis sei am Donnerstag erstmals seit acht Jahren wieder über die 100-Dollar-Marke je Barrel gkletterrt. Logisch:„ Wenn sich Erdgas und Erdöl verknappen, dann hat das im Weltmarkt Preissteigerungen zur Folge“. Diese Preissteigerungen werden sich auch bei uns auswirken.
Bis das in Schramberg bei den Verbrauchern ankomme, werde es aber dank der Einkaufspolitik der Stadtwerke noch dauern: „Wir streuen unser Risiko im Einkauf dadurch, dass wir zu verschiedenen Einkaufszeitpunkten Teilmengen einkaufen.“
Zunächst stabile Preise für Stadtwerkekunden
Das meiste Gas, das dieses Jahr in Schramberg in den Betrieben und Haushalten verbraucht werde, hätten die Stadtwerke bereits eingekauft – zu günstigeren Preisen.
Würden die Stadtwerke an der Börse spekulieren, könnten sie diese Mengen nun an der Börse teurer verkaufen. Zu Lasten der Kunden, die dann früher mit höheren Preisen rechnen müssten. „So schützen wir unsere treuen Bestandskunden davor, dass sich das momentan hohe Preisniveau vollständig im Endkundenpreis niederschlägt.“
Nach Alternativen Ausschau halten
Wenn wegen der Sanktionen die Lieferungen des Erdgases aus Russland sinken, sieht Kälble in diesem Frühjahr noch keine Probleme auf uns zukommen. „Spannend wird es im nächsten Winter.“ Deshalb müsse die Versorgungssicherheit von der Politik in Europa sehr ernst genommen werden.
Als Alternative sieht Kälble die Lieferung von Flüssiggas, das per Schiff aus den USA oder auch den arabischen Ländern nach Europa und Deutschland gelangen müsste. Allerdings gibt es in Deutschland bisher kein Gasterminal. Auch wäre das Flüssiggas erheblich teurer.
Andere Möglichkeiten wären der verstärkte Einsatz von Biogas und Wasserstoff. Kälble winkt ab: „Kurzfristig kann Wasserstoff bei einem unterstellten ‚Zudrehen‘ des russischen Gashahns zur Versorgungssicherheit im kommenden Winter nichts beitragen.“
Wasserstoff erst langfristig verfügbar
Das Bundeswirtschaftsministerium sehe zwar „Wasserstoff als einem Schlüsselelement der langfristig angelegten Energiewende“. Doch die Erzeugung von „grünem Wasserstoff“ mit Windstrom aus großen Offshore-Windkraftanlagen sei „heute noch nicht wirtschaftlich“. Bei dieser Technik wird Wasserstoff über die Elektrolyse von Wasser produziert. Die Regierung fördere die Entwicklung dieser Technik.
„Nichtsdestotrotz werden wir unseren Bedarf an grünem Wasserstoff nicht selbst decken können“, ist Kälble überzeugt. Deutschland werde auch in Zukunft den überwiegenden Teil des Wasserstoffs importieren müssen. „Die Option einer Beimischung von Wasserstoff in das bestehende Erdgasnetz halte ich für sinnvoll.“ Ein vollständiger Ersatz des russischen Erdgases durch Wasserstoff werde allerdings „nicht Jahre, eher Jahrzehnte“ dauern, so Stadtwerkechef Kälble.