Nach anderthalb Jahrzehnten, in denen es nur aufwärts ging, haben deutsche Unternehmen nun mit einer ernsthaften Konjunkturkrise zu kämpfen. Besonders im Automobilsektor, aber auch in der Bauwirtschaft klagen die Unternehmen über weniger Aufträge.
Schramberg. Die Gründe sind bekannt: Die Automanager haben den Trend zur E-Mobilität verschlafen, die Energiepreise sind nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gestiegen, China und die USA subventionieren ihre (Export-)industrie massiv, die marode Verkehrsinfrastruktur und die schleppende Digitalisierung werden zu Bremsschuhen.
Außerdem klagen die Unternehmen über hohe Steuern und Löhne und zu viel Bürokratie. Lange war der Arbeitsmarkt trotz des Abwärtstrends stabil. Doch nun melden immer mehr Unternehmen Kurzarbeit an, wie die Agentur für Arbeit aktuell berichtet.
Wie die großen Unternehmen in Schramberg mit der Flaute umgehen, haben wir bei den Geschäftsleitungen nachgefragt:
Kern-Liebers: Kurzarbeit ab November möglich
“Wir bauen Gleitzeitstunden ab“, so der Vorsitzende der Geschäftsleitung bei Kern-Liebers Dr. Erek Speckert. Das sei die Voraussetzung, um überhaupt Kurzarbeit anmelden zu können. Gegenwärtig sei der Auftragseingang aus der Automobilindustrie schwach. Allgemein stocke der Absatz – sowohl bei E-Autos als auch bei Verbrennern. „Davon bleiben wir als Automobilzulieferer nicht unberührt“, erklärt Speckert.
Sollte sich das nicht in den nächsten vier Wochen ändern, werde das Unternehmen voraussichtlich Kurzarbeit beantragen müssen. Der Überstundenabbau sei eine „vorbereitende Maßnahme, um überhaupt Kurzarbeit beantragen zu können“. Sollte der Auftragseingang sich wieder bessern, könne man auch darauf verzichten.
Mit Blick auf die schlechte Lage in der Industrie meint Speckert: „Im ersten Kalenderhalbjahr lief das Geschäft mit dem Verbrennermotor im Gegensatz zu der Elektromobilität überraschend positiv, auch in Schramberg. Leider hat sich auch dieses Geschäft mittlerweile stark abgekühlt.“
Wegen der Ferienzeit seien in einigen Bereichen bei Kern-Liebers Überstunden aufgebaut worden. Im Textilbereich habe man drei Wochen Werksferien gemacht, um die Flaute aufzufangen.
Schweizer Electronic: Kurzarbeit ab Oktober angekündigt
Der Leiterplattenghersteller Schweizer hat Kurzarbeit beantragt. Bisher war diese aber noch nicht aktiviert. Am Mittwoch allerdings gab es eine Information für die Belegschaft, so Unternehmenssprecherin Lisa Jeske: „Die Kurzarbeit ist mittlerweile genehmigt und die Planung der Einführung hat begonnen.“
Bei der Infoversammlung sei angekündigt worden, dass die Kurzarbeit im Oktober starten werde. „Die Kurzarbeit wird im gesamten Unternehmen für alle Mitarbeitenden eingeführt“, so Jeske.
Kurzarbeit bei MS Schramberg
Bei der Magnetfabrik MS Schramberg hatte die Geschäftsleitung „Anpassungen“ bei der Belegschaft angekündigt. Diese stehen – wie im Juli gemeldet – im Zusammenhang mit Verlagerungen in die USA und einem möglichen Zweigwerk in Südosteuropa.
Zur aktuellen Lage erklärt MS-Geschäftsführer Heimo Hübner, die konjunkturellen, wirtschaftlichen und speziell branchenbezogenen Rahmenbedingungen im Automotive-Bereich seien „nach wie vor sehr herausfordernd“.
Sein Unternehmen erwarte zum Teil „negative Verstärkungen durch die Situation, die bei den OEMs und Tier-1 gegenwärtig diskutiert werden“. OEMs sind die Hersteller selbst, Tier-1 Zulieferer von ganzen Komponenten wie Anlassern oder Scheibenwischern, die ihrerseits von Firmen wie MS-Schramberg (Tier-2) beliefert werden.
Zum Thema Kurzarbeit berichtet Hübner: „Kurzarbeit haben wir in den Bereichen der Produktion und produktionsnahen technischen Serviceeinheiten seit September, um den niedrigeren Kundenbedarfen Rechnung zu tragen.“
Auch die Pläne für die Fertigung in den USA gehen weiter, wie Hübner berichtet: “Unsere Aktivitäten hinsichtlich der Marktbearbeitung Amerika über eine eigene Gesellschaft mit Produktion vor Ort laufen nach Plan.“
Dasselbe gelte für die Aktivitäten in Ost- oder Südosteuropa für einen Produktionsstandort für kleine und mittelgroße Serienbedarfe. Bei solchen Produkten sei „eine automatisierte Fertigung nicht wirtschaftlich darstellbar“ und an eine manuelle Fertigung aus Kostengründen in Deutschland nicht zu denken.
Simon: Brückentage und Urlaub
Simon in Aichhalden denkt derzeit nicht an Kurzarbeit. Die Firma setze auf Brücken- und Urlaubstage, um die Nachfrageschwäche auszugleichen.
Trumpf Laser spart
Auch Schrambergs größter Arbeitgeber nennt das wirtschaftliche Umfeld „nach wie vor schwierig. Wir sehen bei der Auftragseingangslage noch keine Erholung.“ Silke Villinger, zuständig für die Presse, schreibt weiter: „Aktuell gibt es keine Pläne bei Trumpf Laser in Schramberg, auf Kurzarbeit zu setzen. Wir nutzen weiterhin den flexiblen Stundenabbau über ein sogenanntes Konjunkturkonto.“ Auch bei Sachkosten spare man weiter.
Bei Einstellungen sei ihr Unternehmen „sehr zurückhaltend“ und stelle nur dort, wo unbedingt notwendig ein. „Dort, wo möglich, nutzen wir die natürliche Fluktuation als Reaktion auf die aktuelle wirtschaftliche Lage“, so Villinger abschließend.
Glatthaar: Kritik an der Bundesregierung
Glatthaar Keller in Waldmössingen „ist aktuell nicht von Kurzarbeit betroffen und hat für dieses Jahr auch keine Kurzarbeit geplant“, teilt der kaufmännische Geschäftsführer Reiner Heinzelmann auf Nachfrage mit.
Allerdings befinde sich der Wohnungsbau weiterhin in einer schwierigen Lage. Die Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie im Wohnungsbau seien auf etwa 40 Prozent des Niveaus von 2022 gesunken. Ursache seien hohe Zinsen, reduzierte Förderungen und „ein Anstieg der Baukosten aufgrund völlig unnötiger Bauvorschriften“, wie Heinzelmann schreibt.
Glatthaar setze deshalb auf die Ausweitung bautechnischer Dienstleistungen und die „Erweiterung seines Produktportfolios mit den Geschäftsbereichen Tiefbau und Objektbau“.
Kritik übt Heinzelmann an der Bundesregierung, “die bisher zu keinem Zeitpunkt in der Lage war, der Wirtschaft Planungssicherheit, vor allem in der von Wohnungsnot geplagten Wohnungswirtschaft, zu geben“. Deshalb werde Glatthaar „alles daransetzen, in unseren neuen Geschäftsfeldern erfolgreich zu sein, damit wir auch das nächste Jahr von Kurzarbeit absehen können“.
hGears im Brambach behilft sich weiter mit Arbeitszeitverkürzung
Der Kleingetriebehersteller hGears fängt die Auftragsschwankungen auf dem E-Bike- und Heimwerkergerätemarkt mit einem Arbeitszeitmodell ab. Die Arbeitszeit ist seit April von 40 auf 35 Stunden reduziert. Es gibt deshalb dort aktuell keine Kurzarbeit.