„Didi di dada dumm“ zupfte Mark Finnern auf seiner Ukulele und fragte, welche Melodie das denn sei. Klar: „Zwickts mi, egal wohin“ von Wolfgang Ambros war das. Er sei heute „superexcided“, wahnsinnig aufgeregt, weil er in der Szene 64 den „Visionär Mickey McManus aus dem Silicon Valley“ begrüßen könne, so Finnern.
Schramberg. Der Vortrag sei Teil der Initiative „Make it in Schramberg“, und solle hiesigen Unternehmern Einblicke in globale Innovationstrends bieten und die Chance, diese in ihrem Firmen-Kontext anzuwenden. Finnern selbst hatte als Software-Spezialist jahrzehntelang in den USA gelebt und gearbeitet und war vor gut zwei Jahren in seine Heimatstadt Schramberg zurückgekehrt.
Kapazität
Mickey McManus gilt als ein Pionier in den Bereichen Strategie, Innovation, menschenzentriertes Design und Bildung. Er hat zahlreiche Bücher geschrieben, war an Universitäten und Instituten tätig. Beratungsunternehmen Boston Consulting Group ist er seit 2017 „Senior Advisor und Executive Coach“. Zuvor arbeitete er unter anderem beim Softwareunternehmen Autodesk.
Um einen solchen Redner nach Schramberg zu bekommen, habe er etwas bieten müssen, so Finnern schmunzelnd.Als Autonarr war Mickey begeistert von der Idee einer Isettafahrt durch die Stadt. Dank der schnellen Zusammenarbeit von Museumsleiterin Anneliese Müller, Isetta-Besitzer Siegfried Schäfer und Wirtschaftsförderer Ralf Heinzelmann wurde diese Idee rasch Realität. Dank der kurzen Wege im Städtle sei es gelungen, eine Fahrt in einer Isetta durch Schramberg zu organisieren. Ein Beispiel für „Make it in Schramberg“.
KI ist auch nur ein Mensch
Da McManus seinen Vortrag auf Englisch halten werde, würden dank KI seine Worte simultan auf der Leinwand eingeblendet. Auch Finnerns Einführung konnte man unten mitlesen. Zur großen Gaudi des Publikums produzierte die KI aber herrliche Unsinns-Sätze.
Als Finnern über einen Softwarespezialisten Ray Kurzweil sprach, konnte man auf der Leinwand lesen: „Ich kreuze im rechten Kreuz.“ Dadaistisch war auch diese Übersetzung: „Welche Videos ergeben einen ordentlichen Happen?“ Ein andermal versicherte Finnern angeblich „dass User Sex funktioniert“. (Warum das so war, verrate ich am Ende dieses Artikels.)
Mit Beispielen für Innovationen aus Schramberger Betrieben belegte er, dass auch hier immer wieder Unternehmen sich angepasst haben. Vom Emaille-Schilder-Schweizer zum Leiterplattenhersteller, vom Auto- und Motorradgetriebe zum E-Bike bei Herzog/hGears oder auch die Entwicklungen bei Carl Haas, die zu Trumpf-Laser führten.
Lego-Entchen
Mit einem Lego-Bausteinexperiment zeigten Finnern und McManus, wie rasch viele unterschiedliche Ideen entstehen können. Aus sieben Lego-Klötzchen bildeten sich unterschiedliche Entchen, wenn der Sitznachbar nur eine Veränderung am ursprünglichen Modell vornahm. „35 Leute haben 120 neue Versionen gebastelt“, resümierte McManus.
Finnern stellte den Gast aus Kalifornien vor als einen „Visionär aus dem Silicon Valley.“ Sie seien gute Freunde geworden, denn „er ist so crazy wie ich“.
McManus‘ Vortrag solle dazu einladen, „unsere Stärken durch eine neue Brille zu betrachten und Chancen zu entdecken“. Finnern dankte der Stadtverwaltung und der Wirtschaftsförderung der Stadt Schramberg für die Hilfe. Auch Tobias Hilgert von der Geschäftsführung der Simon Group in Aichhalden dankte er für die Unterstützung bei der Vorbereitung des Vortragsabends. Am 25. September lädt Simon zu einem Erfahrungsaustausch zur eigenen Simon GPT ein, kündigte Finnern an.
Mehr Transistoren als Reiskörner
McManus streifte kurz seinen beruflichen Werdegang, um dann über die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) und ihre Anwendung in der Wirtschaft zu sprechen. Er wies darauf hin, dass heute mehr Transistoren als Reiskörner weltweit produziert werden, um die Bedeutung der Datenverarbeitung zu verdeutlichen. (Ein einziger Superchip enthält 420 Milliarden Transistoren.)
Mit einem Beispiel aus dem Automobilbereich verdeutlichte er die Möglichkeiten der KI: Eine Halterung für den Sicherheitsgurt bestand aus mehr als einem halben Dutzend verschiedener Bleche, die verschraubt werden mussten. Mit Hilfe der KI konstruiert und additiv gefertigt war die neue Halterung 40 Prozent leichter und 20 Prozent fester als das Vorgängermodell.
Disruption
Man müsse überlegen, was in der Zukunft gebraucht werde – und von da zurückdenken. Wenn man an alten Konzepten festhalte, führe das zu strategischen Fehlern.
Die Disruption, so McManus, sei eine tiefgreifende Veränderung, die bisherige Geschäftsmodelle oder Technologien ersetze. Eine solche Disruption oder „Unterbrechung“ sei beispielweise der Sputnikschock für die USA gewesen. Plötzlich habe man sich nicht mehr auf seinem technologischen Vorsprung verlassen können „und keiner hatte es geahnt“. Das Ergebnis waren die Anstrengungen der Amerikaner, die in den Mondlandungen mündeten. Heute könne KI dabei helfen, auf eine Disruption zu reagieren.
An Hand einer Grafik demonstrierte McManus, wie sich verschiedene wissenschaftliche Bereiche erweitern und sich damit Überschneidungen ergeben, etwa bei Biologie und Ingenieurwesen. „Die synthetische Biologie wird zu einem Riesengeschäft werden“, prophezeite McManus.
Er forderte die Unternehmer auf, zu überlegen, worin für ihr Unternehmen der große Vorteil von KI liegen könnte. Dabei sollten sie darüber nachdenken, wie KI die Firma aber auch die Mitarbeiter verändert und ethische Fragen nicht außen vor lassen. „Woher kommen die Daten, darf ich sie verwenden?“ Ja, es stimme KI werde Jobs überflüssig machen. Aber es würden andere entstehen.
Zeichnen von Hand bleibt wichtig
In der anschließenden Diskussion ging es auch um Fragen von Wahrheit und Fälschung dank KI. Auf YouTube fänden sich sehr viele mit KI produzierte Filme. Er schaue dabei, wann sie entstanden sind. Vor 2023, also bevor GPT3 herausgekommen war, sei es noch schwer gewesen, falsche Videos zu generieren, berichtete Finnern. Auch McManus sah die Probleme von Deep Fakes und berichtete, es werde sehr viel daran geforscht, wie man KI-Lügen entlarven kann.
Ein anderer Fragesteller wollte wissen, was er seinen Kindern als Studium empfehlen solle. „Strategisches Denken, lernen, wie denken funktioniert“, riet McManus. „Spielen können, mit anderen improvisieren“, das seien Fähigkeiten, die man künftig brauchen werde. Und: „Doubt your own data“ – misstraue deinen eigenen Daten.
Ein weiterer Besucher berichtete, dass er bei jungen Leuten in der Konstruktion die Fähigkeit des drei-dimensionalen Denkens vermisse. Er selbst habe noch mit Tusche technisches Zeichnen gelernt. Die jungen Leute arbeiteten nur noch mit Zeichenprogrammen.
McManus pflichtete ihm bei: „Ich zeichne heute immer noch. Ich bin ein großer Befürworter des Zeichnens, es ist eine Methode, mit sich selbst zu kommunizieren.“
Es ist immer noch der Mensch
Der anspruchsvolle Vortrag mit vielen Fachbegriffen forderte die volle Konzentration der knapp 40 Besucherinnen und Besucher. McManus und Finnern hatten ein Google Meet Programm genutzt, das simultan seine Worte auf Deutsch wiedergab. Anders als zu Beginn bei Finnern, als die KI Dada-Texte produzierte, war die Englisch-Deutsch-Übersetzung meist zutreffend.
Finnern hatte auf Nachfrage der NRWZ die Erklärung: „Wir haben dem Programm vorgegeben, Englisch in Deutsch zu übersetzen. Wenn ich dann deutsch spreche, sucht das Programm nach einem englischen Wort, das so wie das deutsche klingt und übersetzt dieses dann ins Deutsche.“ Klar, dass da nur Quatsch rauskommt.
Seinen lebhaft beklatschten Vortrag beendete McManus mit der Aufforderung an seine Zuhörerinnen und Zuhörer mit der Aufforderung: „Stay hungry, stay foolish – bleiben Sie hungrig, bleiben Sie närrisch!“