SCHRAMBERG (him) – Harte Vorwürfe gehen hin und her: von Unterstellungen ist die Rede, von Erpressung. Betriebsrat und die Gewerkschaft IG-Metall auf der einen und die Geschäftsleitung von Kern-Liebers auf der anderen Seite sind auf Konfrontationskurs. Am Donnerstag fand eine Betriebsversammlung statt. Am Dienstag verteilte die IG-Metall dazu einen offenen Brief an die Geschäftsleitung
Worum geht es?
Am Standort Schramberg laufen die Geschäfte nicht so, wie sie sollten. Dafür macht die Gewerkschaft dem Management Vorwürfe: Die Fehlerquote verschlinge Millionen, die Personalpolitik sei verfehlt, „aus Sicht des Betriebsrats ist keine Strategie erkennbar“.
Der Vorsitzende der Geschäftsleitung Dr. Udo Schnell entgegnet im Gespräch mit der NRWZ, das Hauptproblem sei eine Zusatzvereinbarung im Tarifvertrag, wonach die Mitarbeiter entweder acht zusätzliche Urlaubstage nehmen können oder entsprechend mehr Geld verdienen. Dieses Tarifliche Zusatzgeld kurz „T-ZUG“ könne er aus mehreren Gründen nicht zahlen. Da die meisten Konkurrenten nicht tarifgebunden seien, sei Kern-Liebers bei höheren Löhnen im Nachteil und nicht konkurrenzfähig. Die acht Urlaubstage umzusetzen sei in der Produktion „extrem schwer“.
Verhandlungen gescheitert
Schnell hatte vor den Sommerferien die IG-Metall und den Betriebsrat zu einem Gespräch eingeladen, das dann Mitte September auch stattfand. In einem Aushang hatte Schnell anschließend die Belegschaft informiert. In diesem Aushang, so die IG-Metall, habe er „Standortverkleinerungspläne“ angekündigt. Am 25. September habe die Geschäftsführung die Betriebsratsmitglieder Stefan Steinbrückner, Josef Fuderer und Günter Remensperger darüber informiert, „dass die Geschäftsführung verschiedene Verlagerungsszenarien … ausarbeiten lässt.“
Außerdem habe Schnell eine Verkleinerung der Ausbildung und einen Stellenabbau im indirekten Bereich angekündigt, „sofern die Beschäftigten nicht bereit seien, auf das Tarifergebnis 19/20 im Volumen von jährlich zwei Millionen Euro zu verzichten.“ Schnell bestätigt, dass er „Verlagerungsszenarien“ in Auftrag gegeben habe, es gebe aber keine fertigen Papiere oder Pläne. “Es ist noch nichts entschieden.“
Schnell begründet dies mit der Weigerung der Gewerkschaft, über das Thema „T-ZUG“ überhaupt zu reden. Die Konsequenz sei, dass der Standort Schramberg im Laufe der Jahre sich verkleinern werde.
IG-Metall: Schon genug verzichtet
Laut Gewerkschaft hat die Belegschaft mit den zwei Stunden unbezahlter Mehrarbeit in den letzten beiden Jahren auf jeweils drei Millionen Euro verzichtet. Die Forderung, auf weitere vier Millionen verzichten zu sollen, stoße „auf Unverständnis und Ablehnung“. Schnells (angebliche) Ankündigung, wenn die Belegschaft nicht bereit sei, auf weitere vier Millionen zu verzichten, werde der Standort verkleinert, komme einer Erpressung gleich.
Für IG-Metall sind viele der Probleme bei Kern-Liebers hausgemacht. Die Fehlerkosten lägen schon seit mindestens fünf Jahren „auf einem völlig inakzeptablen hohen Niveau“, heißt es in dem Brief. Dieses schlechte Niveau koste den Betrieb jährlich bis zu sechs Millionen Euro.
Schnell widerspricht. Man habe zwar das Ziel, die Qualität zu verbessern, nicht erreicht, sei aber auf einem guten Weg. Die hohen Fehlerkosten lägen zum einen daran, dass in Schramberg sehr anspruchsvolle Produkte an- und hochliefen. „Ein langer Zeitraum, bis das läuft, ist da ganz normal.“ Außerdem sei die Hälfte der Fehlerkosten auf „geplante Fehler“ zurückzuführen, beispielsweise Abfall, der beim Stanzen entstehe.
In der Personalpolitik fordern die Gewerkschafter unter anderem, Mitarbeiter müssten besser motiviert werden. In der Produktion gäbe es viele Störungen und Produktionsausfälle, weil Fachpersonal fehle oder die Qualität der Halbfabrikate aus dem Ausland nicht stimme.
Schnell: Kritik überzogen und oft schlicht falsch
Weiter bemängeln die Betriebsräte, es fehle an klaren Verantwortlichkeiten: „Niemand will entscheiden, Probleme werden nur weitergeschoben und nicht gelöst.“ Diese Schilderungen seien wie vieles in dem offenen Brief „überzogen oder schlicht falsch“, entgegnet Schnell.
Im offenen Brief äußert die IG Metall die Vermutung, der Standort Schramberg „soll bewusst nur ein niedriges oder negatives EBIT (Bruttogewinn, Anm. d. Red.) erwirtschaften, um von der Belegschaft immer neue Opfer einfordern zu können“.
Das will Schnell nicht auf sich sitzen lassen und spricht von einer Unterstellung. Auch der Vorwurf der IG-Metall, die Geschäftsleitung von Kern-Liebers versuche „einen weiteren Griff in die Taschen der Belegschaft“, sei „unangemessen“. Er verstehe nicht, weshalb die IG-Metall das Thema T-ZUG insgesamt so hochstilisiere.
Zum Verlauf der Betriebsversammlung bei Schrambergs größtem Arbeitgeber berichten wir an anderer Stelle auf NRWZ.de