Bei der Hauptversammlung 2021 der Heckler und Koch AG hatten die beiden Vorstände Jens Bodo Koch und Björn Krönert und der Aufsichtsratsvorsitzende Rainer Runte einen umfangreichen Fragenkatalog zu beantworten. An die zwei Stunden brauchte das Trio, um die mehr als 160 Fragen und Unterfragen abzuarbeiten.
Am Ende der knapp vierstündigen virtuellen Versammlung stand ein Abstimmungsmarathon. Dabei ging es um eine – ausbleibende – Gewinnverteilung, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und eine nochmalige Abstimmung zu Beschlüssen der letztjährigen Aktionärsversammlung.
Erstaunlich: Bei den Aktionären gibt es eine Minderheit von gut 25 Prozent, die sich den Mehrheitsaktionären entgegen gestellt haben. Die „Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre“ halten allerdings nur eine Handvoll Aktien. Hat der frühere Hauptaktionär Andreas Heeschen womöglich doch noch die Kontrolle über ein größeres Aktienpaket?
„Voll auf Kurs“
Zunächst aber hatten Koch und Krönert über die Lage des Oberndorfer Waffenherstellers berichtet und sich dabei sehr optimistisch gezeigt. Das Jahr 2020 sei „das beste Geschäftsjahr seit langem“, gewesen, freute sich Koch. „Und auch 2021 sind wir voll auf Kurs.“ Man habe den Sanierungstartifvertrag beendet, der wöchentlich zweieinhalb Stunden unbezahlte Mehrarbeit vorsah, habe in die Modernisierung der Maschinen und Anlagen investiert und die Kapazität ausgebaut. Auch habe HK in neue Produkte investiert.
Der Umsatz sei 2020 um etwa 15 Prozent auf 275 Millionen Euro gestiegen. Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) habe fast 50 Millionen Euro betragen, gut 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Nach Steuern habe der Gewinn 13,5 Millionen Euro betragen. Kochs Fazit: „Heckler & Koch ist krisenfest und resilient aufgestellt.“ Er lobte die Belegschaft, die wesentlich an der Gesundung des Unternehmens beteiligt gewesen sei.
28 Millionen Euro investiert
Im Gegenzug zu den unbezahlten Mehrarbeitsstunden habe es keine Entlassungen gegeben. Den Sanierungstarifvertrag habe man nicht verlängert, auch weil es dafür „keine Zustimmung des Tarifpartners“, sprich der IG-Metall und des Betriebsrats, gegeben hätte. Im Gegenzug hätten die heute 914 Beschäftigten fast alle feste Stellen. Im Frühjahr habe das Unternehmen 2500 Euro den Beschäftigten als Prämien ausgezahlt, so Finanzvorstand Krönert. Nach etwa 28 Millionen Investitionen in den Maschinenpark sei die Ausstattung „state of the art“, versicherte Koch.
Er wies die Kritik an Waffenverkäufen an Südkorea, Indonesien und Südkorea zurück. Diese habe der Bundessicherheitsrat genehmigt. Eine andere Darstellung sei eine Verfälschung der Tatsachen: „Die Grüne-Länder-Strategie‘ steht.“ Er kritisierte in dem Zusammenhang, dass „Grüne“ Investmentpapiere Rüstungsunternehmen wie Tabakhersteller oder Atomkraftwerksbetreiber behandelten. Dabei seien Waffenhersteller für die Polizei und Sicherheitskräfte wichtig.
Sturmgewehrstreit und US-Boom
Im Zusammenhang mit der Sturmgewehrbeschaffung durch die Bundeswehr meinte Koch, sein Unternehmen habe „das technisch und wirtschaftlich beste Angebot“ abgegeben. Das Beschaffungsamt der Bundeswehr (BAAINBw) habe daher am 2. März 2021 geschrieben, die Bundeswehr wolle das HK-Gewehr beschaffen. Derzeit allerdings sei vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf noch eine zivilrechtliche Klage des unterlegenen Wettbewerbers, des Suhler Waffenherstellers Haenel, gegen den Bund anhängig.
Koch ging auch auf den US-Markt ein. Da sei HK sehr erfolgreich: „Unsere Produktion kommt kaum noch nach.“ Etwa ein Viertel des Umsatzes bei Pistolen mache HK mit den USA. Finanzchef Krönert ergänzte, Corona und der US-Präsidentschaftswahlkampf hätten den Umsatz in den USA „nach oben getrieben“.
Schließlich kündigte Koch an, man werde eine eigene Serviceabteilung aufbauen, die gebrauchte Gewehre modernisiere. Als Beispiele nannte er ein britisches Gewehr und das G 36 der Bundeswehr.
Immer noch hohe Schulden
In seinem Finanzbericht ging Krönert auch auf die Schuldenlage ein. Er berichtete, dass die Finanzschulden „auf etwa gleichem Niveau geblieben seien. Konkret nannte er in der Fragerunde die Zahlen: 2020 lagen die Schulden bei 242, 7 Millionen, derzeit bei gut 243 Millionen Euro. Es drohe keine Pleite, man sei auf Wachstumskurs, und die Schulden habe man weitgehend bei Großaktionären, versicherte Krönert.
Die Geschäftsentwicklung in diesem Jahr sei anhaltend gut, Krönert rechnet mit einem Ergebnis leicht über dem Vorjahr.
Grüne-Länder-Strategie bleibt
Bei der anschließenden Fragerunde ließ der Aufsichtsratsvorsitzende Runte die Vorstände zunächst die gut 100 Fragen der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantworten. Darin ging es um Rüstungsexporte in EU, NATO, NATO-assoziierte und andere Staaten. Nahezu alle EU-Staaten erhielten Waffen aus Oberndorf. Bei den NATO-Staaten macht die Türkei eine Ausnahme. Das Land sei „kein nachhaltiger Partner für Heckler und Koch“, so Koch.
Lizenzen habe das Unternehmen in den Jahren 20 und 21 nicht vergeben. Auch die National Rifle Association (NRA) in den USA habe keine Waffen oder Spenden erhalten. Allerdings schalte HK Anzeigen in Printmedien der mächtigen Waffenlobbyorganisation. Gefragt wie hoch der Marktanteil von HK am zivilen Waffenmarkt in den USA sei, schätzte Koch diesen auf ein Prozent.
Stellung nahm Koch zu Exporten nach Indien, Indonesien, Singapur und Südkorea. Alle seien von der Bundesregierung genehmigt. Diese Länder seien Bestandteil der Grüne-Länder-Strategie.
Kritische Fragen zu Waffen bei der französischen Fremdenlegion oder britischen Spezialkräften beantwortete Koch mit dem Hinweis, dass diese Teile der regulären Armeen seien. Ähnliches galt für Waffen für die umstrittene Frontex-Mission der Europäischen Union.
Keine Unterstützung für Opfer
Nach dem Mexiko-Massaker mit 42 ermordeten Studenten hatten HK-Kritiker einen Opferfonds vorgeschlagen, an dem die Oberndorfer Waffenhersteller sich beteiligen sollten. Eine solche Beteiligung sei „nicht vorgesehen“, erteilte Koch dieser Forderung eine Absage. Auch an eine Rüstungskonversion sei nicht gedacht.
Schließlich ging es um die Rolle des Firmen(mit)gründers Edmund Heckler im zweiten Weltkrieg. Dieser hatte in einer NS-Panzerfaustfabrik, der HASAG, mit vielen Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen als Werkleiter fungiert. Schon vor einer Veröffentlichung der Bild am Sonntag im vergangenen Jahr sei Edmund Hecklers Rolle bekannt gewesen, so Koch. Sein Unternehmen habe den Auftrag erteilt Edmund Hecklers und die gesamte Firmengeschichte zu untersuchen.
Edmund Heckler war „elementares Teil des NS-Regimes“
Klar sei, dass „Edmund Heckler Schuld auf sich geladen hat“. Er sei nicht nur Mitläufer, sondern „elementares Teil des NS-Regimes“ gewesen. In diesem Herbst wolle sein Unternehmen erste Ergebnisse der Untersuchung vorlegen und dann einen Historiker mit einer genaueren Studie beauftragen, die man dann auch veröffentlichen werde. Bisher sehe man keinen Anlass, den Namen des Unternehmens zu ändern, so Koch. „Das würde an den Verbrechen auch nichts ändern.“
Bei den Fragen der anderen Aktionäre ging es unter anderem um die Rolle des Aufsichtsratsmitglieds Nicolaus Bockland, dessen Lebenslauf und seine Beziehungen zum Hauptaktionär Nicolas Walewski. Kritische Fragen gab es auch zu seinen finanziellen Beziehungen nach Panama. Die seien rein privater Natur, hieß es.
Trotz Gewinn keine Dividende?
Und schließlich fragte ein Aktionär, weshalb es trotz Millionengewinnen nicht einmal die Mindestdividende gebe? Koch verwies in seiner Antwort auf den hohen Schuldenstand. Man habe sich gegenüber den Banken verpflichtet, von Dividenden grundsätzlich abzusehen. Auch könne man sich nicht erlauben, „dringend benötigte Mittel an die Aktionäre auszuschütten“.
Kritiker unzufrieden
Für die „Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre“ hat Jürgen Grässlin bereits auf die Versammlung reagiert. Er kritisiert, dass HK Waffen weiter „an Staaten, die wie Indien, Indonesien und Südkorea die selbstgesetzte Grüne-Länder-Strategie konterkarieren“, liefere.
Die Ablehnung einer Teilnahme an einem Opferfonds, zeige, dass die Firma „die massive Schuld am weltweiten Massenmorden mit H&K-Waffen“ ignoriere. „Dass sich die H&K-Führung stattdessen mit einer Art Fonds um Soldatinnen und Soldaten kümmern will, die zu Schaden gekommen sind, ist blanker Zynismus. Hier besteht die Gefahr, dass Täter zu Opfern verklärt und sogar finanziell unterstützt werden.“
Einen Lichtblick sieht Grässlin im Eingeständnis, „dass der spätere H&K-Firmenmitbegründer Edmund Heckler in der Zeit des Naziregimes schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen und den Tod zahlreicher Menschen im NS-Rüstungswerk HASAG hat“.