Diese Wohnung in Rottweil ist ein Traum – und ihr Angebot leider ein Fake

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Symbol-Stockfoto. Bildnachweis: fizkes

Der Wohnungsmarkt ist angespannt. Die Mieten klettern, die Mietkosten belasten, neben den steigenden Lebenshaltungskosten, immer mehr. Und wer gerade eine neue Wohnung sucht oder braucht, dessen Lage nutzen manche Vermieter eiskalt aus: Sie haben die Miete anlässlich der Neuvermietung gleich mal hochgeschraubt. Das ist an sich schon zum Heulen. Wenn dann noch Abzocker und Betrüger die Bühne betreten, wird es vollends unzumutbar. Ein Rottweiler Wohnungssuchender hat den Betrug rechtzeitig gerochen. Doch fast hätte die Hoffnung gesiegt.

(Rottweil). Stefan* ist 55 und steht am Beginn seines Trennungsjahres. Von der Frau über Monate weg hintergangen und betrogen – man könnte sagen, sie habe ihm Hörner aufgesetzt -, ist die Scheidung beschlossene Sache. Stefans Frau ist aus dem gemeinsamen Haus in Rottweil bereits ausgezogen, vorübergehend, zu den Eltern. Nun sucht Stefan eine schöne Wohnung, die er sich gut leisten kann. Zwei, drei Zimmer wären ideal. In Rottweil soll es sein, seinen Lebensmittelpunkt möchte der Gehörnte schon noch hier behalten. Die Zeit drängt, denn seine Frau macht, uneinsichtig, wie sie nun einmal ist, Druck.

Stefan durchforstet die Anzeigen. Die üblichen Online-Plattformen. Er stößt auf einige Inserate örtlicher Immobilienmakler und Privatpersonen. Stefan, Rottweiler seit Jahrzehnten, kennt die Namen, schreibt Mails und telefoniert. Doch der Mann hat Mühe, unterzukommen: Er besitzt einen Hund. Für viele schon ein Ausschlusskriterium. Da die Fellnase mit umziehen soll, sucht Stefan weiter.

Dann der Volltreffer: „Modernisierte Wohnung mit zwei Zimmern sowie Balkon und Einbauküche in Heerstraße 39, 78628 Rottweil“. So steht es über einer Anzeige einer der großen Immobilienplattformen. Die Anzeige erscheint zwischen all den anderen Angeboten der bekannten Rottweiler Makler. Sie sieht top-seriös aus. Und die Bilder erst: wie aus „Schöner Wohnen“. Alles fix fertig eingerichtet, im Schlafzimmer hängt ein Zweitfernseher. Eine Klimaanlage gibt es auch. Stefan ist hellauf begeistert.

Und dann erst der Preis: 537,00 Euro soll die Wohnung monatlich kosten. Das wären locker 200 Euro unter dem, was die Vermieterin verlangen kann. Kalt. Doch hier heißt es: „Die Nebenkosten und die Betriebskosten sind im Preis inbegriffen (Gas / Strom / Kabel / Internet / Parkplatz / Heizung / Müllentsorgung).“ Ganz klar: Das ist ein Angebot aus der Rubrik „Zu schön, um wahr zu sein.“ Und tatsächlich: Diese Anzeige – inzwischen nicht mehr online verfügbar – ist ein Fake, wie sich allmählich herausstellt. Aber der Reihe nach.

Stefan jedenfalls ist angefixt. Er macht sich auf in die Heerstraße. Und sieht ein in die Jahre gekommenes Mehrfamilienhaus:

Die Heerstraße 39 in Rottweil. Foto: gg

Okay, denkt sich der 55-Jährige, der äußere Schein kann doch trügen. Stefan sucht nach dem Namen der vermeintlichen Vermieterin an den Klingelschildern. Sabine T., heißt sie laut der Anzeige. Und laut den Mails, die inzwischen zwischen ihr und Stefan hin und her gegangen sind. Darin stehen die Details zum Verfahrensablauf bei Vermietung. Denn T. ist nicht vor Ort. Angeblich. Sie schreibt:

 

„Sie können die Wohnung für unbestimmte Zeit mieten, oder wenn Sie wollen, können Sie es auch für einen festen Zeitraum mieten. Die Wohnung ist voll möbliert, aber wenn sie wollen, können sie es unmöbliert mieten … und das auf unbestimmte Zeit.

Wie ich dir in meiner ersten E-Mail erzählt habe, bin ich gerade bei meiner Arbeit. Bevor ich Deutschland verlasse, hatte ich den geschäft mit AirBnb vorbereitet, damit meine anwesenheit nicht notwendig ist. Die schlüssel und alle benötigten papiere sind im besitz von AirBnb, bereit für die lieferung.

Sie haben 3 tage, um die wohnung zu überprüfen, bevor sie sie mieten. AirBnb wird die lieferung für die schlüssel und den Vertrag zu Ihnen starten ,aber zuerst müssen Sie den wert von 1 miete monat ( 537,00 Euro) + Kaution ( 1.300 Euro) einzuzahlen (gesamt ist 1.837,00 Euro) in das AirBnb konto.

Also, wenn du diesen geschäft machen möchtest, dann melde dich bitte bei der AirBnb.com Webseite an und schick mir bitte folgende infos: Vollständiger name und adresse, Lieferanschrift, Airbnb benutzername, Telefonnummer, Ausweis oder reisepass kopie.

Nachdem ich Ihre Daten erhalten, werde ich sie an AirBnb weiterleiten, und ich werde mit dem Auftrag fortfahren. Danach schickt dir Airbnb den Link zur Wohnung! Ich warte auf Ihre E-Mail mit den angeforderten Details.“

Aus einer Mail einer vermeintlichen Wohnungsvermieterin Sabine T.

 

Stefans Bauch meldet sich. Mit einer Ansage: „Das ist doch Bullshit!“ Warum ist da plötzlich der Privatwohnungsvermittler Airbnb mit von der Partie? Warum „Lieferanschrift“? Wie soll das gehen mit einem „Link zur Wohnung“? Denn an Haus Nummer 29 in der Heerstraße in Rottweil sind keine Zahlencodeschlösser angebracht – wie es Stefan, der mit Airbnb schon Urlaub gemacht hat, kennt. Und dass Airbnb Wohnungsschlüssel bunkert – ziemlich unvorstellbar. Die Vermieterin, die glaubt, dass ihre Anwesenheit nicht notwendig ist? Und die Bilder von der Wohnung: Ein wenig von der Umgebung müsste man durch die Fenster doch sehen können. Sind die nicht ein wenig zu stark aufgehellt?

Aber, na ja, geil wäre es schon, wenn das kein Fake wäre, denkt sich Stefan: Für einen supergünstigen Preis in eine schick möblierte Wohnung ziehen, weg von der Noch-Ehefrau, einen Neustart wagen, jetzt und gleich.

In Stefans Fall ist es ein befreundetes Paar, das ihm den letzten Funken Hoffnung nimmt. Eine Google-Suche ergibt nämlich, dass die Masche spätestens seit 2018 angewandt wird. Die Mails von den jeweiligen Anbieterinnen lesen sich fast immer identisch. Auch, wenn sie etwa in Englisch formuliert sind. Wobei dies die Ausgangssprache des Betrugs zu sein scheint, die Mail, die Stefan erhalten hat, liest sich wie eine mittelmäßige Übersetzung des Originals.

Es sind auch immer wieder Menschen auf die Masche hereingefallen, haben vorab Erstmiete und Kaution überwiesen – und von Airbnb natürlich nie einen Schlüssel erhalten.

Jüngst wird vor dieser Masche intensiv gewarnt. Wohnung dauerhaft mieten, Vermieter im Ausland: Da ist was faul„, hält etwa das Tech-Journal „Giga“ fest. Dort heißt es: „Betrüger stellen ihre angeblichen Traumwohnungen bei Portalen wie Immoscout, Immowelt und Co. vor. Dabei werden schöne Bilder und ein äußerst günstiger Mietpreis präsentiert. Es wird vorgegeben, dass man selbst im Ausland sitzt, nicht nach Deutschland kommen kann und die Vermittlung daher einfachheitshalber über Airbnb durchführen will. Den Mietvertrag, Schlüssel und alles, was sonst zur Wohnung gehört, soll man über das Portal erhalten. Das passiert aber erst, wenn man die erste Monatsmiete und die Kaution auf das angebliche Airbnb-Konto überweist. Das solltet ihr aber keinesfalls tun!“

Bereits seit 2020 warnt das Landeskriminalamt Niedersachsen: „Wohnungssuchende aufgepasst! Gefälschte Airbnb-Angebotsseiten im Umlauf“. Die Polizei hat die Masche damals schon detailliert dargestellt und erklärt, wie die Interessenten auch auf gefälschte Airbnb-Seiten gelockt werdem. Außerdem gibt es ein Update: „Inzwischen kontaktieren die Täter Wohnungssuchende und versenden Links zu gefälschten Seiten erst, wenn die Wohnungssuchenden sich mit persönlichen Daten zurückgemeldet haben.“

„Giga“ jedenfalls legt sich fest: „Überweist ihr das Geld, ist es weg. Ihr erhaltet keinen Schlüssel und die angebotenen Wohnungen gibt es in der Regel nicht.“

Auch der Unterkunftsmakler Airbnb hat hilfreiche Tipps veröffentlicht. Die zehn Hinweise auf ein Fake-Inserat sind demnach:

  • Die Unterkunft wird auf einer Plattform außerhalb der eigentlichen Airbnb-Seite beworben (z.B. Immobilienscout24 oder Kleinanzeigen). 
  • Die Unterkunft liegt z.B. in Deutschland, aber der Vermieter korrespondiert auf Englisch (oder fehlerhaftem Deutsch) und gibt an, dass er sich im Ausland befindet. 
  • Die Wohnung ist voll (und luxuriös) möbliert. Es können aber auch gerne eigene Möbel mitgebracht werden.
  • Die Flexibilität der Mietzeit wird betont dargestellt.
  • Die Unterkunft ist ungewöhnlich günstig und beinhaltet auch sämtliche Nebenkosten.
  • Die Korrespondenz läuft direkt über eine E-Mail-Adresse oder über Whatsapp. Manchmal auch mit gefakten Adressen.
  • Der Vermieter bittet den Mieter um seine persönlichen Daten, angeblich zur Weiterleitung an Airbnb.
  • Zur „Anbahnung des Geschäfts“ wird als Vorausleistung die Hinterlegung einer Kaution und ggf. der ersten Monatsmiete verlangt. Hierzu erhält der Mieter eine Rechnung von Airbnb und soll den Betrag überweisen.
  • Der Betrüger baut zeitlichen Druck auf, damit man sich das vermeintliche Schnäppchen nicht entgehen lassen soll.
  • Der Betrüger behauptet, dass sich nach Vertragsabschluss und Überweisung des Geldes ein Agent von Airbnb melden würde zur Übergabe von Wohnung und Schlüssel.

Wie Airbnb diese Merkmale einordnet, ist hier nachzulesen. Kurz: Vorsicht, denn „Gier macht blind.“

Dass das Problem der gefälschten Wohnungsinserate ein ganz aktuelles ist, zeigt eine just in diesen Tagen veröffentlichte Warnung der Verbraucherzentrale. „Wer auf der Suche nach einer neuen Wohnung ist, kommt an den einschlägigen Immobilienportalen kaum vorbei. Das nutzen auch Kriminelle aus, um mit gefälschten Anzeigen Kasse zu machen“, heißt es da. Welche Betrugsmaschen häufig vorkommen, woran man Fake-Anzeigen erkennen und wie man sich schützen kann, ist hier nachzulesen. Um erhitzte Schnäppchenjäger abzukühlen, heißt es dort einleitend: „Eine frisch renovierte 4-Zimmer-Wohnung in Top-Lage, inklusive Parkplatz, für unter 600 Euro. Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Ist es in den meisten Fällen leider auch. Hinter der vermeintlichen Traumimmobilie zum Schnäppchenpreis stecken häufig Betrüger.“

Natürlich ist der Betrug international. „Watchlist Internet“, ein Online-Portal aus Österreich, hat seinerseits Fälle aufgearbeitet. Dieser Artikel ist seit 2019 online. Die Masche bleibt aber aktuell, wie dieser Nachfolgebeitrag zeigt.

Was tun die Plattformen gegen die Fakes und Betrugsversuche? Gemeldete Anzeigen werden gelöscht. In Stefans Fall passierte das rasch. Das Rottweiler Inserat, das am 3. Oktober noch online war, ist am 4. verschwunden. Am 3. hatte Stefan es dem Support der Immobilienplattform gemeldet.

Jedoch gibt es nicht nur vermeintliche Sabine T.s im World Wide Web, die Mietinteressenten auszunehmen versuchen. Zwar nicht im Bereich des Betrugs, wohl aber im Bereich der Abzocke liegt ein Fall eines privaten Vermieters, der versucht, ein in die Jahre gekommenes Haus mit Gewerbeanteil und Sanierungsstau in der historischen Rottweiler Innenstadt zu vermieten. Die Miete, die nach Informationen der NRWZ bereits 2022 um rund 20 Prozent gegenüber den damaligen Mietern erhöht worden war, stieg im Zuge der Neuvermietung um weitere zehn Prozent. Aber anscheinend hat sich dieser Vermieter verkalkuliert, denn seine Wohnung steht seit Monaten leer.

Was also tun, um nicht auf Fakes und Vermieter hereinzufallen, die die Hand zu weit offenhalten? So wie Stefan auf den Bauch hören. Und auf Freunde. Zu gute Angebote ignorieren. Und auch, wenn sie dank der fälligen Provision mehr kosten**: Örtliche Makler verfügen tatsächlich über die von ihnen angebotene Wohnung.

*Name und Alter des Betroffenen sowie ein paar persönliche Details sind von der Redaktion erfunden, um die Person zu schützen. Der Rest ist wahr.

** Mittlerweile gilt bei Vermietungen das „Bestellerprinzip“. Derjenige, der den Makler beauftragt, bezahlt diesen. In der Regel ist das Vermieter. Demnach fallen hier nicht, wie zunächst berichtet, Mehrkosten für den Mieter an.

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Peter Arnegger (gg)
… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung. 2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ. Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.