SCHRAMBERG (him) – C 111 – bei dieser Buchstaben-Zahlenkombination steigt bei Oldtimer-Enthusiasten und Automobiltechnikfreaks der Puls. Das legendäre Mercedes-Benz-Modell aus den 70er Jahren mit einem Wankelmotor steht derzeit im Schramberger Auto- und Uhrenmuseum. Es ist die Glanznummer eine Sonderausstellung, die am kommenden Mittwoch in den Räumen des Museums in der H.A.U. eröffnet wird.
Nach Monaten des Zwangsstillstands tut sich im Auto- und Uhrenmuseum nämlich wieder etwas: Besucher kommen schon seit ein paar Wochen wieder, und die Museumsleute bereiten die neue Sonderausstellung vor.
Partner NSU-Wankel-Spider-Club
Für diese Ausstellung zum Wankelmotor hat sich Museumsleiter Harald Burger erneut mit dem NSU-Wankel-Spider Club zusammen getan. „So viel kompaktes Fachwissen, Dynamik und Lust erlebt man selten“, lobt Burger die Macher Ulrich Latus, Hartmut Jundt und Dieter Botzenhardt, die die Ausstellung konzipiert und die Ausstellungsstücke zusammen getragen haben.
Vor drei Jahren gab es vom Club organisiert eine Sonderausstellung zu NSU-Rennautos, nun also der Wankelmotor. Man habe sich überlegt, wie man die Ausstellung für das Schramberger Museum konzipieren wolle und sich vorgenommen, den „badisch-schwäbischen Erfindergeist“ zu dokumentieren. Der Erfinder Felix Wankel war in Heidelberg aufgewachsen und tat sich später mit den NSU-Ingenieuren aus Neckarsulm zusammen.
Neben den Motoren für die berühmten Autos wie eben den NSU-Spider oder später den Ro 80 gab es aber auch zahlreiche andere Bereiche, in denen die Motoren von Wankel eingebaut wurden – daher der Zusatz: „Zu Wasser, zu Lande und in der Luft“.
Ein Multitalent mit Macken
Ihnen gehe es darum, zu zeigen, was ein Wankelmotor alles leisten kann, so Latus. Der Ro 80 mit seinen technischen Macken habe für ein dauerhaft „schlechtes Image“ gesorgt, bedauert er. Dabei sei der Motor eigentlich „eine geniale Erfindung“ gewesen, wie Jundt ergänzt: Sehr leicht, weniger bewegliche Teile, sehr leistungsfähig. „Wenn wir mit unseren Autos fahren, staunen die Leute immer über die große Leistung bei wenig Gewicht“, erzählt Latus.
Erfunden hatte Wankel, der im Zweiten Weltkrieg schon als Ingenieur an der Motorenentwicklung für Flugzeuge beteiligt war, seinen „Drehkolbenmotor“ 1954. Zunächst entstanden Verdichter für ein Quickly-Moped im Jahr 1956, dann drei Prototypen eines Verbrennungsmotors. Weil sich dabei sehr viele Teile drehten, war diese Konstruktion sehr kompliziert, so Latus.
NSU-Ingenieure entwickelten weiter
Erst in Zusammenarbeit mit den NSU-Entwicklern entstand dann 1957 der eigentliche Wankelmotor, der richtigerweise eben auch „NSU-Wankelmotor“ heißt. Die Entwicklung sei im Vergleich zu heute sehr schnell gewesen. 1964 fuhr dann auch schon das erste serienmäßige Automobil der Welt mit Wankelmotor, der NSU-Wankel-Spider, der in der Ausstellung auch zu sehen sein wird. Im Auto- und Uhrenmuseum zu sehen ist natürlich auch der Ro 80 von 1967.
Die großen Nachteile des Wankelmotors kamen in den Folgejahren zu Tage: Es braucht ganz besondere Materialien und Techniken, den Drehkolben richtig dicht zu bekommen. Der Verbrauch ist etwa zehn Prozent höher als bei einem herkömmlichen Hubkolbenmotor und die Abgase sind ungünstiger als bei „normalen“ Motoren.
Damals hätten praktisch alle Autohersteller sich Wankellizenzen besorgt, erzählt Latus, aber bis auf ganz wenige Hersteller wie Mazda nie wirklich auf den Wankel gesetzt. „Es ist halt alles anders als beim Hubkolbenmotor.“ Deshalb gab es viele technische Probleme, und die Hersteller hätten eine komplett andere Fertigung aufbauen müssen.
Mitte der 70er Jahre kam der Ölpreisschock, der höhere Benzinverbrach wurde ein Thema. In den USA forderte die Regierung bessere Abgaswerte, die nur mit großem Aufwand zu erreichen gewesen wären.
Neben dem Auto gibt es viele andere Anwendungsmöglichkeiten
Neben NSU befasste sich auch Fichtel und Sachs mit dem Wankelmotor und entwickelte für zahlreiche Anwendungen kleine Motoren nach dem Wankelprinzip.
So blieben für den Wankelmotor Nischenbereiche – und auf die fokussieren sich die Ausstellungsmacher. „Da gibt es kuriose Dinge wie einen tragbaren Skilift“, erzählt Latus. Einen solchen hat er im Ostalbkreis gefunden: „Der lief noch bis vor fünf Jahren.“
In Australien haben die Wankelfans ein Wasserski-Schleppgerät mit dem ersten serienmäßigen Wankelmotor gefunden. Das war viel billiger als ein Motorboot – und deshalb den Motorbootherstellern ein Dorn im Auge. Sie setzten ein Verbot des Ski-Craft durch.
Innen- und Außenbordmotoren mit Wankelmotor gab es, eine leichte Tragkraftspritze für die Feuerwehr: „Statt vier Mann zum Tragen für eine Spritze mit VW-Motor reichen für diese zwei Feuerwehrleute“, weiß Jundt.
Für Segelflieger entwickelte man sehr leichte Motoren – und in ganz klein für Modellbauflugzeuge.
Rasenmäher bekamen einen Wankelmotor, ein Motorrad der Marke Hercules fuhr damit.
Eine Highspeed-Motorsäge mit einen 70-PS-Wankelmotor für den „Timbersport“ hat sich ein Wettkampfsäger fertigen lassen.
In den USA seien zahlreiche Motorschlitten mit Wankelmotoren ausgestattet worden, berichtet Latus. Audi baute vor etwa zehn Jahren in sein Versuchs-Elektroauto Audi A 1 e-tron einen Wankelmotor als Range-Extender ein.
Bei vielen dieser Anwendungen kann der Motor mit konstanter Drehzahl durchschnurren, erläutert Latus. Dann läuft er wesentlich besser, als wenn er wie im Auto immer wieder hoch und runter gefahren wird. Deshalb glauben Jundt und er auch nicht an ein Comeback des Wankelmotors im Auto.
In Cottbus arbeiten Ingenieure an Wankelmotoren, die mit allen möglichen Kraftstoffen, auch Wasserstoff betrieben werden können. Da der Wankelmotor einen etwa 30 Prozent höheren Wirkungsgrad als ein Kolbenmotor hat, wäre hier eine weitere Nische, etwa für Flugzeuge oder für Notstromaggregate.
Zurück ins Museum: Dieter Botzenhardt, der als junger Mann in Böblingen an der Entwicklung des damals revolutionären Mercedes-Benz C 111 in Böblingen beteiligt war, zwängt sich durch die Flügeltür hinter das Lenkrad. „Ich habe den damals zum TÜV in Böblingen gefahren“, erinnert er sich.
Der Konzern hat damals nur 17 Stück gebaut. Auf der Internationalen Automobilausstellung 1969 war der C 111 zu sehen. Geplant waren 500 Stück, doch 1971 entschied der Konzern: zu riskant. Das Abgasproblem und die Ölkrise bedeuteten dann das endgültige Aus. Botzenhardt zieht sich hoch und wundert sich: „Neue Autos haben doch einen ganz eigenen Geruch. Und der riecht genau wie damals.“
Info: Ausstellungsbeginn: 10. Juni. Wegen der Coronabestimmungen wird es keine offizielle Eröffnung geben. Voraussichtliche Dauer bis zum März 2021. Die Ausstellungsmacher hoffen, dass es im Laufe der Zeit möglichsein wird, mit besonderen Vorträgen oder auch Vorführungen weitere Akzente setzen zu können.
Die Öffnungszeiten des Museums sind täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr. Letzter Einlass ist eine Stunde vor Schließung.