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    Was steckt wirklich hinter dem Namen? / „Mohrenschild“ hängt bis heute

    Wie der „Mohren“ zu seinem Namen kam

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    Bei einem Spaziergang durch die Schramberger Innenstadt sticht neben dem imposanten Rathausbau aus dem Jahr 1913 das ehemalige Gasthaus und Hotel „zum Mohren“ mit seinen beiden kleinen Türmchen hervor. Weniger auffallend hingegen ist das Schild zur früheren Gaststätte aus der Zeit um 1900, das weit oben über die Hauptstraße ragt.

    Das markante Gebäude am Rathaus mit dem Namen „Mohren“. Foto dk

    Es zeigt einen Afrikaner so, wie sich die Europäer einen Afrikaner um 1900 eben vorgestellt haben: Breite Nase, dicke Lippen und natürlich dunkelhäutig. Das Hotel gibt es zwar seit mehr als einem halben Jahrhundert nicht mehr, doch hat sich die Bezeichnung „Mohren“ für das Gebäude erhalten.

    Auf einer Postkarte aus der Zeit nach 1913 ist das „Mohrenschild“ schon zu erkennen. (Stadtarchiv)

    Erstaunlicherweise heißt auch der Erhard-Junghans-Brunnen vor dem Gebäude im Volksmund bis heute „Mohrenbrunnen“, obwohl ihn die Bürgerschaft einst ausdrücklich für den Gründer der Uhrenfabrik gestiftet hatte.

    Der Erhard-Junghans-brunnen vor dem Rathaus. Foto: him

    Woher kommen die vielen „Mohren“?

    Doch woher kommt der Gasthausname „Mohren“ eigentlich? Und wieso gab es so viele Gasthäuser und Brauereien, die diesen Namen tragen oder besser trugen? Und was versteht oder besser verstand man unter einem „Mohr“?

    „Mohr“ ist eine heute nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung für Afrikaner. Sie lässt sich von den „Mauren“ ableiten, also den antiken und mittelalterlichen Bewohnern Nordafrikas mit muslimischem Glauben. Auf Altgriechisch bedeutet „mauros“ braun oder schwarz. Mit dem „Höllenmohr“ war im Mittelalter gar der Teufel selbst gemeint.

    Bedeutungswandel im Lauf der Jahrhunderte

    Nachdem anfänglich noch zwischen „schwarzem Mohr“ und „Mohr“ als „Maure“ unterschieden wurde, war der Begriff ab dem 16. Jahrhundert fast ausschließlich ein Synonym für Menschen mit dunkler oder schwarzer Hautfarbe. Mit dem Beginn der Kolonialzeit im 18. Jahrhundert wandelte sich der Begriff erneut. „Mohr“ bezeichnete dann die Menschen aus der „edlen, vorkolonialen Zeit“ in Afrika, während in den Kolonien die „primitiven N…“ hausten.

    Seit dem Ende des Kolonialismus in den 1960er Jahren gelten sowohl „Mohr“ als auch „Neger“ als rassistische und diskriminierende Begriffe. Man tilgte sie von Gebäuden, Straßen und Plätzen. Aber auch Produkte wurden umbenannt und hießen fortan Schaumküsse, beispielsweise. Der „Sarotti-Mohr“ verschwand erst 2004 von Schokoladeverpackungen, ihn ersetzte der „Sarotti-Magier“.

    „Der Platz an der Sonne“

    Dass so viele Gasthäuser in Deutschland „Zum Mohren“ hießen, hat sicherlich viel mit der deutschen Kolonialgeschichte zu tun – und damit mit dem deutschen Kaiserreich.
    Wie wir uns aus dem Geschichtsunterricht erinnern, bestand es seit 1871 und vereinigte die deutschen Landesteile in der „kleindeutschen Lösung“, also ohne Österreich, unter einem gemeinsamen Kaiser.

    Anders als die großen Seefahrernationen wie Großbritannien, Spanien, Portugal aber auch Frankreich und die Niederlande war das Deutsche Reich anfangs gar nicht auf Kolonien erpicht. Insbesondere der damalige Reichskanzler Otto von Bismarck war gegen den Kolonialismus eingestellt. Er fürchtete die finanzielle Belastung für das Reich und den Streit mit anderen Nationen.

    Doch als die anderen europäischen Staaten immer mehr Kolonien erwarben, wollte auch das deutsche Kaiserreich seinen “Platz an der Sonne“. Den erhielt es in den 1880er Jahren auch. Unter Bismarcks Kanzlerschaft übrigens.

    Es entstanden Kolonien in Kamerun, Deutsch-Südwestafrika, Deutsch- Ostafrika. Eine Inselwelt in Südostasien und sogar ein Stadtstaat in China, Tsingtau, wurden zu deutschen Kolonien.

    „Hagenbecks Völkerschau“

    Mit diesen Besitzungen stieg innerhalb der Bevölkerung das Interesse für diese „fremdländischen“ Bevölkerungsgruppen, die die Kolonisten auch regelmäßig nach Deutschland brachten und ausstellten: bei „Hagenbecks Völkerschauen“ beispielsweise. Der Begriff „Kolonialwarenhandlung“ hielt sich noch bis in die 1970er Jahre.

    Heue bewerten Historiker die Kolonialzeit sehr negativ. Die Europäer waren als Eroberer und angeblich „fortschrittlichere“ Völker in die Gebiete anderer Kulturen eingedrungen. Sie hatten diese ohne Rücksicht auf Verluste gnadenlos ausgebeutet und auch mit Völkermorden die ursprünglichen Bewohner aus ihren angestammten Siedlungsräumen vertrieben.

    Am schlimmsten für die Indigenen waren meist jedoch die Krankheiten, die die Kolonisatoren aus Europa eingeschleppt hatten und die große Teile der Bevölkerung hinwegrafften.

    Doch während der Kolonialzeit sahen die Menschen dies anders. Der Rassismus der damaligen Zeit sah die Kolonisierten bestenfalls als Menschen zweiter Klasse. Zugleich aber waren die Menschen von der Andersartigkeit der fremden Kulturen fasziniert.

    „Mohrenbegeisterung“

    Wenig verwunderlich also, dass wegen dieser Faszination im Zeitraum der deutschen Kolonialzeit von 1878 bis 1919 viele Gasthäuser oder Brauereien den Namen „Mohren“ annahmen und gleichzeitig einen „Mohr“ im Logo führten. Vielerorts haben sich die alten Namen sogar bis in die Gegenwart gehalten.

    Etwa die „Mohrenbrauerei“ in Dornbirn in Vorarlberg, die seit 1834 ihr Bier unter diesem Namen braut und ebenfalls einen „Mohr“ im Betriebslogo führt. Sie geht auf den Brauereigründer Josef Mohr zurück, der als Logo das Familienwappen übernommen hatte, das aus einer klischeehaften Darstellung des heiligen Mauritius bestand. Wegen seines Namens haben Künstler diesen Heiligen meist mit dunkler Hautfarbe dargestellt.

    Dieses Logo ersetzte die Brauerei im vergangenen Jahr und entfernte „schwulstige Lippen, stupsige Nase und den etwas gebeugten Halsansatz“ durch eine weniger klischeehaft anmutende Silhouette.

    Ein weiteres Beispiel von vielen ist die Wiener Kaffeerösterei Meinl. Sie änderte ihr Firmenlogo mit einem jungen „Mohr“ 2004 zunächst in rote Farbe und entfernte im Oktober 2021 diesen vollständig, um „dem Zeitgeist zu entsprechen“. Heute ist nur noch der Fez-Hut als Firmenlogo geblieben.

    Das frühere Logo von Meinl auf einer Kaffeedose. Foto: him

    …und in Schramberg?

    Kommen wir nun zur Frage, wie denn der Schramberger „Mohren“ zu seinem Namen kam. Die Geschichte dieses früheren Gasthauses am heutigen vorderen Rathausplatz lässt sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Erster bekannter Wirt war der Talvogt Sebastian Maurer (1718-1785). Als Talvogt vertrat er die Interessen der Bauern und Bürger im damaligen Schramberg gegenüber der adligen Herrschaft.

    Maurer war also ein Mann in herausgehobener Stellung im Flecken. Er heiratete am 28. April 1771 – und jetzt wird es spannend: Maria Felicitas von Mohr, die um 1732 geboren worden war.

    Maria Felizitas von Mohr

    Die Adelsfamilie „von Mohr“ lässt sich auf Hans Mohr zurückführen, der am 14. November 1572 einen kaiserlichen Adels- und Wappenbrief ausgestellt bekam. Georg Mohr wurde am 2. September 1602 gar in den Reichsadel aufgenommen. Beheimatet waren diese Adeligen bei Ansbach. Die genaue Herkunft von Maria Felizitas von Mohr ist nicht bekannt. Vermutlich entstammte sie eher dem niedrigen Adel und war für Maurer eine „gute Partie“. Die Ehe endete mit dem Tod Maurers im Jahr 1785. Maria Felizitas verstarb im Jahr 1800.

    Datenblatt aus dem Stadtarchiv

    In einem Datenblatt des Genealogen Alfons Haigis wird Sebastian Maurer als Wirt „zum weissen Pferd“ bezeichnet. Dabei handelte es sich wohl um das spätere Gasthaus Mohren, das seinen Namen wahrscheinlich erst in der nächsten Wirtsgeneration von der Tochter Maria Felizitas Maurer (1774-1841) und deren Mann Andreas Teufel (1773-1806) erhielt.

    Im Gedenken an die Mutter

    „Actum Schramberg den 19. July 1800. Felizitas von Mohr, des Sebastian Maurer Mohrenwirth nachgelaßene Wittib ist am 17ten vorigen Monats dahier verstorben, und hat nachstehend eheliche Kinder hinterlassen, als: 1. M. Anna Maurerin Eheweib des Xaver Morkle dahier. 2. Felizitas Morkle [durchgestrichen] Maurerin des Andreas Teufel Mohrenwirths Ehefrau […]“
    Eintrag aus dem Kirchenbuch zum Ehepaar Andreas Teufel und Maria Felizitas Maurer. Stadtarchiv

    Der Grund könnte gewesen sein, dass die Tochter ihrer Mutter ein ehrendes Andenken bewahren wollte, der Mutter, die schließlich eine geborene von Mohr war.
    In den Inventuren und Teilungen, in denen es um ihren Nachlass ging, werden der verstorbene Sebastian Maurer und Andreas Teufel bereits als „Mohrenwirte“ bezeichnet.

    Wechselvolle Geschichte

    Zwischendurch gehörte das Gasthaus ab 1780 Johannes Reuter, der es an Sebastian Kolbel verkaufte. Andreas Teufel, der die Tochter von Maria Felicitas von Mohr geheiratet hatte, übernahm es schließlich 1797 und führte den Betrieb bis zu seinem plötzlichen Tod 1806 in Wien fort. Danach war Franz Josef Reichert der Wirt des „Mohren“, bevor mit Benedikt Grüner fünf Generationen desselben Namens folgten.

    Der „Mohren“ war nicht nur ein bekanntes Speiselokal, sondern hatte auch einen Tanzsaal, in dem sich die Schramberger Jugend tummelte. Im Jahr 1906 haben die Besitzer das Gebäude aufgestockt und Ende der 20er Jahre nochmals umgebaut. Ein Hotel mit etwa 25 Betten entstand. Weiterhin betrieben die Wirte zeitweise eine Metzgerei, eine Bierbrauerei, einen Brennholzhandel und eine Landwirtschaft.

    Rino Andreotta auf einem „Filmplakat“ von Uwe Rettkowski. Foto: him

    Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm 1947 Wilhelm Grüner (1917-2004) das Hotel und verpachtete es in kurzen Zeitabständen an verschieden Gastronomen, von denen einer sogar aus Magdeburg stammte. 1960 endete die Zeit des Hotelbetriebes.

    Mit Rino Andreotta kam durch einen Vermittler aus München die erste italienische Eisdiele in die Schramberger Hauptstraße. In jüngster Zeit befand sich im Erdgeschoss des Gebäudes eine Filiale der Dresdner Bank und zuletzt der Commerzbank.

    Der Name bleibt, die Bedeutung wandelt sich

    Im Lauf der Geschichte des Hauses veränderte sich die Namensdeutung. Ursprünglich hatte die Familie das Wirtshaus sicher im Andenken an die Ahnin von Mohr so bezeichnet. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts aber rückte der koloniale Zusammenhang immer mehr in den Vordergrund und die eigentliche Namenspatronin geriet in Vergessenheit.

    Hotel-Logo aus den 50er Jahren. Foto:dk

    Selbst dem Wirt Wilhelm Grüner, der einen Text zur Geschichte des Gasthauses verfasste, waren die ältesten Wirte und der Name „von Mohr“ nicht bekannt.

    Es ist deshalb nicht überraschend, dass die Familie Grüner um 1900 das bis heute dort hängende Wirtshausschild anfertigen und anbringen ließ. Seine Darstellung eines „Mohren“ ist dem damaligen Zeitgeist geschuldet. Es ist übrigens das einzige noch erhaltene Wirtshausschild aus dieser Zeit in Schramberg.

    Wie man mit diesem Schild umgehen kann, wie in anderen Städten die Bürgerschaft reagiert hat und was aus Sicht eines Historikers angemessen wäre, darüber werden wir demnächst in einem zweiten Artikel berichten.

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    David Kuhner (dk)
    David Kuhner (dk)
    David Kuhner (*2002) geboren in Rottweil und aufgewachsen in Schramberg. Nach dem Abitur am Gymnasium Schramberg im Jahr 2020 absolvierte er ein FSJK im Stadtarchiv und Stadtmuseum Schramberg. Sein großes Interesse gilt der Lokalgeschichte seines Heimatortes Schramberg. Seit dem Wintersemester 2021/22 studiert er an der Eberhard Karls Universität Tübingen Geschichtswissenschaft im Hauptfach und katholische Theologie im Nebenfach.