Im Wald oberhalb der Falkensteiner Kapelle möchte der Waldbesitzer, die Familie Bissingen, einen Bestattungswald einrichten. In einem komplizierten Rechtsverhältnis zwischen Stadt und der Familie Bissingen bliebe die Stadt weiterhin Friedhofsträger. Der Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) hat mit deutlicher Mehrheit einen entsprechenden Empfehlungsbeschluss abgegeben.
Schramberg. In der Sitzung begrüßte Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr als Vertreter der Waldbesitzer Ferdinand von Bissingen und Christof Hilbert von der Güterverwaltung Graf von Bissingen. Bissingen stellte zunächst die Begrifflichkeiten klar: „Friedwald“ sei ein Markennamen, der Marktführer bei Bestattungen in Wäldern heiße so. Andere Namen seien Ruheforst oder Urnenbestattungswald.
Sein Unternehmen werde Franchisenehmer von „Waldruh“, einem Unternehmen, das von der Familie Bodman entwickelt und mit der Stadt Allensbach am Bodensee umgesetzt worden sei.
Verflochtenes Konzept
In diesem Konstrukt pachtet die Stadt das Gelände und engagiert die Firma als Verwaltungshelfer. „Wir als Verwaltungshelfer nehmen die Bestattungen vor.“ Die Angehörigen zahlen an die Stadt, die wiederum mit dem Verwaltungshelfer abrechnet.
Bissingen berichtet, es gehe um fünf Hektar Wald mit je 80 Bäumen. So habe man etwa 400 Bestattungsstätten. An diesen könnten jeweils zwölf Gräber angelegt werden. Er rechne mit etwa zwei Drittel Gemeinschaftsgräbern und einem Drittel Einzelruhestätten.
Alten Forstweg freigelegt
Für das Projekt habe die Untere Naturschutzbehörde die Fläche geprüft und teilweise Auflagen gemacht, so Hilbert von der Bissingschen Forstverwaltung. Für den Zugang zum Wald oberhalb der Kapelle habe man einen mehr als 100 Jahre bestehenden Forstweg genutzt, der „in den letzten Jahren überwachsen war“, weil er wegen neuer Techniken in der Forstwirtschaft nicht mehr benötigt worden sei.
Man habe lediglich den Oberboden weggenommen und eine Deckschicht aufgebracht, erläuterte Hilbert und reagierte damit auf einen Bericht in der NRWZ.
Auch die erforderlichen 13 Parkplätze seien „im Rohbau fertig und jetzt im Winterschlaf“, versicherte er. Als nächstes würde man die Bäume aussuchen und vermessen. Um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, würden noch vertrocknete Fichten gefällt.
Langer Vorlauf
Bissingen nannte als Eröffnungstermin das kommende Jahr. Seit 2018 habe man das Projekt diskutiert, 2022 die Baugenehmigung erhalten. „Jetzt müssen wir noch die Verträge mit der Stadt schließen.“ Die Stadt müsse dann noch die Friedhofssatzung ändern. Die Firma werde das Marketing beginnen und Personal suchen.
Bissingen betonte, aus christlicher Überzeugung gebe es bei „Waldruh“ keine anonymen Bestattungen. „Das ist eine Vereinbarung mit den Kirchen.“
Vergleichsweise günstig
Die Kosten für eine Familiengrabstätte bezifferte er auf etwa 8000 Euro, ein Einzelgrab an einem ausgewählten Baum werde 790 Euro kosten und ein Basisgrab knapp 600 Euro. Zudem werde Waldesruh kostenlose „Engelsgräber“ für Totgeburten anbieten. Insgesamt werde die Nutzungszeit 50 Jahre betragen.
Bissingen rechnete vor, dass die Stadt bei einem Anteil von acht Prozent der Einnahmen von etwa 2,4 Millionen knapp 200.000 Euro Einnahmen während der gesamten Zeit hätte.
Auf städtischen Friedhöfen gehen die Bäume aus
Der städtische Friedhofsfachmann Alexander Mönch berichtete, die Baumgräber auf den eigenen Friedhöfen seien inzwischen „ziemlich ausgelastet“. In Tennenbronn gebe es seit 2019 keine Familienbäume mehr.
Über den Waldruh-Friedhof hoffe er, auch Interessenten von auswärts anzusprechen. Die nächsten Bestattungswälder seien in Schenkenzell und Donaueschingen. Von den jährlich etwa 250 Bestattungen in Schramberg seien etwa 40 bis 50 Baumbestattungen.
„Waldruh“ biete die Möglichkeit, wieder Familiengräber anzubieten. Langfristig habe die Stadt die Chance die Friedhöfe zu reduzieren. Man müsse die Verträge so gestalten, dass „für die Stadt Geld herauskommt“.
Witkowski: Städtische Aufgabe
In der Diskussion erkundigte sich Jürgen Kaupp (CDU) nach den Ruhezeiten und der Anonymität. Bissingen betonte, die anonyme Bestattung sei in seinem Konzept nicht möglich. „Das ist so festgesetzt.“ Die Ruhezeit verkürze sich natürlich im Laufe der Jahre, die Gesamtzeit betrage 50 Jahre ab Eröffnung.
Grundsätzliche Kritik am Waldruh-Projekt kam von Mirko Witkowski (SPD-Buntspecht): Bestattungen seien aus Sicht seiner Fraktion eine kommunale Aufgabe, damit sollten Private kein Geld verdienen. Dass auf den städtischen Friedhöfen die Möglichkeiten ausgingen, hätte man ja vermeiden können.
Der Besuch im Wald bei der Kapelle sei nicht barrierefrei und der Wald wenig attraktiv. „Wir verlieren zehn Prozent unserer Bestattungen auf dem Friedhof. Dieser Effekt kann ja nicht wirklich gewünscht sein“, kritisierte Witkowski.
Die Stadt trage hohe Kosten und habe wenig Nutzen daraus. Er fragte nach der Pacht, die die Stadt zahlen müsse, wollte wissen, wie das mit den Parkplätzen entlang der Straßen sei. Schließlich interessierten ihn die Investitionen der Stadt und des Waldbesitzers.
Bissingen: Fragen schon beantwortet
Bissingen zeigte sich verwundert über die Fragen. Er habe doch gemeinsam mit seiner Frau die SPD-Buntspecht-Fraktion besucht und diese Fragen dort schon besprochen. Die Stadt habe bis auf die „Manpower“ in der Verwaltung bisher keine Kosten gehabt.
Die Gemeinde sei im Boot, weil sie die Hoheit behalten soll. Dank des Konzepts könne die Gemeinde Urnengräber anbieten, ohne selbst die ansonsten hohen Kosten aufbringen zu müssen. Seine Firma habe bisher knapp 120.000 Euro für Gutachten und den Wegebau ausgegeben. „Wir wollen von der Stadt nichts außer, dass die Finanzkasse die Einnahmen kassiert und abrechnet.“
Mönch ergänzte, auch auf städtischen Friedhofsflächen sei die Erreichbarkeit wegen der Topografie gelegentlich schwierig. Auch die in Schönbronn vorhandenen Baumgräber seien begrenzt.
Ihm gehe es darum, dass das Thema öffentlich behandelt werde, weil es „für die Öffentlichkeit wichtig ist“, erläuterte Witkowski, weshalb er im Rat nachgehakt hat. „Wir wollen nicht den Eindruck vermitteln, dass hinter verschlossenen Türen etwas beschlossen wird.“ Er fürchte nach wie vor, dass die Stadt zwar Einnahmen aus „Waldruh“ habe, aber an anderer Stelle verliere.
Eisenlohr: Mehr als eine „schwarze Null“
Da komme es eben auf die noch zu beschließenden Verträge an, „dass wir nicht ins Minus kommen“ , so Mönch. Auch OB Eisenlohr versprach, es soll „mehr als eine Schwarze null werden“. Es müsse aber auch für die Familie Bissingen „rentierlich“ sein.
Oskar Rapp (Freie Liste) fragte, ob für den zweiten Bauabschnitt zusätzliche Wege angelegt werden müssen und verwies auf das steile Gelände. Weiter wollte er wissen, was passiere, wenn ein Baum wegen des Klimawandels abstirbt.
Was passiert, wenn Bäume sterben?
Forstingenieur Hilbert antwortete, man habe den alten Weg um 60 Meter schon verlängert. In den Wald hinein werde es lediglich kleine Fußpfade geben. Der Klimawandel sei für alle Bestattungswälder ein Problem. „Wir haben wegen der Trockenheit seit 2019 ein Buchensterben sondergleichen.“
Im Wald bei der Kapelle habe man sehr alte und stabile Traubeneichen, Kiefern, Tannen, Fichte und Stechpalmen. So sei durch die Bewirtschaftung in den letzten Jahrzehnten ein „inhomogener Wald“ entstanden. „Ich denke, wir sind gut aufgestellt.“
Aber natürlich könne ein Baum absterben. Ob man dann den Stamm vier oder fünf Meter stehen lasse oder durch eine Neupflanzung oder einen Stein ersetze, sei noch offen.
Serpentinenweg kommt noch
Bissingen gab zu, dass der Hang bis zum Wald „recht steil“ sei. Deshalb werde ein Serpentinenweg angelegt. Der breite Weg sei aber für den Rettungsdienst notwendig. Oben im Wald werde ein Andachtsplatz mit einem Holzkreuz und Sitzgelegenheiten entstehen, sagte er zu.
Als nächste Schritte kündigte Eisenlohr den Beschluss im Gemeinderat an, dann müssten die Pläne öffentlich ausgelegt und die Verträge ausgehandelt werden.
Bei einer Enthaltung und zwei Nein-Stimmen empfahl der Ausschuss dem Gemeinderat die Waldruh-Pläne weiter zu verfolgen.