Vorsicht bei privater Vermisstensuche

Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

Zwischen Weihnachten und Neujahr hat eine Familie in Schramberg über Facebook nach einer 19-Jährigen gesucht. Zunächst erschien die Suche in einer kleineren Gruppe. Dann haben auch wir und die örtliche Tageszeitung den Fall aufgegriffen und ebenfalls auf ausdrücklichen Wunsch einer Schwester die Suchmeldung der Familie verbreitet.

Die Polizei war da bereits informiert, hatte sich aber nicht mit einer Öffentlichkeitsfahndung gemeldet. Vielmehr hatte man der Familie geraten, zunächst einmal abzuwarten. Das hatte den Beamten im Netz teilweise wütende Kritik eingebracht. Wenige Tage später war die 19-Jährige wieder aufgetaucht. Sie war bei ihrem Freund, einem älteren Mann und hatte sich geniert, ihre Familie zu informieren (wir haben berichtet.)

Für die Polizei im Polizeipräsidium Konstanz war die Geschichte Anlass, um auf Facebook davor zu warnen, eine private Vermisstensuche im Internet allzu schnell weiter zu verbreiten: „Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.“ Die Beamten schreiben an die Facebookgemeinde, berichten  allgemein über einen Fall  „aus einer Schwarzwaldgemeinde“ und verwenden das bei Facebook übliche Du.

Suchaufruf mit Bild und Namen

Die Familie habe eine private Suchmeldung mit vollem Namen, Foto und Infos der jungen Frau in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht. „Dort ist die Aufregung groß. Ohne Kenntnis der vollen Fakten und der Ermittlungsmaßnahmen wird der Polizei fälschlicherweise Untätigkeit vorgeworfen und die persönlichen Daten der Betroffenen weiterverbreitet.“

Was den Usern nicht bekannt war: Polizeibeamte hätten die 19-Jährige in einer anderen Gemeinde angetroffen und sei „zu keinem Zeitpunkt in Gefahr“. Ihre Abwesenheit beruhte auf ihrer eigenen Entscheidung.  Mittlerweile sei sie wieder zuhause. Darauf hätten bereits sehr frühzeitig die ausführlichen Nachforschungen der Polizei Schramberg hingedeutet, die die Beamten sehr zeitnah nach dem Erstatten der Vermisstenanzeige aufgenommen hätten. „Als Polizei nehmen wir jeden möglichen Vermisstenfall ernst“, so die Polizei in Konstanz.

Dann erläutern die Beamten, warum es nicht schlau sei, private Fahndungsaufrufe im Internet zu teilen und weiterzuverbreiten. Das Teilen privater Vermisstenaufrufe in den sozialen Netzwerken berge „einige Fallstricke, die unter Umständen für den helfenden Teiler, aber auch für den vermissten Menschen selber sehr problematisch werden können“.

Echt oder Fake?

Wenn man den Aufruf teile, wisse man nicht unbedingt, ob er echt oder ein Fake ist. „Diese Frage könnt ihr nicht beantworten. Es sei denn, ihr kennt die Umstände des Falls und die Geschichte hinter den vermissten Menschen.“ Im vorliegenden Fall hatte sich zwar die Schwester direkt an die Medien gewandt und die Daten weiter gegeben, ob damit aber die Vermisste einverstanden war?

Die Polizei warnt die Netzgemeinde: „Vielleicht fallt ihr auf einen Fake herein und verbreitet die persönlichen Daten eines Menschen, der entweder gar nicht vermisst wird, oder von dem es kein Einverständnis für die Veröffentlichung seines Fotos gibt.“

Das könne teuer werden,  wenn der vermeintlich Vermisste mit hohen finanziellen Regressforderungen unter Umständen vor Gericht zieht.

Ist der Mensch aktuell noch vermisst?

Auch diese Frage könnten diejenigen, die die Info teilen, nicht beantworten. „Vielleicht denken die Urheber einer privaten Suche noch daran, auf ihrer eigenen Seite das Auffinden zu vermelden.“ Sie informieren aber nicht unbedingt diejenigen, die den Aufruf weiter verbreitet haben. Man teile dann einen Beitrag, der vielleicht nicht mehr aktuell ist. Auf der eigenen Seite bleiben die persönlichen Daten des gar nicht mehr vermissten Menschen stehen, obwohl sie natürlich gelöscht werden müssten. Die NRWZ hatte tatsächlich erst durch Zufall erfahren, dass die 19-Jährige sich gemeldet hatte. Die Familie hatte trotz ausdrücklicher Zusage sich zu melden, dies schlicht vergessen.

Wo bleibt der Datenschutz?

Auch für den vermissten Menschen kann ein solcher Aufruf gravierende Folgen haben. „Ein einmal ins Internet gesetztes Foto oder Plakat mit Namen und persönlichen Angaben, ist nicht mehr aus der virtuellen Welt herauszuholen“, so de Polizei. „Das Internet vergisst nichts!“ Die NRWZ hat zwar die Facebookmitteilungen unmittelbar nach dem Wiederauftauchen der jungen Frau gelöscht. Doch wo diese sonst noch auftauchen, ist nicht in unserer Hand.

Das Verhalten eines junger Menschen, der vielleicht mal „ausgebüchst“  sei, bleibe so auch später nachlesbar. Zukünftige Arbeitgeber durchforsten möglicherweise die sozialen Medien vor einer Einstellung und versuchen, sich Informationen über ihren neuen Azubi oder Mitarbeiter zu besorgen. Zwar sei „Weglaufen“ nicht strafbar, aber es zeige zumindest, dass der junge Mensch irgendein Problem in seinem sozialen Umfeld hatte, weswegen er es verließ. „Ob man ihm oder ihr damit wirklich einen Gefallen tut“, fragen die  Polizisten zu Recht.

Polizeiliche Suchmeldungen sind sicher

Daher rät die Polizei zu Vorsicht beim Teilen von privaten Vermisstensuchen. Allerdings: „Das Teilen offizieller polizeilicher Vermisstenaufrufe ist hingegen ausdrücklich erwünscht.“

Die Polizei gehe äußerst behutsam und nur sehr selten tatsächlich mit einer öffentlichen Fahndung auf die Suche nach vermissten Menschen. „Vorher wird sorgsam abgewogen, ob die aufgezählten Nachteile einer Öffentlichkeitsfahndung hingenommen werden – eben weil die Gefahrenlage es erfordert.“

Immer sei bei solchen Aufrufen der Datenschutz gewahrt. „Darum setzen wir auch keine persönlichen Daten von Gesuchten direkt auf Facebook. Sie werden bei Suchmeldungen immer von hier aus auf das Fahndungsportal der Polizei BW weitergeleitet.“ Nur dort seien die persönlichen Daten und Fotos der gesuchten Menschen gespeichert. Sie werden unverzüglich von der Polizei gelöscht, sobald die Gefahr gebannt ist. Wenn man  eine polizeiliche Fahndung teile, habe man keine Probleme. Die Polizei  sorge ja dafür, dass die Daten gelöscht werden.

Mehr dazu  auf: https://fahndung.polizei-bw.de/

 

image_pdfPDF öffnenimage_printArtikel ausdrucken
Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.