Vergaberecht: Keine Teufelei der EU
Vortrag im Gemeinderat

Das Vergaberecht macht den Kommunen zu schaffen. Beim Don-Bosco-Kindergarten musste man die Fenster an einen Bieter vergeben, der das wirtschaftlich günstigste Angebot eingereicht hatte, dann aber schlechte Qualität lieferte und pleite ging. Zeitverlust ein Jahr, 450.000 Euro Mehrkosten. Bei der Sanierung des Gymnasiums sind die Ausschreibungen so komplex, dass kaum noch jemand durchblickt. Wie das Vergaberecht funktioniert – und weshalb es trotz aller Widrigkeiten wichtig ist und eingehalten werden muss, das hat jetzt Rechtsanwalt Alexander Wichmann, Professor für Wirtschafts- und Vertriebsrecht an der Hochschule Aschaffenburg, im Gemeinderat erläutert.
Schramberg. Der Verwaltungsausschuss hatte im November die Verwaltung beauftragt, einen externen Rechtsanwalt einzuladen, damit dieser über das Vergaberecht berichten möge.
Seit 1926 gibt es ein Vergaberecht in Deutschland, berichtete Wichmann. „Es ist also keine Teufelei der EU.“ Es soll für fairen und transparenten Wettbewerb sorgen und dafür, dass mit Steuergeldern sorgfältig umgegangen wird. Der „Königliche Hoflieferant“ konnte zu Kaisers Zeiten praktisch alles verlangen.
Offene Grenzen auch für die Wirtschaft
Die EU sei ein Friedensprojekt, Grenzen sollten fallen. Und damit auch für die Wirtschaft. Seit 1999 gibt es ein europäisches Vergaberecht. „Es soll Korruption und Vetternwirtschaft verhindern“, so Wichmann.
Für Bauvorhaben und für Dienstleistungen gebe es Wertgrenzen, die alle zwei Jahre angepasst werden. Beim Bau liegt die Grenze derzeit bei gut 5,5 Millionen Euro, bei Dienstleistungen wie Planungen und Gutachten bei 221.000 Euro. Über dieser Schwelle muss eine Kommune europaweit ausschreiben. Grundlage sei eine „seriöse Schätzung der Kosten zum Zeitpunkt der Vergabe“.
Schummeleien, wie Aufträge aufzusplitten oder zeitlich zu verzögern, seien verboten. Ausschreibungen müssen öffentlich erfolgen, örtliche Anbieter darf eine Kommune nicht bevorzugen. Wichtig: Fördermittelgeber wie Bund und Land verlangen, dass das Vergaberecht eingehalten wird. Ansonsten müssen Zuschüsse zurückgezahlt werden.

Viele Fallstricke
Ergeben sich im Laufe eines Projektes Änderungen, muss unter Umständen die Kommune neu ausschreiben. „Sie müssen also bei der Vergabe schon schauen, was könnte noch kommen“, riet Wichmann.
In der Diskussion beantwortete Wichmann eine Reihe von Fragen aus dem Rat.
Udo Neudeck (Freie/Neue Liste) erkundigte sich, wie man bei Unvorhergesehenem, etwa einem undichten Dach handeln müsse. Wenn der Schaden nicht erkennbar war und man „bei unmittelbarer Gefahr“ handeln müsse, könne man auch außerhalb des Vergaberechts vergeben.
Vergaberecht schnürt ein
Clemens Maurer (CDU) beklagte, das komplizierte Vergaberecht führe oft dazu, dass Projekte nicht voran gehen, weil die Kommunen nichts mehr vergeben. Die städtische Vergabestelle habe „nichts zur Beschleunigung beigetragen“, meinte er. Solche Stellen seien „zwingend erforderlich“, entgegnete Wichmann, „weil hier das Wissen gebündelt ist.“
Maurer wollte wissen, wie viele Verfahren denn jährlich angefochten würden. Wichmann schätzte, es seien etwa 1000 bundesweit. Das veranlasste Maurer zu der Bemerkung, man solle „mehr Risiko bei den Vergaben“ wagen. Einen solchen Rat werde er sicher nicht von einem Rechtsberater erhalten. Der sei nämlich im Schadensfall schadensersatzpflichtig, erwiderte Wichmann
„Schlüsselfertig“ wäre mittelstandsfeindlich
„Schlüsselfertig“ ausschreiben werde bislang von den Aufsichtsbehörden nicht erlaubt, bedauerte Thomas Brantner (CDU). Dieses Thema werde breit diskutiert, so Wichmann. Die Aufteilung in Lose solle auch dem Mittelstand die Chance geben, sich zu bewerben.
Jürgen Kaupp (CDU) erkundigte sich, wie hoch der Mehraufwand bei einer europaweiten Ausschreibung sei. Das sei gar nicht so gravierend. Der Hauptaufwand bei Ausschreibungen sei das Erstellen der der Leistungsverzeichnisse und der Verträge, sagte Wichmann. Das mache bis zu 70 Prozent aus – und sei sowohl für die europaweite wie für die interne Ausschreibung erforderlich.
Er gab aber zu, dass die „europaweiten Ausschreibungen nicht zu einem EU-weiten Wettbewerb geführt“ hätten. Die großen Baukonzerne haben ihre Niederlassungen gegründet.
Vergaberecht überfrachtet
Widmanns Fazit: Das Vergaberecht sei ursprünglich eine gute Idee gewesen. Die Politik wolle aber auch Wirtschaftspolitik damit machen, soziale und Umweltthemen lösen. Das mache alles komplizierter.
Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr und der Rat dankten Wichmann. Eisenlohr meinte, die Stadt werde bei etlichen ihrer Projekte Rechtsbeistand bei den Ausschreibungen brauchen.