Unechte Teilortswahl: bald Geschichte? +++ Verwaltungsausschuss einstimmig für Abschaffung

Ortschaftsräte in Waldmössingen und Tennenbronn

Das Trauerspiel mit der „unechten Teilortswahl“ könnte bald Geschichte sein. Wenn es nach den Ortschaftsräten von Waldmössingen und Tennenbronn geht, wird die Wahl 2024 die letzte gewesen sein, die nach diesem komplizierten und fehleranfälligen Verfahren in Schramberg stattgefunden hat. Sowohl in Waldmössingen als auch in Tennenbronn haben sich die Ortschaftsräte mit überzeugenden Mehrheiten für die Abschaffung ausgesprochen. Am Donnerstagabend berät der Verwaltungsausschuss, in zwei Wochen beschließt der Gemeinderat.

Schramberg. Update: Auch der Verwaltungsausschuss hat sich am Donnerstagabend einstimmig für die Abschaffung der unechten Teilortswahl ausgesprochen. Die Einführung von neuen Ortschaftsräten und Ortverwaltungen befürwortete lediglich Jürgen Reuter (Aktive Bürger). Thomas Koch (ÖDP) enthielt sich. Alle anderen Ausschussmitglieder lehnten es ab.

Zuvor hatte Fachbereichsleiter Christian Birkle noch einmal ausgiebig die rechtlichen Grundlagen und die Verfahren bei der „unechten Teilortswahl“ dargestellt. Eine Änderung könne der Gemeinderat durch Änderung der Hauptsatzung beschließen. Wenn die unechte Teilortswahl wegfalle, müsste der Rat die Zahl der Rätinnen und Räte von derzeit 25 auf entweder 22 oder 26 festlegen.

Prinzip der unechten Teilortswahl. Foto: him

Die Nachteile der unechten Teilortswahl seien „die hohe Komplexität“, die zu vielen verlorenen Stimmen führe. Vorteil sei, dass die Ortschaften eine garantierte Sitzzahl im Rat haben.

Neue Ortschaftsräte in Sulgen und der Talstadt – lieber nicht

Es sei auch möglich, neue Ortschaftsräte per Beschluss zur Hauptsatzung einzurichten. Wegen der damit verbundenen Kosten, aber auch, weil dadurch das „Kirchturmdenken“ befördert würde, lehne die Verwaltung dies ab, so Birkle.

Fachbereichsleiter Christian Birkle. Foto: him

Reuter erkundigte sich, wie die Ortschaftsräte in diesem Punkt entschieden hätten. Auch fragte er sich, ob sich die Ortschaftsräte in Waldmössingen und Tennenbronn nach dieser Argumentation nicht selbst auflösen sollten.

Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr entgegnete, die Verwaltung könne die Abstimmungsergebnisse nicht interpretieren. In Waldmössingen seien neun von zehn und in Tennenbronn seien alle gegen die neuen Ortschaftsräte gewesen.

Komplexes System. Foto: him

Tennenbronns Ortsvorsteher Manfred Moosmann, der für die Aufhebung der unechten Teilortswahl gestimmt hatte, erklärte, er werde das Thema Abschaffung der Ortschaftsrates „nicht jetzt und nicht vor der Wahl“ auf die Tagesordnung setzen. Die Ortsverwaltung und der Ortschaftsrat seien bei der Eingemeindung vertraglich festgelegt worden, damit die Bürger im Ort alles erledigen können. „Nur die Ortschaftsräte könnten sich selbst abschaffen“, so Moosmann.

Für die Beschlussempfehlung, die unechte Teilortswahl abzuschaffen, stimmten alle neun anwesenden Ausschussmitglieder. Für die Einrichtung neuer Ortschaftsräte in der Talstadt und in Sulgen votierte lediglich Reuter.

Unser ursprünglicher Bericht:

Die unechte Teilortswahl hatte man in Schramberg nach der Eingemeindung Waldmössingens eingeführt. Sie sollte dem Teilort eine bestimmte Anzahl von Sitzen im Gemeinderat der Stadt garantieren.

Als 2006 Tennenbronn dazu kam, wurde das Wahlrecht auf Tennenbronn ausgedehnt. Weil die Wählerinnen und Wähler aber ein sehr kompliziertes Wahlverfahren beachten müssen, kam es sowohl in Waldmössingen und Tennenbronn bei jeder Kommunalwahl zu extrem vielen „verlorenen“ Stimmen, weil Stimmzettel ungültig waren.

Widerstand in den Ortsteilen geschwunden

Deshalb gab es schon seit vielen Jahren Bestrebungen, die unechte Teilortswahl aufzugeben. Sie waren bisher immer am Widerstand der Ortschaftsräte gescheitert. Bisher waren für Waldmössingen zwei, für Tennenbronn vier und für das übrige Stadtgebiet 19 Sitze garantiert.

In immer weniger Kommunen im Land wird die unechte Teilortswahl noch angewandt. Foto: him

Nun aber scheint auch in Waldmössingen und Tennenbronn ein Umdenken eingesetzt zu haben. Die Verwaltung hat in einer Untersuchung des letzten Kommunalwahlergebnissen nämlich dargestellt, dass die Ortsteile mit einem einfachen Wahlrecht sogar mehr Vertreterinnen und Vertreter in den Rat hätten entsenden können, wenn nicht so viele Stimmen verloren gegangen wären.

Noch der frühere Gemeinderat hatte einen Antrag der damaligen Fraktion „Aktive Bürger“ angenommen, wonach die Verwaltung „Maßnahmen zur Abschaffung der unechten Teilortswahl“ vorlegen solle. Außerdem forderte die Fraktion, die Stadtverwaltung solle Vorschläge für die Einführung von Ortschaftsräten in Schramberg-Tal und Sulgen machen.

Das Auszählen der Stimmen war kompliziert und langwierig. Archiv-Fot: him

Keine weiteren Ortschaftsräte für die Talstadt und Sulgen

Während sich die Verwaltung für die Abschaffung der unechten Teilortswahl ausgesprochen hat, lehnt sie zusätzliche Ortschaftsräte ab. Zum einen würde das recht viel Geld kosten für jeweils eigene Ortsvorsteher und Ortschaftsräte. Die Stadt müsste zusätzliche Ortsverwaltungen aufbauen.

Wichtiger: Es bestünde „die Gefahr eines zunehmenden ‚Kirchturmdenkens‘“, heißt es in der Vorlage von Fachbereichsleiter Christian Birkle. Solche zusätzlichen Ortschaftsräte seien auch nicht nötig, denn: „Sowohl der Gemeinderat als auch die Oberbürgermeisterin sind für die Gesamtstadt mit allen Stadt- und Ortsteilen tätig und ihrem Wohl verpflichtet.“

Wenn der Gemeinderat am 20. Februar zustimmt, wird ab 2029 in Schramberg einfach gewählt. Foto: him

Die Ortschaftsräte in Waldmössingen und Tennenbronn sahen das genauso und lehnten die zusätzlichen Ortschaftsräte einmütig ab. Für die Abschaffung der unechten Teilortswahl votierten in Waldmössingen neun Ortschaftsräte, einer war dagegen. In Tennenbronn war das Verhältnis sieben zu drei. Sollte der Gemeinderat diesen Voten folgen, wird zur nächsten Kommunalwahl 2029 das einfache Wahlrecht angewendet.




Martin Himmelheber (him)

... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.



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