Schramberg. Eine Eisenkette liegt um den Metallpfahl geschlungen. Ein Knopfdruck und der Hydraulikarm am Fahrzeug der Straßenmeisterei zieht den Pfahl samt Betonsockel und Schild aus dem weichen Boden. Am Stadteingang von Schramberg endet ein Jahrzehnt dauerndes Missverständnis: die Umweltzone.
Nach jahrelangen Debatten wegen der angeblich notwendigen Luftreinhaltung in Schramberg hatte das Land verfügt, dass zum 1. Januar 2013 ganz Schramberg zur Umweltzone werde. Ursache waren erhöhte Stickoxidwerte an einer Messtation an der Oberndorfer Straße.
An dieser engen Stelle gab es eine Übersteigung des Grenzwertes. Statt zulässiger 40 Mikrogramm wurden hier 52 Mikrogramm gemessen. In den meisten anderen Teilen der Stadt allerdings war und ist die Luftqualität auf Luftkurortniveau.
Widerstand gegen die Umweltzone
Deshalb gab es massiven Widerstand gegen die Umweltzone. Die Industrie- und Handelskammer fürchtete Nachteile für die Betriebe. Die Fremdenverkehrsleute sahen einen abschreckenden Effekt. Die Stadt hatte sogar eine Petition gegen die Umweltzone im Landtag eingebracht. Der Petitionsausschuss besuchte Schramberg am 17. Januar 2013. Alles vergebens.
Am 1. Juli errichteten Mitarbeiter der Straßenmeisterei entlang der Einfallstraßen die Schilder mit dem Umweltzonensymbol. Anfangs waren auch noch Fahrzeuge mit der gelben Plakette erlaubt, ab Frühjahr 2015 durften nur noch Autos mit grüner Plakette nach Schramberg einfahren.
Eine zweite Maßnahme, um die Luftqualität zu verbessern, war Tempo 30 auf der Oberndorfer Straße zwischen Paradiesplatz und H.A.U. Auch dagegen gab es Protest und Widerstand. Doch inzwischen haben sich die meisten daran gewöhnt – und die Anwohner finden es überwiegend positiv. Der Lärm ist weniger geworden und Fußgänger können weniger gefährdet die Straße überqueren. Auch das Einfahren aus den Nebenstraßen ist leichter. Deshalb möchte die Stadt Tempo 30 hier beibehalten.
Ursache für Stickoxidrückgang unklar
Die Senkung der Stickstoffdioxidbelastung, ist bald eingetreten. Schon im Jahr 2016 war der Grenzwert 40 Mikrogramm erreicht. Ob es an der Umweltzone lag? Möglich.
Wahrscheinlicher aber ist, dass die allgemeine Flottenmodernisierung der LKWs die Ursache war. Denn nicht nur in Schramberg, sondern überall sanken die Belastungen. Und die LKWs sind für 80 Prozent des Stickstoffdioxids verantwortlich.
Balingen als Vorbild
Im Jahr 2020 kam die Entscheidung, in Balingen die Umweltzone aufzuheben, weil auch dort schon seit Jahren die Grenzwerte deutlich unterschritten wurden. Im August 2020 wandte sich die Stadt ans Regierungspräsidium, man möge doch „die belastenden Einschränkungen“ auch in Schramberg aufheben.
Im Februar 2021 kam langsam Bewegung in die Sache, wiederum ein Jahr später kündigte das Regierungspräsidium Freiburg einen neuen Luftreinhalteplan für Schramberg an. Und darin steht, dass die Umweltzone zum 1. März aufgehoben wird.
Schilder ins Depot
Volker Broghammer und seine Kollegen von der Straßenmeisterei waren schon damals 2013 beim Aufstellen der Schilder dabei. Eigentlich sei das ziemlicher Quatsch gewesen, so die Meinung der Leute von der Straßenmeisterei: „Das hat ja nie einer kontrolliert.“
Das Schild liegt inzwischen auf dem Grünstreifen neben der Bundesstraße. Mit einer Rätsche und Schraubenschlüssel demontieren die drei Männer die Schilder. Insgesamt zwanzig werden es sein, die sie heute entsorgen werden, meint Broghammer. In Schenkenzell steht eines, bei Schiltach und Vorderlehengericht und schon weiter runter ins Kinzigtal. Aber auch Richtung Rottweil, St. Georgen und Freudenstadt wird das Team unterwegs sein.
Und was geschieht mit den alten Schildern? „Die Schlechten werden aussortiert, die Guten heben wir auf“, so Broghammer. „Man weiß ja nie, vielleicht kommt die Umweltzone ja wieder…“