Schramberg. Schon seit anderthalb Jahren sucht die Stadt Schramberg einen Arzt oder eine Ärztin für Tennenbronn. Damals hatte eine der beiden dortigen Hausarztpraxen geschlossen. Vor wenigen Tagen kam nun die Hiobsbotschaft, dass auch das zweite Ärztepaar im Ort zum Jahresende seine Praxis aufgeben werde. Die Bemühungen um die Besetzung der Arztstelle reichten bis zu Plakatwänden, die seit dem Sommer 2020 auf den Mangel hinweisen.
Fachbereichsleiter Uwe Weisser, der sich schon im Zusammenhang mit dem Ärztehaus intensiv um die medizinische Versorgung in Schramberg gekümmert hat, kennt die Probleme: Eigentlich sei es nämlich Sache der Selbstverwaltung der Ärzteschaft, der kassenärztlichen Vereinigung, sich um die Nachfolge zu kümmern, wenn ein Mediziner oder eine Medizinerin ausscheide.
Im Fall Tennenbronn sei die Stadt selbst auch aktiv geworden, so Weisser auf Nachfrage der NRWZ. Man habe mit dem Büro HFBP aus Gießen Fachleute beauftragt. Diese hätten sich auf die Suche begeben und diese hätten auch tatsächlich eine anstellungswillige Ärztin gefunden. Diese wollte aber nur als angestellte Ärztin arbeiten, so Weisser. Keine andere Praxis habe die Frau anstellen wollen. „Die Zeit war zu knapp.“
Grundsätzlich sei eine Praxis durchaus bereit gewesen, aber es hätten zu viele Fragen vorher geklärt werden müssen, etwa: „Wer übernimmt die Investitionskosten und wie wird das wirtschaftliche Risiko verteilt?“
Keine Lust auf Arbeit auf dem Land?
Seit Jahren ist das Problem des Ärztemangels auf dem Land bekannt. Es gebe auch Förderprogramme des Bundes und des Landes. Stipendien beispielsweise oder Zuschüsse bei Praxisübernahmen. Das Kernproblem sei aber: „Wir brauchen schlicht Ärzte und Ärztinnen, die Lust darauf haben, in unserer Region zu arbeiten.“
Um das zu erreichen, müsse man attraktive Rahmenbedingungen schaffen. Dazu zählen für Weisser medizinische Versorgungszentren, in denen auch Ärztinnen und Ärzte angestellt werden können. Er hoffe, dass man gemeinsam mit den niedergelassenen Vertragsärzten ein solches Modell auf die Beine stellen könne.
Kassenärztliche Vereinigung versagt
Weisser bedauert, dass es der kassenärztlichen Vereinigung offenbar nicht gelingt, die ambulante ärztliche Versorgung auf dem Land sicherzustellen, denn das sei eigentlich ihre Aufgabe. „Als Kommune haben wir in diesem Zusammenhang an sich keine vom Gesetzgeber zugewiesene Zuständigkeit.“
Schon seit längerem versuche die Stadt Schramberg deshalb, die niedergelassenen Vertragsärzte darüber zu informieren, wie neue Versorgungsstrukturen aus der Ärzteschaft selbst heraus aufgebaut werden können. „Wir waren in der Talstadt und auch im Ortsteil Sulgen erfolgreich“, so Weisser mit Blick auf die beiden Ärztehäuser. „Aus meiner Sicht hätten wir aber ohne die Aktivitäten der HFBP auch hier nicht viel bewegen können.“
Immer mehr angestellte Medizinerinnen
Um auch in Tennenbronn neue Versorgungsstrukturen aufbauen zu können, brauche die Stadt „unbedingt die Unterstützung der Ärzteschaft“. Dass sich die Suche nach Nachfolgerinnen und Nachfolgern so schwierig gestaltet, hat laut Weisser damit zu tun, dass immer mehr Frauen Medizin studieren. Der Hausarzt, der klassisch in eigener freier Praxis den Arztberuf ausüben will, werde immer seltener. “Die Medizin wird zunehmend weiblich, und der Arzt in Anstellung von der Ausnahme zur Regel.“
Deshalb müsse man nach Ärzten oder eben Ärztinnen suchen, die sich für die Arbeit in ärztlichen Kooperationsgemeinschaften interessierten. Diese Suche werde man möglicherweise auch auf das Ausland ausdehnen. Weisser: „In Schramberg brauchen wir daher Arbeitgeberpraxen, die Kollegen anstellen wollen und können.“
Zeit wird knapp in Tennenbronn
In Tennenbronn drängt die Zeit. Die Vermieter der Praxis, die zum Jahresende frei wird, wollen diese bis April noch offen halten, haben sie der örtlichen Tageszeitung berichtet. Danach wollten sie die Räume anderweitig verwenden. Das bedeutet, dass, wenn kein Wunder geschieht, die Tennenbronner im neuen Jahr ohne hausärztliche Versorgung da stehen und sich im Umland nach einem Hausarzt umsehen müssten. Weisser hofft allerdings, „dass es zeitnah gelingt, in Tennenbronn wieder eine hausärztliche Versorgung“ zu gewährleisten.
Schon nach der Schließung der Praxis Dr. Fröhlich vor anderthalb Jahren sei es gelungen, die hausärztliche Versorgung durch die andere Praxis in Tennenbronn und die umliegenden Praxen in Schramberg oder St. Georgen sicher zu stellen. Allerdings stießen diese Praxen inzwischen auch an die Kapazitätsgrenzen. Hausbesuche seien nur noch eingeschränkt oder ganz unmöglich, erklärt Weisser.