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Tempo 30 kommt in weiten Teilen Schrambergs

Das Thema Tempo 30 im Stadtgebiet im Zusammenhang mit dem Lärmaktionsplan erhitzt manche Gemüter. Auch im Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) gab es eine lebhafte Debatte. Warum man darüber überhaupt beraten müsse, „wenn wir eh keine andere Wahl haben“, fragte sich etwa Stadtrat Hannes Steim (CDU), als es um den Lärmaktionsplan für Schramberg ging. Der Plan sieht bekanntlich vor, dass in der Talstadt auf praktisch allen Durchgangsstraßen Tempo 30 gelten wird. In Sulgen wären die Hauptdurchgangsstraßen ebenfalls betroffen. Am Ende empfahl der Ausschuss dennoch mit großer Mehrheit dem Gemeinderat, den Plan so zu beschließen.

Schramberg.  In der Ausschusssitzung, die wegen der Renovierung des großen Ratssaals ausnahmsweise im kleinen Ratssaal stattfand, betonte Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr, die Stadt sei gesetzlich verpflichtet, den Plan aufzustellen. Der anstehende Beschluss sei der „letzte Schritt“. Danach werde der Plan umgesetzt „und die Tempo 30 Schilder werden auftauchen“.

Als Fachmann, dessen Büro den Lärmaktionsplan erarbeitet hatte, informierte Geograph Peter Köhler von „Koehler und Leutwein Ingenieurbüro für Verkehrswesen“ über die bisherige Vorgehensweise und die erstellten Lärmkarten.

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Vor Beginn der Sitzung stimmten sich Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr, Stadtplanerin Veronika Schneider und Geograf Peter Köhler im kleinen Sitzungssaal miteinander ab. Foto: him

EU-Richtlinie gilt seit 2005 auch für Deutschland

Er wies darauf hin, dass der Plan in fünf Jahren überprüft und möglicherweise angepasst werde. Die geltenden EU-Richtlinien stammen aus dem Jahr 2002 2005 hatte Deutschland die Richtlinie übernommen. Sein Ingenieurbüro erstelle Lärmkarten für Kommunen anhand von ausgewerteten Verkehrsmessungen.

Betroffen seien Straßen mit mehr als 8200 Fahrzeugen pro Tag. Den für Schramberg vorgestellten Lärmkarten seien „umfangreiche Verkehrszählungen vorangegangen“, so Köhler.

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Lärmbelastung entlang der B 462. Grafik Stadt Schramberg.

Den Lärmkarten lägen „Berechnungen, nicht Messungen zugrunde“, versicherte Köhler. Das sei gesetzlich so vorgeschrieben. An Hand der Karten könne man prüfen, wo welche Maßnahmen zur Verringerung des Lärms möglich und nötig sind.

Im Dezember 2023 fand eine Bürgerinformationsveranstaltung statt, bei der auch Stellungnahmen eingereicht werden konnten. Die Versammlung war „nicht so schlecht besucht“, fand Köhler. In Freudenstadt seien lediglich 15 Beteiligte aus der Verwaltung und die Pressevertreter gekommen.

Pro und Kontra halten sich die Waage

Bei der anschließenden Offenlage des Lärmaktionsplans seien sieben Stellungnahmen von Bürgern und etliche von Behörden, Nachbarkommunen, Naturschutzverbänden und Nahverkehrsunternehmen eingegangen.

Bei den Stellungnahmen aus der Bürgerschaft waren „drei sehr kritische aus Sicht der Verkehrsteilnehmer“ dabei, die gerne weiterhin mit den üblichen 50 Stundenkilometern durch das Stadtgebiet fahren möchten. Vier dagegen befürworteten die Geschwindigkeitsbeschränkungen.

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Ergebnisse aus der Offenlage. Foto: him

Busse berücksichtigen

Da von einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern auch die Busverbindungen betroffen sind, waren auch die Busunternehmen und die Nahverkehrsbehörde beteiligt.

Wegen der etwas längeren Fahrtzeit wäre eine Anpassung der Fahrpläne notwendig. In den Unterlagen ist in den meisten Bereichen von einer Verlängerung um etwa 30 Sekunden die Rede.

Sorge ums „Aichhalder Loch“

Von Seiten der Nachbargemeinden Schiltach und Aichhalden wird zudem eine „Verkehrsverlagerung befürchtet“, die über das „Aichhalder Loch“ führen würde.  Aichhalden hätte dort gern ebenfalls Tempo30, damit Routenplaner und Navis den Autofahrern nicht die Stecke durchs Aichhalder Loch als „schnellste Verbindung“ anzeigen. Theoretisch ist dort nämlich Tempo 100 erlaubt.

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Schon jetzt ist die Durchfahrt deutlich eingeschränkt im Aichhalder Loch. Hier an der Abfahrt von der B 462. Foto; him

Die Verkehrsbehörde lehnt Tempo 30 allerdings ab, weil dort sowieso niemand so schnell fahren kann. (Das wissen nur die Navis nicht.) Es werde wohl ohne die Beschränkung zu Verkehrsverlagerungen kommen, so Köhler. Dennoch betont er, „die Hauptroute bleibt die Bundesstraße“.

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So viel Platz zum ausweichen wie bei der Aichhalder Mühle gibt es selten. Foto: him

Bei der Abwägung sei die Gesundheitsgefährdung der Anwohner an den Durchgangsstraßen höher zu bewerten als die Fahrplananpassungen bei den Bussen und eine mögliche leichte Zunahme des Verkehrs im Aichhalder Loch. Dort besteht ohnehin ein Durchfahrtsverbot für Fahrzeuge über 2,5 Tonnen.

Lebhafte Diskussion zum Sinn des Plans

In der Fragerunde empörte sich Hannes Steim darüber, dass er „keine andere Wahl als Gemeinderat“ habe, als dem Beschluss zuzustimmen. Er finde es falsch, da die Verantwortung beim Gesetzgeber liege, und die Kommune kaum Spielräume habe, um auf die Wünsche der einzelnen Bürger einzugehen.

Er selbst habe lange in der Goethestraße und in der Sulgauer Straße gelebt und war dem Lärm ebenfalls ausgesetzt. „Ich habe keinen Schaden davongetragen.“ Steim verwies auf andere Kommunen, die „nichts machen“.

Oberbürgermeisterin Eisenlohr betonte nochmals, „wenn die Lärmschwellenwerte überschritten sind, müssen wir was tun“. Die Stadt habe theoretisch schon eine Wahl, Flüsterasphalt, Einbau von Lärmschutzfenstern. Aber die Tempobeschränkung sei die günstigste und am schnellsten umsetzbare Variante für die Stadt.

Köhler bestätigte, dass die Kommunen die Aufgabe haben, die EU-Richtlinien einzuhalten. Wissenschaftliche Studien zeigten, dass Depressionen und Herzkreislauferkrankungen durch den massiven Verkehr begünstigt werden, so Köhler. Weil es etliche Kommunen versäumt hätten, Lärmaktionspläne aufzustellen, gebe es ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland.

Verkehrssicherheit als Argument

Für Stadtrat Volker Liebermann (ÖDP) steht bei der Debatte die Verkehrssicherheit an erster Stelle, da viele Autofahrer– trotz der geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen – deutlich zu schnell fahren. Er verdeutlichte seinen Standpunkt mit eigenen Erlebnissen im städtischen Straßenverkehr.

Jürgen Reuter (Aktive Bürger) erkundigte sich nach dem Ermessensspielraum, den die Kommunen haben. Nachdem ihm der Experte antwortete, dass es für Schramberg keine Alternativpläne gebe, um Tempo 30 zu umgehen, meinte Reuter, dass „wir das Prozedere ja beschleunigen können“ und gleich mit der Beschlussfassung fortfahren könnten. Es gab jedoch noch weitere Wortmeldungen im Ausschuss, die das verhinderten.

Mirko Witkowski (SPD-Buntspecht) erkannte „einen klassischen Interessenskonflikt“. Er beschwerte sich wie Volker Liebermann darüber, dass viele Verkehrsteilnehmer die Straßenverkehrsordnung als „Empfehlungskatalog“ verstünden.

Er ist selbst Anwohner der Oberndorfer Straße und daher ein Betroffener der Lärmaktionsplanung. Aus seiner Nachbarschaft werde er oft gefragt: „Wann geht es endlich los?“ Er verwies nochmals auf die Gesetzeslage der EU und schloss: „Die Gesundheit ist grundsätzlich mehr wert als der Spaß, schneller zu fahren.“

Akt der Solidarität

Seine Fraktionskollegin Susanne Andreae erklärte, sie sei zwar keine betroffene Anwohnerin, aber die Tempobeschränkung zur Lärmminderung sollte der Bürgerschaft als „Akt der Solidarität, mit denen, die an einer Durchgangsstraße wohnen“, vermittelt werden.

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Tempo 30 ist Solidarität mit den lärmgeplagten Anwohnern wie hier am Hammergraben. Foto: him

Stadtplaner Joschka Joos informierte daraufhin noch über die Ortschaftsratssitzungen in Tennenbronn und Waldmössingen. Die Waldmössinger wären sogar nicht abgeneigt, dauerhaft Tempo 30 auf der Durchgangsstraße einzuführen, doch diese Entscheidung obliege nicht der Großen Kreisstadt Schramberg, sondern der Verkehrsbehörde.

Ortsvorsteher Manfred Moosmann aus Tennenbronn bestätigte, dass Tempo 30 „bei Nacht vertretbar“ dort wäre.

Heiligenbronn: Blitzer wirkt

Für den Stadtteil Heiligenbronn erklärte Stadtrat Emil Rode (Freie/Neue Liste), er sei gegen eine dauerhafte Tempobeschränkung auf 30 km/h dort. Seiner Meinung nach sei die Fahrgeschwindigkeit „durch die Blitzeranlage heruntergedrosselt“. Viele Verkehrsteilnehmende fahren aus Vorsicht eher 40 km/h. Auch er finde es ärgerlich, dass die Stadt kaum Entscheidungsgewalt besitze.

Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr erinnerte daran, dass der Plan in fünf Jahren überprüft werde. „Dann können wir nachjustieren.“  Der Experte Köhler wies darauf hin, dass es neue Entwicklungen auch beim Straßenbelag gebe. Sollte es da einen Durchbruch geben, kann man auch andere Maßnahmen ergreifen.

Tempo-30-Schilder im Dezember?

Der Ausschuss fasste schließlich den Empfehlungsbeschluss an den Gemeinderat, den Lärmaktionsplan vom festzulegen. Bei der Umsetzung soll der ÖPNV berücksichtigt und die Landesanstalt für Umwelt informiert werden. Bei Enthaltungen von Emil Rode und Hannes Steim stimmte der Ausschuss zu.

Am 26.September wird der Rat entscheiden. Danach müssen die Fahrpläne eventuell verändert werden. Mit dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember könnten die Tempo-30- Schilder dann montiert werden.

Hinweis: Dass Tempolimits schon vor 100 Jahren in Schramberg ein Thema waren, darauf hat David Kuhner in seinem Artikel zu „Tempobeschränkungen in Schramberg im Lauf der Zeit“ hingewiesen.

 

https://www.nrwz.de/schramberg/tempo-30-kommt-in-weiten-teilen-schrambergs/487083