Kürzlich diskutierte der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats über die Kunstkommission und die Städtische Gemäldesammlung (wir haben berichtet). Bei der Gelegenheit lüftete die Oberbürgermeisterin auch ein Geheimnis: Warum seit dem Frühjahr 2020 im Großen Sitzungssaal an der Wand eine Lücke ist.
Sie habe das Bild eines „Schubkarrenziehers“ abhängen lassen, so Dorothee Eisenlohr. Dort möchte sie ein anderes Bild aus der städtischen Sammlung zeigen. „Da wird gerade der Rahmen restauriert“, kündigte sie an. Aber was hat es mit dem Schubkarrenzieher auf sich, den bisher wohl alle Oberbürgermeister Schrambergs bei ihren Ratssitzungen im Blick hatten?
Der frühere OB Dr. Herbert O. Zinell erinnert sich auf Nachfrage der NRWZ „an Diskussionen über dieses Bild anlässlich der grundsätzlichen Diskussion über die Nazi-Kunst an den Wänden des Rathauses, aber auch in der ‚Braustube‘“. Dabei handelt es sich um Werke des „Blut-und-Boden“-Malers Jockel mon ten Bruck aus dem Jahr 1935. Damals habe Stadtrat Dr. Klaus Grüner schon gefordert, der „Schubkarrenmann“ solle, weil Nazi-Kunst, aus dem Ratssaal entfernt werden.
Da habe sich Grüner allerdings geirrt, so Zinell. Eine Überprüfung habe damals ergeben, dass das Bild aus einer anderen Zeit stammte und nichts mit Nazi-Kunst zu tun hat. „Also verblieb es im Großen Ratssaal“, so Zinell. Wer aber das Bild tatsächlich gemalt hatte, blieb unklar.
Wer war der Maler des Schubkarrenziehers?
Auf Bitten der NRWZ hat sich nun David Kuhner auf Spurensuche begeben. Kuhner arbeitet im Freiwilligen Sozialen Jahr im Stadtarchiv und Stadtmuseum. Zu Beginn seiner Arbeit habe er das Bild bei der Ankunft im Stadtmuseum inventarisiert. „Mittlerweile befindet es sich in der städtischen Kunstsammlung mit der Inventarnummer 0015061.“ Das Bild ist etwa 1,20 Meter auf 95 Zentimeter groß. Die Signatur Fr. Keller weist auf dem Maler Friedrich von Keller hin. Dieser lebte von 1840 bis 1914, so Kuhner.
Laut Wikipedia hat Keller, der aus einfachen Verhältnissen stammte, es geschafft, in Stuttgart die Kunstschule zu besuchen. Er arbeitete später in München als freischaffender Künstler, kam 1883 nach Stuttgart zurück und unterrichtete an der Stuttgarter Kunstschule als Hauptlehrer Malerei. 1913 trat er in den Ruhestand. Seine Bilder mit Steinhauer-Szenen sind recht bekannt. Kuhner schreibt: „Die unverkennbare Ähnlichkeit seiner anderen Werke bestätigte mir, dass er auch der Maler des Gemäldes aus dem Rathaus sein muss.“ Das Bild im Sitzungssaal zeige einen Arbeiter mit Schnurrbart und Hut, der in einer Grube eine Schubkarre hinter sich herzieht. „Seine Kleidung lässt auf einen ärmlichen Lebensstand schließen“, interpretiert Kuhner das Werk.
Wann Friedrich Keller das Bild allerdings gemalt hat, ist nicht bekannt. Es ist nicht datiert. Kuhner vermutet zwischen 1900 und Kellers Tod 1914.
Schon vor 1933 im Sitzungssaal
Ebenfalls unsicher ist, ob das Werk bereits bei der Einweihung des Rathauses 1913 den Sitzungssaal schmückte oder erst später aufgehängt wurde. Kuhner hat es nicht in der Schenkungsliste zur Rathauseinweihung 1913 gefunden und vermutet, dass es erst später aufgehängt wurde. Allerdings ist es auf Fotos vom Ratssaal im Jahr 1933 zu sehen. „Folglich müsste es in den Jahren zwischen 1913 und 1933 im Ratssaal aufgehängt worden sein.
Die Lücke füllt ein Hützschke-Werk
Mittlerweile sei auch ein neues Gemälde gefunden worden, das den Schubkarrenmann ersetzen soll. Es müsse allerdings erst noch restauriert werden, so Kuhner. Es handle sich um eine Stadtansicht vom „Bergstöffel“ aus dem Jahr 1926. Der Maler Franz Hützschke habe es gemalt. Er wurde 1893 Altenburg in Thüringen geboren und starb 1945. Von ihm stammt unter anderem ein Bild des Lichtspielhauses.
In „D’Kräz“ 21 hat Egon Herold über den „Schwarzwaldmaler aus Thüringen“ berichtet. Dieser habe schon 1912 im Dekorationsgeschäft Klaußner seine Schwarzwald-Bilder ausgestellt. Herold berichtet, Hützschke habe im Vogtshofweg gelebt und sei 1932 in seine alte Heimat zurückgekehrt. Gestorben sei er in einem Lazarett am 17. März 1945 in Apolda, nicht in Schramberg, wie in vielen Ausstellungskatalogen vermerkt ist. Der bekannte Schwarzwald-Maler Carl Liebich sei begeistert von Hützschkes Bildern gewesen. Dieser habe „Gold im Pinsel“ berichtet Herold. Der Gemeinderat kann sich also auf ein besonderes Werk freuen, das hoffentlich bald die Lücke an der Stirnseite des Sitzungssaales füllen wird.