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Sorgenkind Gymnasium

Schrambergs Problembaustelle Nummer 1 ist das Gymnasium. Der Bau aus den 70er Jahren macht der Stadt seit gut einem Jahrzehnt zu schaffen. Nach dem Brandschutz kamen die Schadstoffe und seit einiger Zeit die Vorschriften, genauer gesagt, die Vorschriften für Ausschreibungen von Arbeiten. Deshalb steht auf der Dauerbaustelle weitgehend alles still. Erst müssen Maßnahmenpläne erstellt, Rechtgutachten eingeholt und vielleicht bereits vergebene Aufträge neu ausgeschrieben und vergeben werden.

Schramberg. Im Gemeinderat haben die Fachbereichsleiter Bent Liebrich für die Technik und Matthias Rehfuß für die Juristerei über den unerfreulichen Stand der Dinge berichtet.

Leben und lernen in einer Baustelle. Seit Jahren sind die Decken in vielen Bereichen des Gymnasiums geöffnet. Foto: him

Knackpunkt Europäisches Vergaberecht

„Das Vergaberecht beschäftigt uns“, so Liebrich. Verstößt die Stadt nämlich gegen das europäische Vergaberecht, drohen teure Rückzahlungen von bereits erhaltenen Zuschüssen. Zukünftige Zuschüsse würden verfallen, ergänzte Rehfuß. Das Vergaberecht sieht vor, das Bauaufträgen ab etwa 5,5 Millionen Euro europaweit ausgeschrieben werden müssen. Bei Planungsleistungen liegt der Wert bei etwa 221.000 Euro.

Matthias Rehfuß erläutert die Rechtslage. Foto: him

„Wir müssen prüfen, ob diese Schwellenwerte erreicht werden“, so Rehfuß. Auch müsse man den voraussichtlichen Gesamtwert einschließlich möglicher Optionen errechnen. Ein Stückeln der Arbeiten sei europarechtlich verboten. Wenn sich die Auftragswerte ändern, müsse man eventuell sogar komplett neu ausschreiben. Die Vorgaben bestimmen, dass dies bei Projekten der Fall sei, wenn „zeitlich, inhaltlich und wirtschaftlich“ ein Zusammenhang bestünde.

Wir brauchen die Draufsicht

Bei der Sanierung der Chemiesäle sei dies der Fall, weil auch hier die Decken geöffnet und nach Schadstoffen gesucht werde. Bei der Sanierung der Mädchentoiletten hingegen habe dieser Zusammenhang nicht bestanden. Deshalb hätte man unabhängig vom Gesamtvorhaben ausschreiben und umsetzen können.

„Wir brauchen die Draufsicht, was noch alles beim Gymnasium zu machen ist und ob die Zusammenhänge gegeben sind“, erläuterte Rehfuß. Erst dann könne man die Kosten für den Gesamtauftrag berechnen und sagen, wie hoch die Planungskosten sind. Denn auch die Vergabe der Planung und Bauaufsicht an einen Projektierer unterliegt den Vergaberichtlinien.

Ernste Gesichter am Ratstisch: Barbara Kunst und Bent Liebrich. Foto: him

Neue Vergabeverfahren?

Udo Neudeck (Freie/neue Liste) erkundigte sich, ob das ganze nicht auch über verschiedene Lose möglich wäre, schließlich wolle die EU doch kleine und mittlere Unternehmen fördern. Splitten sei verboten, erwiderte Rehfuß.

Tanja Witkowski (SPD-Buntspecht) wollte wissen, welche „zeitliche Dimension“ die Verwaltung betrachte, Wie weit zurück könnte das Vergabeverfahren neu aufgerollt werden müssen? Sie fragte, ob man nicht einfach davon ausgehen könnte, wir überschreiten die Schwellenwerte und schreiben gleich europaweit aus?

Es könnte durchaus sein, dass die Stadt bereits vergebene Verträge neu ausschreiben muss, fürchtet Liebrich. Er setzt auf eine gesamtheitliche Betrachtung.

Mit dem Nebensatz: „da gehört auch die Sporthalle dazu“, machte er gleich ein neues Fass auf.

Maßnahmenplan als Richtschnur

Liebrich möchte von einem Fachbüro einen Maßnahmenplan erarbeiten lassen als „Richtschnur“, was alles in welcher Reihenfolge am Gymnasium noch zu machen ist. Er habe bereits drei Angebote angefordert. Ein Angebot liege je nach Umfang zwischen 60.000 und 80.000 Euro. Zwei weitere Angebote erwarte er demnächst.

Im Dezember könne man entscheiden. Dann werde das Büro das Gebäude “auf Herz und Nieren prüfen“. Es werde drei bis vier Monate für den Maßnahmenplan brauchen, sodass man im Frühjahr, wisse was zu machen sei, kurz-, mittel- und langfristig, Reparatur, Austausch von Teilen oder Komplettsanierung.

Im kommenden Jahr könnte man dann die Maßnahmen in der Reihenfolge festsetzen, die Aufträge ausschreiben und vergeben. Auch die Auswahl eines externen Projektsteuerers könne dann geschehen. Zugleich müsse ein interner Ansprechpartner bestimmt werden, machte Liebrich klar.

Debatte um das Kreisen

Einer großen Mehrheit der Rätinnen und Räte schmeckte das alles gar nicht. Thomas Brantner (CDU) klagte, man habe doch im April beschlossen, einen Maßnahmenplan aufzustellen und einen Projektsteuerer zu engagieren. “Beides ist noch nicht gemacht. Das stimmt mich traurig.“

Im Haushalt 2025 seien lediglich Planungsmittel eingestellt. „Es läuft wieder nichts, wie wollen wir das Eltern, Schülern und Lehrern erklären?“ Brantner forderte, einzelne Dinge vorzuziehen, damit wenigstens nach außen sichtbar wird, es passiert etwas.

Liebrich bestätigte, dass an großen Maßnahmen im kommenden Jahr wegen der europäischen Vergaberichtlinien und den darin vorgesehenen Fristen noch nichts umgesetzt werden könne. Die vergangenen sieben Monate seien nicht verloren, verteidigte Liebrich seine Leute. Man habe eben die Stellungnahme des Vergabeanwalts gebraucht, um zu sehen, „was dürfen wir, was nicht“. „Gefühlte 20 Jahre“ arbeite man am Gymnasium schon. Nun müsse man den Maßnahmenkatalog erarbeiten, um eine Grundlage zu erhalten.

Manches geht doch gleich

Tanja Witkowski fragte, ob man die Sporthalle nicht außen vorlassen könne, und ob es nicht doch Dinge gibt, die man außerhalb des Gesamtprojektes umsetzen könne.

Bei der Sporthalle bestehe ein „unmittelbarer Zusammenhang zum Brandschutz, weil sie die Schule nützt“. Bei der Aula werde man im neuen Jahr die Audiotechnik austauschen und die Beleuchtung von alten Neonlampen auf LED umstellen, kündigte Liebrich an.

Im Herbst tropfte Wasser durch die Decke der Aula. Das Dach ist inzwischen repariert. Auch hat die Aula eine neue Bestuhlung bekommen. Biissle was geht doch. Foto: him

Thomas Brugger (CDU) meinte mit Blick auf die Chemiesäle, die könnten möglicherweise gar nicht mehr benutzt werden dürfen. Da sei „Gefahr im Verzug“. Insgesamt sprach er von einem „wirtschaftlichen Fiasko“.

Wenn ein Dach undicht sei, wie bei der Aula, dann müsse die Stadt schnell handeln, bestätigte Liebrich. Ebenso, dass das Projekt „nicht optimal gelaufen“ sei. Wie das mit den Chemiesälen sei, müsse er noch abklären.

Jürgen Reuter (Aktive Bürger) fand, die Stadt solle doch jemanden engagieren, der Erfahrung mit der Sanierung von solchen Objekten habe.

Dominik Dieterle (CDU) meinte, man drehe sich im Kreis. “Ich habe mehr Fragen als Antworten.“ Das komplexe Vergaberecht sei der Bevölkerung nicht zu erklären. Man habe doch eigentlich nur den Brandschutz und die Schadstoffsanierung wollen.

Schwer zu erklären

Rehfuß gestand zu, dass das alles schwer zu erklären sei. Aber: „Unsere Aufgabe ist es, so zu handeln, dass wir keine Zuschüsse zurückzahlen müssen.“ Leider habe er vom Regierungspräsidium auf entsprechende Fragen keine Antworten erhalten. Nur, dass man sich ans Vergaberecht halten müsse. „Es geht um Millionen“, machte er klar.

Einen konkreten Zeitplan wollte Liebrich nicht nennen, er könne nur sagen, dass der Maßnahmenplan drei bis vier Monate benötige. „Wenn ich etwas anderes sagen würde, wäre das unprofessionell.“

Sabine Haas (CDU) war „ziemlich entsetzt“ und fragte sich: „Was sollen wir den Eltern, Lehrern und Schülern sagen?“

OB-Stellvertreterin Barbara Kunst, die in Vertretung der erkrankten Oberbürgermeisterin die Sitzung leitete, entgegnete: „Wir können es nur so erklären, wir müssen es rechtssicher machen.“

Hannes Steim (CDU) erkundigte sich, ob es Regressforderungen geben könnte, wenn bestehende Verträge aufgehoben werden müssen.

Foto: him

Rechtssicher

Diese Frage stelle sich die Verwaltung, so Rehfuß. Sobald man den Maßnahmenkatalog habe, werde man das abarbeiten. Es gebe Urteile des Europäischen Gerichtshofes. In Rottweil sei es zu solchen Verfahren gekommen, berichtete Karin Bergmann vom Rechnungsprüfungsamt.

Am Ende der Debatte brach Reinhard Günter (SPD-Buntspecht) eine Lanze für die Verwaltung:“ W i r  drehen uns im Kreis“, meinte er mit Blick auf die Ratsmitglieder, „nicht die Verwaltung.“ Seit die Verwaltung mit dem Regierungspräsidium gesprochen habe, mache die Verwaltung das Erforderliche. „Wir sind unzufrieden mit dem Vergaberecht.“

Aber die Verwaltung müsse sich danach richten und gebe dem Gremium immer wieder dieselben Antworten. „Wir müssen es den Menschen erklären“, appellierte Günter an die Kolleginnen und Kollegen.

Nun wartet das Gremium auf den nächsten Sachstandsbericht im Dezember.

 

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