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    Sonderpädagogische Zentren: „Wir brauchen sie zwingend“

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    Sichtlich beeindruckt war die baden-württembergische Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann nach ihrem gut anderthalbstündigen Besuch in der Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn. Sie wollte die Arbeit mit taubblinden und hörsehbehinderten Menschen kennen lernen.

    Als sie aus ihrem Dienstwagen stieg, hatte sie zur Begrüßung dem Leiter der Behindertenhilfe  Roland Flaig versichert: „Ich habe keine Ahnung von dem Thema.“ Das wolle sie ändern und habe sich deshalb „quasi selbst eingeladen“.

    Am Ende wusste sie zumindest: „Eine herausragende Arbeit, die Sie machen.“ Dazwischen lagen drei Kurzreferate von Fachfrauen und die Besichtigung eines kleinen Teils des Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) Sehen.

    Das Kompetenzzentrum für Menschen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung in Heiligenbronn ist einzigartig in Baden-Württemberg und weit darüber hinaus. Eine ähnliche Einrichtung finde sich erst wieder in Hannover, so Vorstand Dr. Michael Wollek.

    Roland Flaig berichtete, dass die Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn derzeit mehr als 150 Kinder und Jugendliche mit Taubblindheit und Hörsehbehinderung betreue, von diesen besuchten 27 die Schule in Heiligenbronn, 130 betreue die Sonderpädagogische Beratungsstelle dezentral im ganzen Land. Bundesweit, so schätzen Fachleute, leben etwa 9000 Menschen, die sowohl taub als auch blind sind. Davon sind etwa 1200 im Kindes- und Jugendalter. Fast alle sind mehrfachbehindert.

    Besondere Pädagogik nötig

    Die Sonderschullehrerinnen Elisa Keesen und Ulrike Broy-Schwenk und der Taubblindenbeauftragten Dr. Andrea Wanka berichteten über die besonderen Probleme beim Unterricht mit Taubblinden. Es bedürfe einer speziellen Fachlichkeit, um die Kinder und Jugendlichen bilden und fördern zu können. Der Zugang zur Welt der Sprache sei „eine elementare Aufgabe. Wir müssen ihnen die Welt der Sprache erst zugänglich machen“, so Broy-Schwenk.

    In Heiligenbronn und in mehreren anderen Einrichtungen in Deutschland, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden hätten mit Unterstützung der EU Fachleute ein eigenes Mitarbeiterschulungsprogramm entwickelt, das 2019 erstmals starten soll, berichtete Dr. Wanka.

    Wissbegierig: Eisenmann im Gespräch mit Wanka.

    Susanne Eisenmann fragte, wie die Eltern als Nicht-Fachleute reagierten und in die Arbeit einbezogen würden. Manche seien bei der Diagnose taubblind geschockt und verstummen, so Wanka. Andere machten es intuitiv richtig. Beide bräuchten die Hilfe der Expertinnen.

    Praktische Beispiele

    In einem Klassenzimmer erläuterte Abteilungsleiterin Beate Schork  wie die Sonderpädagoginnen praktisch mit Kindern und Jugendlichen kommunizieren. Drei Schüler mit Taubblindheit im Alter von sieben, 19 und 22 Jahren zeigten dabei  wie die Kommunikation mit ihrer jeweiligen Lehrerin über körpernahe Gebärden gelingt. Luisas Mutter war „restlos begeistert“ von der Entwicklung ihrer Tochter, seit sie in Heiligenbronn unterrichtet wird.

    Bild und Wort kommen zusammen.

    Die siebenjährige Luisa konnte  mit ihrem Restsehvermögen Bilder und Schrift Vater und Mutter zuordnen. Michi  übersetzte Wörter aus der Gebärdensprache an einer Blindenschrift-Schreibmaschine in  Text.

    Michi arbeitet mit der Braille-Schreibmaschine. Fotos: him

    Abdullah Noor gebärdete für Ministerin Eisenmann in Lautsprache seinen Lebensweg von Pakistan über Emmendingen nach Heiligenbronn und berichtete von seiner Schullaufbahn. Er schilderte auch, wie er seinen zukünftigen Arbeitsplatz im Bauernhof der Stiftung über verschiedene Praktika entdeckt habe.

    Kultusministerin Eisenmann unterstrich am Ende ihres Besuchs, wie wichtig solche Sonderpädagogische Zentren auch in Zeiten der Inklusion seien: „Wir brauchen sie zwingend.“ Aber dabei hätten die Eltern das Wahlrecht der Eltern. Sie versicherte Stiftungsvorstand Wollek, sie werde die Schule bei der Versorgung mit Lehrkräften „nicht auflaufen lassen“. Das Land sei auf Einrichtungen dieser Qualität angewiesen.

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    Martin Himmelheber (him)
    Martin Himmelheber (him)
    ... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.

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    Sichtlich beeindruckt war die baden-württembergische Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann nach ihrem gut anderthalbstündigen Besuch in der Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn. Sie wollte die Arbeit mit taubblinden und hörsehbehinderten Menschen kennen lernen.

    Als sie aus ihrem Dienstwagen stieg, hatte sie zur Begrüßung dem Leiter der Behindertenhilfe  Roland Flaig versichert: „Ich habe keine Ahnung von dem Thema.“ Das wolle sie ändern und habe sich deshalb „quasi selbst eingeladen“.

    Am Ende wusste sie zumindest: „Eine herausragende Arbeit, die Sie machen.“ Dazwischen lagen drei Kurzreferate von Fachfrauen und die Besichtigung eines kleinen Teils des Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) Sehen.

    Das Kompetenzzentrum für Menschen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung in Heiligenbronn ist einzigartig in Baden-Württemberg und weit darüber hinaus. Eine ähnliche Einrichtung finde sich erst wieder in Hannover, so Vorstand Dr. Michael Wollek.

    Roland Flaig berichtete, dass die Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn derzeit mehr als 150 Kinder und Jugendliche mit Taubblindheit und Hörsehbehinderung betreue, von diesen besuchten 27 die Schule in Heiligenbronn, 130 betreue die Sonderpädagogische Beratungsstelle dezentral im ganzen Land. Bundesweit, so schätzen Fachleute, leben etwa 9000 Menschen, die sowohl taub als auch blind sind. Davon sind etwa 1200 im Kindes- und Jugendalter. Fast alle sind mehrfachbehindert.

    Besondere Pädagogik nötig

    Die Sonderschullehrerinnen Elisa Keesen und Ulrike Broy-Schwenk und der Taubblindenbeauftragten Dr. Andrea Wanka berichteten über die besonderen Probleme beim Unterricht mit Taubblinden. Es bedürfe einer speziellen Fachlichkeit, um die Kinder und Jugendlichen bilden und fördern zu können. Der Zugang zur Welt der Sprache sei „eine elementare Aufgabe. Wir müssen ihnen die Welt der Sprache erst zugänglich machen“, so Broy-Schwenk.

    In Heiligenbronn und in mehreren anderen Einrichtungen in Deutschland, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden hätten mit Unterstützung der EU Fachleute ein eigenes Mitarbeiterschulungsprogramm entwickelt, das 2019 erstmals starten soll, berichtete Dr. Wanka.

    Wissbegierig: Eisenmann im Gespräch mit Wanka.

    Susanne Eisenmann fragte, wie die Eltern als Nicht-Fachleute reagierten und in die Arbeit einbezogen würden. Manche seien bei der Diagnose taubblind geschockt und verstummen, so Wanka. Andere machten es intuitiv richtig. Beide bräuchten die Hilfe der Expertinnen.

    Praktische Beispiele

    In einem Klassenzimmer erläuterte Abteilungsleiterin Beate Schork  wie die Sonderpädagoginnen praktisch mit Kindern und Jugendlichen kommunizieren. Drei Schüler mit Taubblindheit im Alter von sieben, 19 und 22 Jahren zeigten dabei  wie die Kommunikation mit ihrer jeweiligen Lehrerin über körpernahe Gebärden gelingt. Luisas Mutter war „restlos begeistert“ von der Entwicklung ihrer Tochter, seit sie in Heiligenbronn unterrichtet wird.

    Bild und Wort kommen zusammen.

    Die siebenjährige Luisa konnte  mit ihrem Restsehvermögen Bilder und Schrift Vater und Mutter zuordnen. Michi  übersetzte Wörter aus der Gebärdensprache an einer Blindenschrift-Schreibmaschine in  Text.

    Michi arbeitet mit der Braille-Schreibmaschine. Fotos: him

    Abdullah Noor gebärdete für Ministerin Eisenmann in Lautsprache seinen Lebensweg von Pakistan über Emmendingen nach Heiligenbronn und berichtete von seiner Schullaufbahn. Er schilderte auch, wie er seinen zukünftigen Arbeitsplatz im Bauernhof der Stiftung über verschiedene Praktika entdeckt habe.

    Kultusministerin Eisenmann unterstrich am Ende ihres Besuchs, wie wichtig solche Sonderpädagogische Zentren auch in Zeiten der Inklusion seien: „Wir brauchen sie zwingend.“ Aber dabei hätten die Eltern das Wahlrecht der Eltern. Sie versicherte Stiftungsvorstand Wollek, sie werde die Schule bei der Versorgung mit Lehrkräften „nicht auflaufen lassen“. Das Land sei auf Einrichtungen dieser Qualität angewiesen.

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