Schramberg. Bei prächtigem Wetter, strahlendem Sonnenschein, aber angenehm abgekühlten Temperaturen versammelte sich die Stadtgesellschaft im Park der Zeiten zum diesjährigen Sommerempfang der Stadt Schramberg.
In ihrer Rede ging Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr auf die zahlreichen Projekte in der Stadt ein (wir berichten noch). Gesprächsthema Nummer 1 war allerdings der Plan des Landratsamtes im ehemaligen Fabrikgebäude von Pfaff und Schlauder zwischen 150 und 200 Geflüchtete unterbringen zu wollen. Das Thema nahm breiten Raum in ihrer Rede ein. Wir veröffentlichen diese Redepassage im Wortlaut. (Die Zwischenüberschriften stammen von der Redakion.)
Fast 400 geflüchtete aus der Ukraine in Schramberg
Beim letzten Sommerempfang habe ich von 160 Menschen berichtet, die auf der Flucht vor dem Ukraine-Krieg nach Schramberg gekommen sind. Inzwischen sind es fast 400.
Außer aus der Ukraine kommen weiterhin Menschen aus Ländern wie Syrien, Georgien und Afghanistan zu uns. Ursprünglich war mein Plan, Sie heute nochmal über die Herausforderungen für unser Team, die uns zugewiesenen Menschen unterzubringen, zu informieren. Noch gelingt es, Geflüchtete dezentral einzumieten, die Wohnungen gehen uns aber langsam aus.
Unterbringung der Geflüchteten Thema im Rat
Wir haben dem Gemeinderat daher kürzlich verschiedene Handlungsalternativen vorgestellt: Die Stadt könnte doch wieder Gebäude ankaufen und Geflüchtete unterbringen. Neubauten wären möglich, sie dauern aber und sind nicht billig. Container, in denen die Personen geballt untergebracht werden, möchten wir genauso wenig wie Hallenbelegungen.
Dann hatte ich vor, Sie zu bitten, sich beim JUKS zu melden, falls Sie noch eine Einlieger- oder andere Wohnung haben, die Sie sich vorstellen können, an die Stadt für Geflüchtete zu vermieten.
Nun allerdings hat der Schwarzwälder Bote heute in einem großen Artikel darüber berichtet, dass der Landkreis Rottweil mit einer privaten Immobiliengesellschaft eine Gemeinschaftsunterkunft im ehemaligen Pfaff-und-Schlauder-Areal plant. Angesichts dessen hole ich zum Flüchtlingsthema doch weiter aus:
Aufgaben des Kreises und Aufgaben der Stadt
Was für Arten von Flüchtlingsunterbringung gibt es nochmal, und was ist die Rolle der Stadt?
Für klassisch Asylsuchende und Ukrainer*innen gibt es seit dem letzten Jahr zwei verschiedene Verfahren. Die Ukrainer*innen können sich einen Ort aussuchen und sich dort registrieren. Sie bekommen sofort den Aufenthaltstitel „vorübergehender Schutz“. Der gilt bis März 2024 und ermöglicht ihnen ab dem ersten Tag, hier zu arbeiten, zu reisen und beim Job Center Bürgergeld zu beantragen.
Andere Asylsuchende müssen den Weg über die LEAs, die Erstaufnahmestellen des Landes, nehmen. Sie werden vom Land an die Landkreise verteilt, ohne mitreden zu können, wohin. Der Landkreis bringt sie „vorläufig“, das heißt, bis zu 24 Monate lang, unter.
Gemeinschaftsunterkunft
Eine Gemeinschaftsunterkunft für die vorläufige Unterbringung soll, wie der Landkreis mitteilt, nächstes Jahr im Pfaff- und Schlauder-Areal entstehen. In solchen Einrichtungen treffen sich Menschen beider Verfahren, also Ukrainer*innen und klassisch Asylsuchende. Im Landkreis gibt es schon einige solcher Gemeinschaftsunterkünfte, auch GUs genannt.
Da uns im Rathaus schon die ersten besorgten Anrufe erreicht haben, möchte ich kurz den Einfluss der Stadt klarstellen und auch noch etwas Allgemeines sagen.
Stadt wird nicht gefragt
Ganz wichtig: Die Stadt wird vor der Einrichtung einer vorläufigen Unterbringung nicht gefragt, sie ist nach dem Gesetz nicht zuständig. Allein über Baurecht und Denkmalschutz werden wir mit der Frage, ob bei Pfaff und Schlauder eine Gemeinschaftsunterkunft entstehen kann oder nicht, befasst sein.
Aufgabe der Stadt ist später die Anschlussunterbringung der Menschen, wenn der Landkreis sie aus seiner vorläufigen Unterbringung heraus den Gemeinden „zuteilt“. Das geschieht proportional zur Einwohnerzahl.
Eine gute Nachricht, wenn Pfaff & Schlauder Flüchtlingsunterkunft werden sollte: Jede Person, die der Landkreis dort einquartiert, wird voll auf unsere Schramberger Unterbringungspflicht angerechnet. Das heißt, wir brauchen weniger Plätze in der Anschlussunterbringung.
Bunte Mischung im Tal
Ich weiß, Veränderungen rufen oft Ängste hervor. Wir haben hier, vor allem in der Talstadt, schon jetzt einen sehr bunten Bevölkerungsmix. Das rührt unter anderem von unserer Geschichte als Arbeiter- und Industriestadt her.
Ist das aber nicht vielleicht auch unsere Stärke? Manchmal, zum Beispiel beim Markt der Kulturen und beim Stadtfest, oder wenn ich einfach so über den Rathausplatz gehe, empfinde ich es als bereichernd, bei uns große kulturelle Vielfalt zu erleben. Diese Vielfalt macht uns stärker, wenn es gelingt, sie wert zu schätzen und zu nutzen.
Erfahrung bei der Integration
Für die Integration neuer Menschen kann unser Bevölkerungsmix eine Chance sein. Schramberg hat jahrzehntelange Erfahrung mit der Integration von Menschen, die unsere Sprache noch nicht können, die anders aufgewachsen sind, die als Fremde ankommen.
Wir alle kennen Geschichten und Beispiele gelungener Integration. Dabei wollen gar nicht alle, die zu uns kommen integriert werden. Manche sind auch schnell wieder weg. Gerade die Ukrainer*innen sind sehr mobil. Manchmal mieten wir Wohnungen an, und nach vier Wochen sind sie verwaist. Die Verantwortung für diese Menschen tragen wir also nur vorübergehend.
Arbeitskräftemangel
Andere finden rasch den Weg in den Arbeitsmarkt. Überall fehlen Fach- und Arbeitskräfte. Der soziale Bereich, Handwerk, Dienstleistung – sie alle brauchen Zuwanderung.
Wichtig ist es natürlich, den Menschen, die kommen, durch Sprach- und Integrationskurse schnell ein echtes Andocken zu ermöglichen.
Noch viele Hürden
Doch zurück zu Pfaff & Schlauder: Hier geht es jetzt erstmal darum, ob eine GU einziehen darf. Stichworte sind: Brandschutz, Denkmalschutz, eventuell Altlasten, Baugenehmigung.
Sollte das alles zu Gunsten der Einrichtung ausgehen, werden wir von Verwaltung und Gemeinderat Empfehlungen zusammentragen zu Dingen, die wir für den Betrieb der Gemeinschaftsunterkunft für wichtig halten.
Eine Sozialbetreuung, eine Außenstelle der Landkreisverwaltung und einen Sicherheitsdienst rund um die Uhr hat der Landkreis schon zugesagt. Sicher gibt es Weiteres – etwa Vor-Ort-Angebote zur ärztlichen Versorgung, Kinderbetreuung und Verdolmetschung –, womit der Landkreis die GU aufwerten und das Umfeld entlasten kann.
Denn eines, meine Damen und Herren, ist klar: Wenn wir eine so große Flüchtlingsunterkunft bekommen, dann möchten wir, dass sie gut funktioniert. Dafür setzen wir uns ein.
Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich gerne an uns, oder auch sehr gerne direkt an das Landratsamt – Herr Kramer ist heute hier – oder Ihre Kreistagsmitglieder.“