Schramberg: Satzungen für Straßennamen und Hausnummern „unnötig wie ein Kropf“

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Eine Klatsche fing sich Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr ein, als sie in der letzten Sitzung vor der Sommerpause erneut das Thema Satzungen für Hausnummern und Straßennamen auf die Tagesordnung des Gemeinderats setzte. Neunzehn Gemeinderäte sagten: „Njet.“ Nur fünf (einschließlich sie selbst) stimmten für die Satzungen und drei enthielten sich der Stimme.

Schramberg. Die Niederlage war so absehbar wie überflüssig. Nach einer ersten Debatte im Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) hatte sich dort schon eine große Mehrheit gegen die beide Satzungen ausgesprochen. Und auch im Ältestenrat sei man gegen die Satzungen gewesen, wie ein sichtlich zorniger Udo Neudeck aus der nichtöffentlichen Sitzung plauderte. Da hätten die Fraktionen signalisiert, „wir wollen diese Satzungen nicht. Sie sind unnötig wie ein Kropf.“

Statt also den Punkt von der ohnehin übervollen Tagesordnung abzusetzen, schickte Eisenlohr erneut Stadtplanerin Veronika Schneider ins Feuer, die die beiden Satzungen tapfer verteidigte.

Nicht aus Spaß am Bürokratismus

Vorausgeschickt hatte Eisenlohr noch den Hinweis auf die „lebhafte Diskussion“ im AUT, wo es „eine mehrheitliche Ablehnung“ gegeben habe. Sie wies auch darauf hin, dass man die Größe der Hausnummern den Wünschen der Ratsmitglieder angepasst habe und dass man die Satzungen nicht „aus Spaß am Bürokratismus“, sondern aus Gründen der Sicherheit vorschlage.

Die Hausnummernvergabe sei in der Vergangenheit „teilweise chaotisch“ gewesen, was den Rettungsdiensten Probleme bereite.

Alle gründe füreine Satzung zusammengefasst. Foto: him

Keine zusätzliche Belastung

Schneider erläuterte, die Kommune solle „einen Leitfaden an die Hand bekommen“, wie man zukünftig verfahren soll. Man folge da einer Empfehlung des Städtetags und des Landratsamtes. An den bisherigen Straßennamen und Hausnummern werde nichts geändert. Es werde keine Belastungen für die Bevölkerung geben, versicherte Schneider. „Über Umbenennungen entscheidet der Gemeinderat.“

Auch über die Größe der Ziffern bei den Hausnummern könne man reden und diese auf zehn Zentimeter festlegen oder ganz weglassen. „Daran soll das ganze nicht scheitern.“ Auch an die Hauswände gemalte Hausnummern sollten bleiben, ergänzte Eisenlohr noch, bevor sich für die CDU Jürgen Kaupp zu Wort meldete.

Stadt selbst Hausnummernsünder

„Wir können da nicht mitgehen“, legte er los, es habe in den letzten Jahren auch ohne diese Satzungen funktioniert. „Das brauchen wir nicht.“ Er verwies auf die Bundesbauordnung, die Bauherren vorschreibe, Hausnummern anzubringen. Ein freundliche Brief mit dem Hinweis, wie man die Hausnummer richtig anbringe, würde mehr Erfolg bringen.

Im Übrigen halte sich die Stadt nicht mal selbst an ihre Regeln. Er habe in Waldmössingen die stadteigenen Gebäude angeschaut. „19 von 22 haben kein Hausnummernschild“, so Kaupp unter dem Gelächter der Ratskolleginnen und -kollegen. „Nur das Schild am Bauhof passt.“ Näher belegt hat Kaupp seine Feststellung allerdings nicht. Egal. Der Punkt ging an ihn.

Klarheit und Sicherheit

Veronika Schneider versuchte ihre Vorlage zu verteidigen. Die Bundesbauordnung schreibe zwar vor, dass Hausnummern angebracht werden, aber nicht wie. Auch nicht, nach welchen Kriterien die Stadt die Hausnummern vergibt. „Wir wollen intern Klarheit und nach außen Sicherheit.“

Veronika Schneider. Sie hat alles versucht. Vergebens. Foto: him

Arbeit einsparen durch den Verzicht auf die Satzungen werde man bei einer Ablehnung ebenfalls nicht. „Die Arbeit ist ja schon gemacht.“  Auch Eisenlohrs Wunsch nach „Leitlinien für die Verwaltung“ und die Vermeidung superlanger Straßennamen stieß auf taube Ohren.

Thomas Koch, ÖDP, von Beruf Rettungssanitäter und Krankentransport-Leiter beim DRK, wusste aus seiner Praxis, dass es öfters Probleme gebe, etwa bei doppelten Straßennamen in Schramberg und Tennenbronn. Gerade aufgeregte Personen könnten dann nicht klar sagen, wohin der Rettungsdienst kommen soll. Eine Regelung für neue Baugebiete hielt er für sinnvoll.

Was tun

CDU-Rat Jürgen Winter, als Mediziner ebenfalls oft auf der Suche nach dem richtigen Haus, bestätigte Kochs Erfahrungen, besonders nachts. Aber eigentlich müssten die Hausbesitzer selbst aus Vernunftgründen erkennen, dass eine gut angebrachte Hausnummer ihnen selbst hilft. Er frage sich aber, wer werde eine solche Verordnung kontrollieren? „Mir geht es darum, dass sich was tut.“

Eisenlohr gab zu, dass es „eine begleitende Kommunikation“ brauche. Sie sei verwundert, dass gerade die CDU, die sonst auf Effizienz poche, nun alles im Einzelfall entscheiden wolle. Sie erinnerte an die Forderung des Frauenbeirats im Neubaugebiet Schoren Straßen nach den ersten Stadträtinnen zu benennen – und fing sich von Clemens Maurer (CDU) den Hinweis ein, das sei ein CDU-Antrag gewesen.

OB Dorothee Eisenlohr. Foto: him

Baurechtsleiterin Linda Niebel machte den Vorschlag, bei Baugenehmigungen oder Schreiben zum Grundsteuerbescheid könne man die Hausbesitzer auf die Rechtslage hinweisen.

Leibinger und Leutheusser-Schnarrenberger chancenlos?

Thomas Brantner (CDU) beantragte Schließung der Rednerliste und erhielt einmütige Zustimmung. So kam noch Udo Neudeck (Freie Liste) dran. Zunächst lobte er die Stadtplanerin Schneider, die „einen tollen Job“ gemacht habe. Dann aber brachte er Beispiele, weshalb die vorgeschlagene Satzung seiner Meinung nach mehr schade als nütze.

Die Satzung sehe beispielsweise vor, dass Personen erst fünf Jahre nach dem Tod mit einem Straßennamen geehrt werden sollen. Nach Trumpf-Gründer Berthold Leibinger sei aber schon kurz nach seinem Tod eine Straße in Sulgen benannt worden. „Und das zurecht!“ Auch die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hätte wegen der Länge ihres Namens in Schramberg keine Chance.

Mirko Witkowski (SPD-Buntspecht) schließlich meinte, die Satzungen brauche es nicht. Das mit den Hausnummern stehe im Gesetz, und über Straßennamen entscheide der Rat.

Die Abstimmungsniederlage für Eisenlohr und die Verwaltung war dann nur noch folgerichtig.

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.