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Schramberger Krankenhausareal: Neuer Wettbewerb ohne exakte Kriterien

Heftige Debatte gleich zu Beginn / Kompromiss mit Risiko

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Nach einem harmonischen Start in die neue Legislaturperiode mit der einstimmigen Wahl der OB-Stellvertreterinnen und der Ausschussbesetzungen (in Abwesenheit der AfD-Rätin), ging es beim Tagesordnungspunkt „Ehemaliges Krankenhaus“ gleich hoch her. Für die Fraktionen Freie Liste -Neue Liste und CDU präsentierte CDU-Sprecher Thomas Brantner einen umfangreichen Änderungsantrag.

Schramberg. Nach dem unrühmlichen Ende eines ersten Investorenwettbewerbs im vergangenen Herbst, hatte die Verwaltung einen weiteren Anlauf vorbereitet. (Wir haben berichtet)

Im Gemeinderat sprach Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr von einem „zentralen Punkt“ in der Stadtentwicklung und versicherte, die Verwaltung habe sich „viele Gedanken gemacht, damit wir eine gute Lösung finden“. Sie stellte fest, dass die CDU-Stadträte Clemens Maurer und Hannes Steim wegen Befangenheit vom Ratstisch abgerückt seien.

Wettbewerb erforderlich

Stadtplanerin Carolin Münch stellte noch einmal die Vorgeschichte dar und übergab das Wort an Rechtsanwalt Peter Neusüß von der Freiburger Kanzlei Sparwasser und Schmidt.

Neusüß erklärte, wenn es nur einen Bewerber für das Gelände gäbe, bräuchte es keinen weiteren Wettbewerb. Das sei anders als bei einer Vergabe. „Es haben sich aber mehrere Investoren gemeldet, die an diesem Grundstück Interesse haben.“

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Rechtsanwalt Neusüß (links) erläutert dem Rat, weshalb ein neues Verfahren nötig ist. Foto: him

Wegen des Gleichheitsgrundsatzes sei ein Auswahlverfahren erforderlich. Dafür brauche man Kriterien. Der Kaufpreis – der höchste Bieter bekommt den Zuschlag – scheide aus, weil der Preis wegen der Lage im Sanierungsgebiet mit 1,8 Millionen Euro fix sei.

Andere Kriterien wie städtebauliche Qualität, Nachhaltigkeit oder soziale Gesichtspunkte müsse der Rat vorher festlegen und für die Bewerber transparent machen. Die Stadt schlage nun einen Wettbewerb in abgespeckter Form vor, der mehr Flexibilität biete und Investorenfreundlicher sei.

Abgespecktes Verfahren

Münch ergänzte, sie habe das Verfahren im Vergleich zum ersten Wettbewerb deutlich reduziert. Einige Anforderungen an die Teilnehmer entfielen, anderes werde beschleunigt. Die Teilnehmer werden nicht über eine Vergabeplattform, sondern direkt mit der Verwaltung kommunizieren. Sozialwohnungen seien nicht mehr zwingend vorgeschrieben, würden aber positiv bewertet. Die Jury werde deutlich verkleinert.

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Carolin Münch im Gemeinderat. Foto: him

 

Noch vor den Sommerferien werde der Wettbewerb veröffentlicht. Am 13. September sei Abgabeende. Der Rat könnte dann bereits am 24. Oktober über die Vergabe beschließen.

Heftige Debatte

Als erstes hatte sich Thomas Brantner zu Wort gemeldet und einem umfangreichen gemeinsamen Änderungsantrag der CDU und der Freien/Neuen Liste vorgetragen. Man begrüße zwar, dass die Verwaltung beim neuen Wettbewerb „von den ursprünglich sehr engen Vorgaben für den damaligen Wettbewerb abgerückt ist“.

Dennoch fürchten die beiden Fraktionen, dass Investoren durch die dennoch vielen Vorgaben „abgeschreckt“ werden.  Sie wollen keinen neuen Wettbewerb, sondern ein beschränktes Auswahlverfahren, das Spielräume freilasse „durch Abbau überbordender Vorgaben“.

Nur Leitplanken

Auch dürfe das Fehlen von Unterlagen am Abgabetermin kein Ausschlusskriterium sein. Entscheiden solle am Ende der Gemeinderat. Die von der Stadt angeführten Kriterien könnten „als Leitplanken“ dienen, aber „ohne Prozentzahlen“.

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Umstritten: Prozentangaben bei den Kriterien. Grafik: Stadt

OBin Eisenlohr bedankte sich, dass sie den Antrag „fünf Minuten vorher erhalten“ habe und versicherte, man sei doch „gar nicht weit auseinander“. Sie berichtete: „Wir haben mit Investoren drei Sondierungsgesprächen geführt und nach Knackpunkten gefragt.“ Die geforderten Unterlagen seien für die Investoren nichts Besonderes. Die Aufgabe der Jury sei, die Pläne zu sichten. „Entscheiden wird der Gemeinderat.“

Stadtplanerin Münch betonte, man brauche die Kriterien, um die Angebote vergleichen zu können. Rechtsanwalt Neusüß erklärte, Bewerber könnten fehlende Unterlagen nachreichen. Zu den Vereinfachung gehöre auch, dass die Investoren direkt mit der Stadt, dem Denkmalamt und dem Sanierungsträger kommunizieren könnten. Bei den Fristen gehe man auf die Wünsche der drei Interesssenten ein, so Eisenlohr. Sie seien aber auch für Neueinsteiger fair.

Änderungsantrag zu kurzfristig

Reinhard Günter (SPD-Buntspecht) bedauerte, dass der Änderungsantrag nicht vorab an die anderen Fraktionen gegangen sei. Er könne in der Kürze der Zeit schwer beurteilen, welche Konsequenzen der Änderungsantrag bedeute.

Brantner entschuldigte sich für die Kurzfristigkeit und bat, dass auch die Rätinnen und Räte, die nicht mehr Fraktionen bilden, informiert werden.

Neusüß erläuterte, weshalb die exakteren Kriterien mit Prozentzahlen für das Verfahren bedeutsam seien. Dann könne man einem unterlegenen Bewerber darlegen, weshalb er den Zuschlag nicht erhalten habe. „Sie führen zu Klarheit bei der Entscheidung.“

Jürgen Winter (CDU) widersprach. Es werde eine Scheingenauigkeit geben. Andererseits sei die Debatte gleich in der ersten Sitzung ein gutes Beispiel, wie der Rat versuchen könne, Bürokratie abzubauen.

Ranking statt Prozenten

Eisenlohr versuchte einen Kompromiss: Statt der Prozentzahlen soll es nur ein Ranking geben. „Etwas müssen wir den Bewerbern mitgeben.“ Auf Nachfrage bestätigte sie, dass derzeit drei Bewerber mit der Stadt in Verbindung stünden. Nach der Berichterstattung in der NRWZ habe sich einer von diesen gemeldet und versichert, dass er dabeibleibe.

Tanja Witkowski (SPD-Buntspecht) hat der Änderungsantrag „eher verwirrt“. Sie wollte wissen, auf welche Vorgaben denn verzichtet werden solle. Ihrer Fraktion sei der geförderte Wohnungsbau wichtig, aber man könne mit dem Vorschlag der Verwaltung mitgehen. Sie fand Kriterien wichtig, damit man die Pläne beurteilen könne.

Udo Neudeck (Freie Liste-Neue Liste) war strikt gegen Prozentangaben oder Rankings. „Das schränkt die Kreativität ein.“ Angesichts der wirtschaftlichen Lage „können wir keine großen Forderungen stellen“. Andererseits könne der Rat immer sagen: „Das wollen wir nicht.“ Die vorgeschlagenen Gewichtungen schränkten den Rat ein.

Für Investoren kein Problem

Stadtplanerin Münch widersprach. Prozentangaben seien „gängige Praxis“ zum Bewerten von Plänen. Bei ihrer Marktrecherche habe sie “keine Meldung erhalten, dass die Kriterien die Investoren abhalten würden.“ Auch Eisenlohr betonte, die Kriterien schränkten die Kreativität nicht ein.

Nach einer Sitzungsunterbrechung auf Wunsch von SPD-Buntspecht erklärte deren Sprecherin Tanja Witkowski, man könne bei einem Ranking ohne Prozentangaben mitgehen. Udo Neudeck lehnte das zunächst vehement ab.

Ranking ohne Zahlen

Rechtsanwalt Neusüß erklärte, sowohl Prozentangaben als auch Ranking seien erlaubt. Das ganz wegzulassen, sei „risikoreicher“, weil ein Bewerber nicht mehr wisse, wonach gewertet werde. Schließlich einigte man sich darauf, die Kriterien ohne Prozente und Nummerierung aufzuzählen.

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Rechtsanwalt Peter Neusüß. Foto: him

Dafür votierten 24 Rätinnen und Räte. Dagegen stimmten Monika Kaltenbacher und Reinhard Günter (SPD-Buntspecht), Volker Liebermann und Thomas Koch (ÖDP), Birgit Kronenbitter (AfD) und Oberbürgermeistern Dorothee Eisenlohr.

Einstimmig beschloss der Rat sodann, dass die Verwaltung das Verfahren mit den beschlossenen Änderungen wie vorgeschlagen vorantreiben soll.

Maurer und Steim stimmten wegen Befangenheit nicht mit ab.

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Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.