Schramberger Gemeinderat beschließt Haushalt 2024

Haushaltsreden der Fraktionen

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Ende Januar halten die Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinderatsfraktionen vor der Verabschiedung des Haushalts ihre Haushaltsreden. Darin stellen sie grundsätzliche Positionen der einzelnen Fraktionen dar, üben Kritik an der großen und der kleinen Politik und stellen Forderungen für die Zukunft auf oder machen konkrete Vorschläge. Diesmal wich eine Fraktion ab – zum Missfallen der übrigen.

Schramberg. Zum guten Ton gehört es auch, sich bei der Stadtverwaltung, allen Beschäftigten und besonders der Oberbürgermeisterin und dem Kämmerer zu bedanken. Auch die Vereine, die Betriebe und Institutionen werden in diesen Dank eingeschlossen. Diese Dankesworte formulieren die Fraktionssprecherin und Fraktionssprecher ähnlich. In einer Zusammenfassung dieser Haushaltsreden haben wir sie deshalb weggelassen. Hier die deutlich gekürzten Reden in der Reihenfolge nach Fraktionsstärke:

Thomas Brantner – CDU

CDU-Sprecher Thomas Brantner begann mit einem Zitat von Mahatma Gandhi: “Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun.“

Nach positiven Dingen im vergangene Jahr wie der Wiedereröffnung von Gut Berneck, dem neuen Radweg von Sulgen nach Mariazell oder dem Junghans-Musical beschäftigte sich Brantner mit weniger gut Gelaufenem: von der verspäteten Wiedereröffnung des Freibads bis zum Thema „Pfaff & Schlauder“ und den Klagen der Eltern zu den kurzfristig verkürzten Öffnungszeiten in den Kindergärten.

Thomas Brantner. Foto: him

Weiter erwähnte Brantner den Rückzug des Investors beim alten Krankenhausareals und die Instandhaltungsmaßnahmen am Gymnasium mit einem jetzt noch restlichen Investitionsvolumen von Euro 17 Millionen Euro zu nennen.

Er kritisierte „bürokratische Hürden in Form von Verordnungen, Rechtsgutachten, Gesetzen von Bund und Land oder Entscheidungen von übergeordneten Behörden“.

Lob für „Make it in Schramberg“

Brantner wünscht, dass die Verwaltung die Zunahme der Leerstände in der Innenstadt sehr ernst nehmen. Deshalb unterstütze seine Fraktion das Projekt „Make it in Schramberg“. Es sei dringend, dass es beim Industriegebiet Schießäcker weitergehe.

Neben der Talstadtumfahrung „sollte das Verkehrsprojekt Sulgen Ost sowie die Umfahrung Waldmössingen in Zusammenarbeit mit dem Kreis weiter vorangebracht werden“, fordert Brantner.

Die Villa Junghans sollte umgehend saniert werden damit der Gastronomiebereiches rasch wiedereröffnet werden kann.

Die Verwaltung müsse an einer umfassenden und effizienten IT-Infrastruktur arbeiten, um den steigenden Bedarf an digitalen Dienstleistungen zu erfüllen.

Schulcampus vorantreiben

„Das Projekt Schulcampus als Premiumprojekt muss weiter vorangetrieben werden“, fordert Brantner. Wegen der Zuschüsse müsse die Stadt „deutlich stärker bei den Entscheidungsträgern in Stuttgart für dieses Projekt werben“.

Haushalt rutscht ab

Zum Haushalt 2024 erklärte Brantner, man plane Investitionen in Höhe von 26,4 Millionen. Grund dafür seien die vier Großprojekte Halle Tennenbronn, Kindergarten Don Bosco und am Kirchplatz sowie am Gymnasium mit einem Investitionsvolumen in den Jahren 2024 bis 2027 in Höhe von insgesamt 36,6 Millionen Euro.  Nach einem Plus von 13 Millionen 2023 werde der Haushalt für das Jahr 2024 ein 0-Ergebnis ausweisen.

Brantner fordert daher zum einen verlässliche Planung. Das sei erforderlich, damit der Rat die Maßnahmen für eine sinnvolle Zukunftsgestaltung ableiten kann. Brantner sieht dies bei den Haushaltsberatungen für 2024 kritisch:

Am 23. November habe der Rat einen Haushalt vorgelegt bekommen, der Ergebnisse für die Jahre 24 bis 27 in Höhe von 12,3 Millionen Euro ausweist. Auf dieser Basis habe der Rat wichtige Entscheidungen getroffen. Drei Wochen später, am 14. Dezember habe der Rat einen Haushalt festgestellt, der für die Jahre 24 bis 27 ein negatives Ergebnis von 16,7 Millionen Euro aus-gewiesen hat. In Summe ist dies ein Unterschied von 29 Millionen.

Bei einer Abweichung in dieser Höhe innerhalb eines Monats könnten „keine langfristigen vernünftigen Entscheidungen getroffen werden“.

Immer mehr Personal- und Sachausgaben

In einem zweiten Punkt kritisiert Brantner dass von 2017 bis 2027 die vom Rat beeinflussbaren Kostenarten Personal, sonstige Dienst- und Sachaufwendungen und sonstige ordentlichen Aufwendungen von einem Anteil von von 39 Prozent in 2017 in Bezug auf die Einnahmen auf 54 Prozent im 2027 steigen werden. Die dafür ausgegebenen Summen fehlten  für notwendige Investitionsprojekte

Bei den Einnahmen habe Schramberg in den Jahren 2016 bis 2023 sehr gute Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von durchschnittlich 24,9 Millionen Euro. „Bei den Haushaltsansätze in den Jahren 24 bis 27 gehen wir jetzt von höheren Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von durchschnittlichen 26,3 Millionen Euro aus“, wundert sich Brantner. Trotz sehr guter Konjunktur schreibe die Stadt für die nächsten Jahre rote Zahlen.

Bei einem nur kleinen Einbruch in der gesamtwirtschaftlichen Lage und damit zusammenhängend geringeren Gewerbesteuereinnahmen würden „aus den roten Zahlen sehr tief rote Zahlen.“

Bis 2027  habe die Stadt „keinerlei Liquidität: „Dabei wollten wir in 2027 etwa 10 bis 15 Millionen Euro für den Schulcampus auf der Seite haben.

Sparen

Brantner appelliert an Stadträte, Verwaltung und Bürger: man dürfe nicht die Augen vor unangenehmen Tatsachen verschließen. „Die unangenehme Wahrheit ist allemal besser als die angenehme Unwahrheit.“

Brantner mahnte zukünftig mit den zur Verfügung stehenden Mittel sparsamer umzugehen, „auch wenn uns viele dieser Aufwendungen durch Verordnungen, Rechtsgutachten und Gesetzen aufs Auge gedrückt werden“.

Schließlich appellierte er an die  Bürgerinnen und Bürger, sich bei den Kommunalwahlen zu engagieren. Er erinnerte an einen  Satz von Wolfgang Schäuble: „Eine Demokratie braucht Demokraten.“ Es sein in herausfordernden Zeiten entscheidend, „engagierte Persönlichkeiten zu finden, die bereit sind, sich für das Wohl von Schramberg einzusetzen“.

Tanja Witkowski  – SPD/Buntspecht: Konkrete Verbesserungen für viele

Die Sprecherin der Fraktionsgemeinschaft SPD-Buntspecht Tanja Witkowski erklärte sie habe das Gefühl, dass die Stadt sich verzettle. Die Stadt habe sich für 2024 und die kommenden Jahre sehr viel vorgenommen. „Wir bauen eine neue Halle in Tennenbronn, die mit ursprünglich 10 Millionen veranschlagt war und vermutlich mindestens bei 15 Millionen im Endeffekt landen wird.“

Weitere 17 Millionen seien bis 2026 verplant, um die Sanierungsarbeiten am Gymnasium endlich abschließen zu können und die Toiletten an der GWRS Sulgen auf Vordermann zu bringen.“

Tanja Witkowski. Foto: him

Die Stadt stelle Personal im großen Stil ein. „All diese Maßnahmen haben ihre Berechtigung und sind dringend nötig“, so Witkowski. Die Entwicklungen in Schramberg bereiteten ihrer Fraktion aber großes Kopfzerbrechen. “Wir können das Geld nur einmal ausgeben.“

Knappe Kasse

Im Moment stehe die Stadt finanziell noch ganz ordentlich da. Im Ergebnishaushalt habe man aktuell noch ein Plus von rund 144 000 Euro bei ordentlichen Erträgen und Aufwendungen in Höhe von über 74 Millionen Euro. „Wir alle wissen aber, dass diese Zahlen im Haushaltsplan nur Momentaufnahmen sind, die sich seit der ersten Einbringung des Haushalts im November bereits in mehrfacher Hinsicht verändert haben.“

Sie erinnert an die höhere Kreisumlage und das Abspringen des Investors beim Krankenhausareal. Es würden weitere unvorhergesehenen Positionen mit finanzieller Auswirkung auf den Ratstisch kommen, fürchtet Witkowski. Sie nennt die Sportstättenbedarfskonzeption und die Feuerwehrbedarfsplanung, wo erforderliche Maßnahmen „uns noch einmal richtig viel Geld kosten“ werden.

Sie frage sich wie die Stadt das immense Investprogramm von 26 Millionen Euro einem Jahr schaffen wolle. Bis 2026 sei die Liquidität aufgebraucht. „Was das für unseren Schulcampus und all die Maßnahmen der kommenden Jahre bedeuten könnte, möchten wir gerne offen und ehrlich von der Verwaltung wissen.“

Die großen Ziele

Ihre Fraktion möchte, dass sich der Rat intensiver mit den großen Zielen beschäftige. Die Stadt müsse Geld dort ausgeben, „wo es zu einer konkreten Verbesserung für viele Menschen in den unterschiedlichsten Lebenslagen in Schramberg führt“. Ein gutes Beispiel sei das von SPD/Buntspecht beantragte 1-Euro-Ticket. Die etwa 100.000 Euro seien gut angelegt.

Witkowski spricht mit Blick auf immer neue Plätze und Plätzchen von „Aktionismus“ und fragt, ob diese „wirklich mit einem Mehrwert für große Teile der Bevölkerung“ verbunden seien. Dabei nennt sie den „Erich-Hauser-Platz“ oder das winzige Plätzchen an der B 462.

Villa Junghans

Auch bei der Villa Junghans plane man möglicherweise an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei. Sie schlägt vor, erst einmal mit einer kleiner Nutzung zu starten. Ihre Fraktion beantrage, dass die Villa bis zum Start der Innensanierung für Vereinssitzungen oder kleine Veranstaltungen freigeben wird.

Ein weiterer Vorschlag wäre, zu prüfen ob die Villa in einer Art Genossenschaft genutzt werden könnte. Dabei täten sich mehrere Vereine oder private Personen zusammen, und würden ähnlich wie in Tennenbronn beim Minigolf, die Villa nutzen.

Auf das für die Menschen Wesentliche konzentrieren

Kritisch betrachtet sie die Querungshilfe an der H.A.U. oder den Zebrastreifen in Schönbronn, beides wäre an einer anderen Stelle besser. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen in unserer Stadt gerne hier leben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen. Zu erkennen, wo wir wirklich Geld in die Hand nehmen müssen, um den sozialen Frieden zu erhalten, das Miteinander zu stärken, die Stadtteile besser zu verbinden und Schramberg attraktiv und lebenswert zu erhalten, erfordert große Achtsamkeit und Sensibilität.“

Der Haushalt 2024 habe viele Ungewissheiten, so Witkowski. „Es braucht deshalb dringend die Fokussierung aufs Wesentliche. Nicht alles geht gleichzeitig und manches geht auch gar nicht.“

Hinsichtlich des Industrie- und Gewerbegebietes „Schießäcker“ fordere ihre Fraktion die Verwaltung auf, das Gebiet nun schnellstmöglich – zumindest in Teilen – zu entwickeln. Ihre Fraktion werde darauf achten, dass das Gebiet möglichst innovativ und nachhaltig entwickelt wird, so dass der Flächenverbrauch im Vergleich zum Zusatznutzen verhältnismäßig ist.

Krankenhaus

Beim Sanierungsgebiet Bühlepark mit dem Krankenhausareal brauche man dringend eine Idee, was mit dem Gelände passieren soll. „Vielleicht sind kleinere Brötchen nötig, die dafür aber leichter umsetzbar sind.“

Auch Witkowski lud die Bürgerinnen und Bürger ein, sich für Schramberg einzusetzen und zu kandidieren. „Jetzt besteht die Chance, selbst in die Hand zu nehmen, was mit Schramberg passiert.“

Udo Neudeck – Freie Liste: Kritik an Rathausspitze

Der Sprecher der Freien Liste Udo Neudeck erläuterte zunächst, dass die Haushaltsberatungen in den vergangenen zwei Jahren zügiger von statten gingen, weil die Rätinnen und Räte viele Fragen vorab mit der Verwaltung geklärt hatten. Das habe aber nichts mit Klüngelei und Mauschelei zu tun, wie in den Medien angedeutet worden sei.

Früher habe es ein „Schaulaufen“ gegeben: „Der Gemeinderat konnte beweisen: Ich habe das ganze Buch gelesen“. Geändert habe man dabei aber wenig. Durch die Vorabklärungen seien jetzt „nur noch politisch relevante Punkte“ behandelt worden.

Udo Neudeck. Foto: him

Sorge wegen Auflagen

Zum Haushalt stellte Neudeck fest, dies sei „der letzte Haushalt ohne schmerzliche Einsparungen. Unsere Wirtschaft kränkelt, die Steuereinnahmen werden weniger und die Aufgaben einer Stadt immer schwieriger.“

Ursache seien auch die vielen Auflagen, Gesetze und Bestimmungen aus Brüssel und Berlin, „die uns irgendwann mal so viel Geld kosten, dass an Investitionen nicht mehr zu denken ist“.

Als Beispiel nennt er die Sanierung des Gymnasiums mit alten und neuen Grenzwerten und welche nun gerade gelten. Auch die europaweite Ausschreibung koste enorm viel Geld und Zeit. Ähnlich sei es beim Umbau der Kirchplatzschule in einen Kindergarten. Statt einst eine Million und Bau eines Ersatzbaus aus Containern sei man aktuell bei 4,9 Millionen.  Zum Schulcampus stellte Neudeck fest dieser sei mit dem Don Bosco Kindergarten begonnen.

Premiumprojekt Schulcampus

Für das „Premiumprojekt“ seien Planungsmittel eingestellt es gebe den besonderen Ausschuss Schulcampus. “Trotzdem werden wir das Gefühl nicht los, dass es immer noch sehr zögerlich vorangeht.“

Neudeck verlangt, die Verwaltungsspitze müsse sich „nicht um jeden Hafenkäs kümmern“, sondern ihre Arbeit auf wenige, wichtige Dinge konzentrieren.

Flüchtlingsunterkunft

Zur Unterbringung weiterer Geflüchteter und Asylbewerber betont Neudeck, es sei allerhöchste Zeit, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das müsse ein Premiumprojekt der Verwaltungsspitze sein.

„Man hat die Ankündigung vom Januar letzten Jahres mit einem privaten Investor eine Erstaufnahmestelle in Schramberg Tal zu bauen, nicht ernst genug genommen und den Gemeinderat und die Bevölkerung erst im Juni informiert. So konnten wir nur noch reagieren und nicht selbst agieren“, kritisiert Neudeck ohne die Oberbürgermeisterin beim Namen zu nennen.

Erst auf Druck durch den Gemeinderat versuche die Verwaltung nun Ersatzangebote und dezentrale Standorte zu finden, allerdings „nicht mit dem gebotenen Engagement“.  Es sei mit Blick auf die Situation in den Schulen und Kindergärten der Talstadt “unverantwortlich hier so leidenschaftslos wenig zu unternehmen“.

Scharfe Kritik an Verwaltungsspitze

Neudeck wird noch deutlicher: es sei eine „Unverschämtheit, den Anwohnern einen unkommentierten Brief zuzusenden“.  Sie erhoffte aufschiebende Wirkung der Satzungsänderung gebe es nicht. „Und dass man uns Gemeinderäte darüber nicht vorher informiert hat, ist frech und respektlos.“

Neudeck lobt hingegen die erfolgreichen Bemühungen durch das Juks3 bei der Anschlussunterbringung der asylsuchenden Menschen.

Wirtschaftsstandort Schramberg

Auch seine Fraktion mahne die Schießäcker an. „Dieses Industriegebiet ist für Schramberg enorm wichtig“. Neudeck bedauert, dass der Investor am Bühlepark abgesprungen ist. Seine Fraktion finde, dass es jetzt noch einen letzten Versuch geben soll, die Immobilie zu vermarkten. „Sollte der scheitern, dann muss man ernsthaft über einen Abbruch nachdenken und ihn dann auch verwirklichen.“

Zu den Hausabbrüchen fordert Neudeck, die Stadt müsse beim Abriss eines Hauses eine Presseerklärung herausgeben und den Abbruch begründen.

Unsinn abgelehnt

Der Gemeinderat habe ein paar unsinnige Beschlussvorschläge abgelehnt, etwa die Satzung zur Umgestaltung der Namensgebung für Straßen und auch das Hightech Parkleitsystem.

„Beim Auto der Polizeibehörde und beim Abbau der Schwellen vor dem Rathaus war der Gemeinderat nicht involviert, sonst wäre das anders gelaufen“, versichert Neudeck. „Aber das wussten die Verantwortlichen und haben uns deshalb nicht gefragt.“

Neudeck kritisiert die inneren Führung im Rathaus und den Umgang miteinander: Es müsse der Grundsatz des Respekts und der Anerkennung der Arbeitsleistung und der Erfahrung des Kollegen gelten. Auch sollte man ab und zu die Position zu wechseln und „ruhig mal barmherzig sein“. Auch das zu kontrollieren, sei Chefsache.

Mitmachen

Am Ende seiner Rede forderte auch Neudeck die Bürgerinnen und Bürger auf, sich beim Aufstellen der demokratischen Listen zu beteiligen. „Das ist auf jeden Fall besser, als passiv zu goschen.“

Schließlich dankte Neudeck auch Eisenlohr und wünschte ihr unter anderem, dass es ihr gelinge, „Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden“. Weiter wünschte er ihr die notwendige Souveränität bei der Personalführung und dass sie immer merken möge, „wer es gut oder böse mit Ihnen meint“.

Jürgen Reuter – „Aktive Bürger“: Abrechnung mit Oberbürgermeisterin statt Haushaltsrede

Anders als die anderen Fraktionssprecher überschrieb Jürgen Reuter für die „Aktiven Bürger“ seine Rede mit „Bilanz 2019-2024“.

Er befasste sich zunächst mit dem „sorgenvollen Blick auf Krisen und Kriege“:  In der Ukraine, den Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023. „Im Januar 2024 gab es Militärschläge auf Ziele im Jemen, im Irak, in Syrien, in Pakistan und im Iran. Er erwähnte die Bauernproteste „mit ihrem großen Rückhalt in der Bevölkerung“. Nach einer Ampelschelte wegen ihres „ideologischen Durchregierens“ wandte er sich an Obernbürgermeisterin Eisenlohr.

Jürgen Reuter. Foto: him

„Frau Eisenlohr wollte mit Herzblut, Weitblick und Kompetenz zuhören, verbinden und machen“, setzte er an. Ihr beruflicher Hintergrund habe vielversprechend geklungen. Im Wahlkampf habe sie eine bessere, eine moderne, serviceorientierte, gut geführte Stadtverwaltung versprochen. Zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler hätten ihr Vertrauen geschenkt. Reuter fragte, ob sie diesem Vertrauen gerecht geworden sei.

„Ist es Frau Eisenlohr mit Führungsleistung und Controlling gelungen, ohne Mehrbelastung die bei Strukturreformen übliche Effizienzrendite von 20 Prozent zu generieren, die sie für ihren Schulcampus benötigt?“ Reuter macht sich über Eisenlohrs Haushaltsrede mit ihrem „Bild nach Zahlen“ lustig: „Bei Kultur denkt sie an Feiern und Feste, Kunst und Konzerte erwähnt sie nicht.“

Schmutz, Dreck und Verwahrlosung

Reuter sieht „Schmutz und Dreck, Verwahrlosung, Verfall und Unordnung, Vandalismus, herumliegender Müll und öffentliches Urinieren“ als Stufen auf einer Spirale nach unten. 2019 sei Schramberg die sicherste Große Kreisstadt in Baden-Württemberg gewesen. „Heute sind Sachbeschädigungen durch Brandlegung keine Seltenheit mehr.“

Seit 2014 habe sich der Ausländeranteil in Schramberg fast verdoppelt und liege in der Talstadt bei 33 Prozent.

Pfaff und Schlauder

Im Zusammenhang mit dem Plan für Pfaff und Schlauder hielt Reuter Eisenlohr vor, sie habe ein halbes Jahr lang dem Gemeinderat Planungen einer Flüchtlingsunterkunft verschwiegen. „Sie wurde erst vorstellig, als der Vertrag unterzeichnet war – wohl wissend, dass es danach nahezu unmöglich ist, die Unterkunft in dem problembehafteten Sanierungsgebiet zu verhindern.“

Er spekuliert, die Stadt könne wegen des drohenden Wertverlust Grundstücke über „das Vorkaufsrecht des Sanierungsgebiets günstiger erwerben, Gebäude über Sanierungsmittel abreißen und die Grundstücke zu einem niedrigen Preis an Investoren veräußern“.

Krankenhaus

Zum leerstehenden Krankenhaus meinte Reuter: „Herr Herzog träumte von einem Luxushotel, Frau Eisenlohr von Luxuswohnungen.“  Sie habe die Immobilie „im Bekanntenkreis“ zum Kauf angeboten. Nun sei der einzige Interessent abgesprungen und der Stadt fehlten 1,8 Millionen Euro.

Zum Schießacker fragte Reuter: „Wie groß ist der reale Bedarf? Ist es der Rezession geschuldet, dass im Gewerbegebiet Madenwald nur ein Bauantrag einging?“

Bei der Villa Junghans stehe die Stadt „dank einer wenig professionellen Verhandlungsführung mit dem bisherigen Pächterehepaar vor einem Scherbenhaufen“.

Er bemängelte den Verzicht auf einen Neujahrsempfang, fand die Zahl der Politikerbesuche in Schramberg überschaubar, Besuche der Oberbürgermeisterin bei Landes-, Bundes- und Europapolitikern mit greifbarem Ergebnis seien ihm nicht Erinnerung.

Radweg, Talumfahrung und S-Bahnanschluss

Lob gab es von Reuter für (seine) Bürgerinitiative vom Hintersulgen und aus Schönbronn. „Ihr ist es mit einer stringenten Strategie gelungen, den Landkreis Rottweil dazu zu bewegen, einen Radweg von Mariazell auf den Sulgen zu bauen.“

Auch bei der Ortsumfahrung Schramberg gehe es erfreulich gut voran: 2024 stehe die Auswahl der Vorzugsvariante durch das Bundesverkehrsministerium an. Danach geht es schon in Richtung Planfeststellung, behauptete er.

Zum Projekt Wiederbelebung der Bahnstrecke Schiltach- Schramberg meinte der Fraktionssprecher der „Aktiven Bürger“, die Oberbürgermeisterin habe geschwiegen, „als sich Schramberg die Chance auf einen S-Bahn-Anschluss bot“ und den Ideengeber Fenske nicht eingeladen.

Schließlich kam Reuter doch noch auf den Haushalt zu sprechen. Bei mehr als 40 Millionen Euro Schulden bei den Eigenbetrieben sei der Anstieg der Schulden im Kernhaushalt „schwer verdaulich“.

Vertrauen angekratzt

Wenn wenige Tage nach der Vorstellung des Haushaltsentwurfs durch die Oberbürgermeisterin „aus einem geträumten Plus von 10 Millionen Euro ein reales Minus von 16 Millionen Euro“ werde, sei „das Vertrauen in Frau Eisenlohr zumindest angekratzt“, befand Reuter.

Die „Aktiven Bürger forderten, das Haushaltspaket müsse von der Oberbürgermeisterin aufgeschnürt und neu gepackt werden. “Wir lehnen den Haushaltsentwurf von Frau Eisenlohr ab!“

Gremium distanziert sich

Ganz gegen die üblichen Regeln meldete sich nach diesem Beitrag die Sprechern von SPD-Buntspecht zu Wort. Tanja Witkowski distanzierte sich für ihre Fraktion von dieser Art der Haushaltsrede.

„Wir finden es nicht in Ordnung, die Haushaltsrede für eine persönliche Abrechnung zu benutzen. Schade, dass die ‚Aktiven Bürger‘ die Chance nicht genutzt haben, sich sachlich mit der Thematik des Haushalts auseinander zu setzen und eigene Vorschläge einzubringen.“ Langer Beifall aus allen Fraktionen außer von den ‚Aktiven Bürgern‘.

Volker Liebermann – ÖDP-Fraktion: Schulcampus aufgeben

Der Sprecher der ÖDP-Fraktion Volker Liebermann begann seine Haushaltsrede mit einem Dank an Bernd Richter für „seinen beispiellosen Einsatz für unser Schramberg“. Für die Neuwahlen des Gemeinderats 2024 erhoffen wir, dass sich mehr Frauen aufstellen lassen.

Dann wurde er grundsätzlich: „Der Krieg in der Ukraine hält immer noch an, ein weiter Konflikt im Gaza-Streifen zwischen Israel und den arabischen Staaten bestimmt unser tägliches Leben auch hier.“

Volker Liebermann. Foto: him

Krisen dauern an

Daher sei es wichtig, gemeinsam Lösungen zu finden und sich den Gegebenheiten zu stellen. Wir könnten froh sein in einem demokratischen Staat zu leben, in dem Bürger mitentscheiden können, wie zum Beispiel hier im Gemeinderat.

Die Flüchtlingswelle halte immer noch an, Corona seit noch immer unser ständiger Begleiter.

Sparen

Zum Haushalt seien viele wichtige Punkte bereits angesprochen. Ihm erscheine wichtig, dass jetzt die höhere Kreisumlage zum Tragen komme. Dadurch rutsche Schramberg in die roten Zahlen. „Gut, dass wir durch die ansässigen Betriebe gute Gewerbesteuererträge von 31 Millionen erwirtschaften, sonst wären wir finanziell schon längst am Ende.“

Bernd Richters Maxime sei immer gewesen, wo es möglich ist, Kosten einzusparen, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erwirtschaften. „Das gegenteilige Ergebnis haben wir jetzt auf dem Tisch.“

Kostensteigerungen bei den Großprojekten wie bei der Halle in Tennenbronn trügen dazu bei. Von geplanten 8 Millionen sei man nun bei 15 Millionen. Bei der Kirchplatz-Schule das Gleiche. „Die Sanierung des Gymnasiums schlägt mit fast 15 Mio. zu Buche. Der jährliche Abmangel beim Freibad, Hallenbad und auch 1-Euro-Ticktet müssen finanziert werden.

„Wir fragen uns schon manchmal, warum wir uns im GR überhaupt Gedanken über Finanzen machen, sogar noch einen Kostendeckel draufsetzen und dann doch wieder alles obsolet dasteht.“

Wie wollen wir den Schulcampus finanzieren?

Aus ÖDP-Sicht sollten man die Reißleine ziehen und erst mal einen Teil des geplanten Geldes für den Schulcampus in die Sanierung der Schulen inclusive Gymnasium einplanen und den Kindergarten Don Bosco fertigstellen.

Für seine Fraktion sei der Schulcampus in weite Ferne gerückt „und ein halbtotes Pferd lässt sich schlecht reiten“.

Krankenhaus

Das geplante Großprojekt Bühlepark mit dem Krankenhausareal sei vom Tisch, „Aus unserer Sicht hätte es Schramberg gutgetan, endlich nach zehn Jahren tolle Wohneinheiten am Sonnenberg zu erhalten und eine Bauruine loszuwerden.“ Was den Investor letztendlich zum Rückzug bewogen habe, wolle er nicht weiter kommentieren

Es zeige sich aber wieder einmal, „dass nicht alles der Allgemeinheit dient, was Einzelnen nutzt“.

„Daran ändert auch die Bezeichnung ‚Universaldilletanten‘ für die Verwaltung und unserer Gremium nichts“, so Liebermann. Er gehe davon aus, dass hier jeder an seinem Platz nach bestem Wissen und Gewissen handelt und entscheidet und für sein Engagement gerne angemessen kritisiert, aber nicht öffentlich beschimpft werden möchte.

Klima und Leerstände

Die Stelle im Klimaschutzmanagement ist ja noch immer vakant und die Arbeit im Umweltbeirat einschließlich der erarbeiteten Ziele für die Stadt rückt so in weite Ferne.

Die Verwaltung und auch die Stadtwerke sollten dieses wichtige Thema priorisiert angehen, fordert er.

In der Innenstadt stünden viele Gebäude leer. Der Einzelhandel verliert immer weitere Geschäfte. “Da hilft auch keine kurzfristig in Leben gerufene Aktion der Wirtschaftsförderung jungen Unternehmern als Startup zu Beginn die anstehenden Mieten zu ersetzen“, so Liebermann. „Die meisten springen dann eben doch wieder ab, weil sie an den Folgekosten scheitern.“

Seine Fraktion habe viele Vorhaben mitgetragen, andere aber abgelehnt. Wegen dieser Vorbehalte werde sich seine Fraktion beim diesjährigen Haushalt 2024 enthalten.

Mit den Stimmen von CDU, SPD/Buntspecht und Freier Liste nahm der Gemeinderat die Haushaltssatzung an. Die ÖDP enthielt sich die „Aktiven Bürger“ stimmten mit nein.

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.