SCHRAMBERG – Der Kreis Rottweil hat in den Jahren ab 2015 das Problem der Flüchtlingsunterbringung auf seine eigene Art gelöst: Dezentral an vielen Orten in der Verantwortung des Landratsamtes. Das hat sehr gut zur Integration der Menschen beigetragen, hat verhindert, dass die Geflüchteten in Sporthallen und Massenquartieren untergebracht werden mussten, war aber nicht ganz gesetzeskonform.
Das möchten das Land, das Regierungspräsidium und das Landratsamt nun ändern – und das bringt für Schramberg ein handfestes Problem. Die Stadt muss für etwa 120 bis 130 Menschen Wohnraum finden. Marcel Dreyer, der in der Stadtverwaltung für die Flüchtlingsbetreuung den Hut auf hat, erläuterte im Gemeinderat die Lage.
Land will Kosten senken
In Baden-Württemberg kommen Flüchtlinge zunächst in eine Erstaufnahmeeinrichtung des Landes. Von da werden sie auf die Landkreise in die vorläufige Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft Verantwortung der Kreise verteilt. Nach Abschluss des Asyl-Verfahren oder zwei Jahren Anschlussunterbringung. Die Menschen können sich selbst eine Wohnung suchen, und wenn ihnen das nicht gelingt, sie also obdachlos würden, ist die Kommune wie bei allen Obdachlosen für sie zuständig und kann sie in eine Wohnung einweisen.
Bisher hatte der Kreis die betroffenen in den sowieso angemieteten Gemeinschaftsunterkünften belassen. „Das hat gut funktioniert“, so Dreyer. Doch das ist inzwischen dem Land zu teuer. Auf dem Höhepunkt des Zustroms hatte der Landkreis teure Mietverträge geschlossen, aus denen er jetzt aussteigen will. „Das Land hat den Kreisen vorgegeben, dass sie Wohnungen und Unterkünfte abgeben müssen“, so Dreyer.
Im Kreis Rottweil betrieb der Kreis zeitweise mehr als 100 Gemeinschaftsunterkünfte, derzeit seien es noch 45. Von den 900 möglichen Plätzen sind noch 560 belegt, davon etwa 150 aus der sogenannten vorläufigen Unterbringung. „Etwa 410 Personen müssten eigentlich schon von den Kommunen aufgenommen werden“, berichtet Dreyer. Das Regierungspräsidium hat dem Kreis vorgegeben, bis auf 250 Plätz für die vorläufige Unterbringung abzubauen. Diese Plätze sollen in Rottweil, Schenkenzell und Schramberg vorgehalten werden.
130 Menschen brauchen Wohnraum
Zur Lage in Schramberg berichtet Dreyer, dass seit 2013 der Kreis 500 bis 600 Flüchtlinge der Stadt zugewiesen habe. 400 bis 500 hätten sich in den vergangenen Jahren schon selbst auf dem Wohnungsmarkt eine Bleibe gemietet und seien entweder in der Stadt oder dem Umland untergekommen. Das sei eigentlich eine sehr erfreuliche Zahl. Etwa 130 Personen, das sind 16 Familien und 30 Einzelpersonen seien derzeit noch nicht versorgt.
Die Stadt habe schon fünf Wohnungen renoviert und bereit gestellt. Die Schramberger Wohnungsbau (SWB) verwalte diese Wohnungen und vermietet selbst auch an Flüchtlinge. Außerdem versuche die Stadt in die Mietverträge des Landkreises einzusteigen und dann die Betroffenen gegebenenfalls dort einzuweisen.
Dreyer sprach von mehreren „Herausforderungen“: Zum einen die unbegleiteten minderjährigen Asylbewerber. Diese seien inzwischen oft volljährig, mit 18 oder 19 Jahren bräuchten sie aber weiter Unterstützung in vielen Belangen. Zum anderen bestehe Wohnungsmangel gerade für große Familien.
Verteilung im Kreis ungerecht
Ein weiteres Problem ist die bislang höchst ungleiche Verteilung der Geflüchteten auf die Kommunen. 2015/16 haben einige Städte und Gemeinden deutlich mehr Geflüchtete aufgenommen, als sie nach der Aufnahmequote verpflichtet gewesen wären. Dazu gehören etwa Rottweil, Lauterbach, Schenkenzell, aber eben auch Schramberg. Andere Kommunen hielten sich vornehm zurück.
Weil der Kreis und das Land die Kosten für die Mieter übernahmen, war die Last für die Gemeinden überschaubar. Doch jetzt, wo die Anschlussunterbringung von den Kommunen zu leisten ist, kommt das Gerechtigkeitsproblem. Oberbürgermeister Thomas Herzog hatte sich in einem Brief an den Landrat gewandt und eine gerechtere Verteilung auf den gesamten Kreis angemahnt.
Da Zahlen zur Anschlussunterbringung nur schwer zu ermitteln sind, soll jetzt eine Belastungsquote als Grundlage für die Zahl der geflüchteten ermittelt werden, die jede Gemeinde aufnehmen soll. Es könnte also sein, dass die Zahl derjenigen, für die Schramberg Wohnraum finden muss, noch etwas sinkt, so Dreyer. „Wir werden umverteilen und mit Engelszungen auf die Betroffenen einreden, aber auch Druck machen müssen.“
Belastung gleichmäßiger verteilen
In der Diskussion forderte Ralf Rückert (Freie Liste), dass es „eine faire Umverteilung“ im Landkreis, aber auch innerhalb der Stadt geben müsse. Die Integration sei „ein großes Aufgabenpaket für die Schulen, die Kindergärten, die Vereine“ in der Talstadt. OB Herzog versicherte, „wir drängen drauf, aber die anderen Gemeinden wehren sich“. Über die Belastungs- Quote gebe es bereits Streit. Es sei zu befürchten, dass diejenigen Kommunen bestraft werden, die schon viele Menschen integriert haben, weil die bereits Integrierten nicht mitgezählt werden sollen.
Reinhard Günter (SPD-Buntspecht) lobte, dass er Kreis und die Stadt die Unterbringung der Flüchtlinge „so reibungslos über die Bühne gebracht“ haben. Seine Fraktionskollegin Tanja Witkowski war erschrocken über die Sprache: „Wir reden hier nur über Probleme, nicht über die Menschen, die in Schramberg heimisch geworden sind, und die wir auch gerne bei uns behalten möchten.“