Schramberg ist weiter eine Einwanderungsstadt

Integrationsbericht im Verwaltungsausschuss / Zuwanderung aus den EU-Ländern Rumänien, Bulgarien und Italien neben Geflüchteten aus der Ukraine und anderswo

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Lob von allen Seiten erntete Marcel Dreyer nach seinem Integrationsbericht 2023. Nicht weil alles bestens ist, sondern wegen der großen Anstrengungen, die die Stadt Schramberg und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Integration von Menschen mit ausländischen Wurzeln unternimmt. Trotz aller Widrigkeiten ist Dreyer überzeugt, für gute Projekte auch die richtigen Leute zu finden. Auch weil die Schramberger Arbeitsweise einen guten Ruf am Personalmarkt habe.

Schramberg. „Schramberg ist weiterhin eine Einwanderungsstadt“, stellte der Leiter der Abteilung Jugend, Familie bürgerschaftliches Engagement und JUKS fest. Seit 2013 etwa zehn Prozent stieg der Anteil der Ausländerinnen und Ausländer auf fast 20 Prozent im Jahr 2023 an. Während er in Tennenbronn bei konstant fünf Prozent und in Waldmössingen ebenfalls konstant bei acht Prozent liegt, ist er in der Talstadt auf 34 Prozent gestiegen. In Sulgen sind 14 Prozent der Bewohner Menschen mit einem ausländischen Pass.ausländeranlteil schramberg stadt 130624

Der überdurchschnittlich hohe Anteil in der Talstadt bringe „besondere Herausforderungen mit sich“, so Dreyer. Die Zahlen stiegen hier besonders auch bei Kindern und Jugendlichen. Es seien beileibe nicht nur Geflüchtete aus der Ukraine.  Besonders aus Rumänien, Bulgarien und Italien kommen Menschen zum Arbeiten in die Stadt.

Viele Wünsche an Bund und Land

Die Zuwanderung werde oft in den Medien negativ dargestellt. Die Stadt dagegen versuche eine positive Entwicklung zu erreichen. „Wir hätten viele Wünsche an Bund und Land, wie man Dinge anders gestalten sollte“, erklärte Dreyer. Da gehe es auch um Politikeraussagen, aber auch um Finanzen.ausländeranteil schramberg stadtteile 130624

Wesentlicher Teil der Integration seien die Sprach- und Integrationskurse, die die Volkshochschule anbiete. Es habe eine deutliche Zunahme bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gegeben. Wegen Erkrankungen bei den Dozentinnen und häufiger – oft von Amts wegen erzwungener – Wohnortwechsel der Teilnehmenden, sei es ein schwieriges Jahr gewesen. Durch die Umverteilungen entstehe ein „permanenter struktureller Stress“ für alle Beteiligten, beklagte Dreyer.

Job-Turbo mit Licht und Schatten

Der von der Bundesregierung angeworfene „Job-Turbo“ für die Jobcenter bringt ebenfalls Unruhe. Seit 20 Jahren sei die Devise gewesen, erst Spracherwerb bis zum Level B 1 oder B 2, dann Arbeit. Nun reiche auch das Sprachniveau A 2 aus. Das genüge aber für Leute, die einen Berufsabschluss haben, nicht, um eine qualifizierte Arbeit ausüben zu können.

Auch benötigen Leute, die einen dauerhaften Aufenthaltstitel erlangen wollen, das B 1 Niveau.  Das Aufenthaltsrecht habe die Bundesregierung deutlich vereinfacht. Wer eine Arbeit hat oder in Ausbildung ist, das B 1 Niveau erreicht und ein Bekenntnis zum Grundgesetz ablegt, hat sehr gute Chancen auf ein Aufenthaltsrecht. Wer das nicht erfüllt, muss mit „aufenthaltsbeendenen Maßnahmen“ rechnen – sofern er nicht Asyl- oder andere Schutzrechte genießt.

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Marcel Dreyer berichtet über die Integration in Schramberg,. Foto: him

Sprachprobleme überall

Von großer Bedeutung sei die frühkindliche Bildung. Bei den Kitas Don Bosco und Seilerwegle in der Talstadt hätten sich die Zahlen verbessert. Es seien aber nach wie vor keine guten Zahlen, wenn in sehr vielen Familien der Kindergartenkinder zu Hause kein deutsch gesprochen werde. „Die Kinder haben oft in beiden Sprachen Probleme.“ Das Land wolle mit „Juniorklassen“ an den Grundschulen das Sprachniveau fördern. Davon wären die meisten der Kinder in der Talstadt betroffen, die im Seilerwegle oder Don Bosco den Kindergarten besuchen.ausländeranlteil schramberg kitas 130624

Die Vorbereitungsklassen an den Schulen sollten verlängert werden, findet Dreyer. Ein Jahr reiche oft nicht aus, damit die Kinder ausreichend Deutsch lernen, um dem Unterricht zu folgen. Viele Kinder und ihre Eltern litten auch unter traumatischen Erlebnissen, die oft nicht aufgearbeitet worden seien. „Das muss dann in der Schule passieren.“ Für die Schulsozialarbeiterinnen allein sei das aber nicht zu schaffen. Der Erziehungsauftrag der Schulen werde immer wichtiger, stellte Dreyer fest.

Die Beratung durch zwei Integrationsmanagerinnen sei langfristig gesichert. Die Förderung werde sich künftig nach den Zahlen der zugewiesenen Geflüchteten richten.

Viele Probleme auf einmal

Dreyer sieht einen Mix aus Problemen für die Stadt im Zusammenhang mit der Integrationsarbeit: der Lehrermangel, steigenden Schülerzahlen und Migration. Hinzu komme der Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung an der Grundschule und der allgemeine Fachkräftemangel.

In der Beratungsarbeit müsse man wegkommen von der zielgruppenorientiertem Beratung zu einer bedarfs- und sozialraumorientierten Beratung und Pädagogik. Zu Deutsch:  Viele Eltern fragten beispielsweise im Kindergarten nach einer bestimmten Unterstützung, erläuterte Dreyer.

Ein Hinweis, „da und da bekommen Sie Hilfe“, bringe häufig nichts, weil die Menschen es aus welchem Grund auch immer nicht schaffen, „da und da“ nachzufragen. Andererseits müsse man auch überlegen wie weit man gehen oder die Leute auch machen lassen solle.

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Am Ratstisch Fachbereichsleiter Uwe Weisser, Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr und Marcel Dreyer. Foto: him

Bund, Land und Europa sind gefordert

In der Diskussion hob Thomas Brantner (CDU) hervor, dass Dreyer die Probleme klar benannt habe. Die Kitas, Schulsozialarbeiterinnen und Schulen leisteten eigentlich mehr als möglich sei. „Die Probleme sind auf kommunaler Ebene nicht zu lösen.“ Bund, Land, ja Europa müssten für eine gerechtere Verteilung der Hilfesuchenden sorgen. Auch bei den Finanzen seien Bund und Land gefordert, die Kommunen zu unterstützen.

Ralf Rückert (Frie Liste) sprach von einem „Wahnsinnsauftrag“, den das JUKS neben allen anderen Aufgaben bei der Integration erfülle. Er regte an, dass die Stadt prüfe, ob sie beim Landesprogramm „Schulreifes Kind“ noch zum Zuge kommen könnte. Dabei gehe es auch um Sprachförderung.

Tanja Witkowski (SPD-Buntspecht) schloss sich dem Dank an. Sie hob die „sehr gute Vernetzung aller Beteiligten in Schramberg“ hervor. Das sei eine außergewöhnliche Stärke in Schramberg, die Vorbildcharakter habe. Es gelte, das Personal zu entlasten. Dann gebe es eine gute Chance für die Integration.

Der Ausschuss nahm den Bericht zur Kenntnis.

Info: Der ausführliche Integrationsbericht ist hier zu finden.

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Martin Himmelheber (him)
Martin Himmelheber (him)
... begann in den späten 70er Jahren als freier Mitarbeiter unter anderem bei der „Schwäbischen Zeitung“ in Schramberg. Mehr über ihn hier.