Eine Vielzahl von Dingen stört die beiden direkten Nachbarn des Bauprojektes an der Rochus-Merz-Straße. Konrad Deufel und die Eheleute Elke und Howard Nagel haben am Montag bei einem ausführlichen Gespräch mit der NRWZ ihre Sicht der Dinge geschildert. Ihre Hauptsorgen gelten der Hangstabilität, der Verkehrssituation während der Bauphase und danach. Die NRWZ hat den Geschäftsführer der Constant Projekt Eberhard Mangold um Stellungnahme gebeten.
Schramberg. Die Aussage des Investors, es seien lediglich zwei Einwendungen eingegangen, wollen die beiden Einwenderfamilien so nicht stehen lassen: „111 betroffene Bürger haben sich am 28. Februar 2023 schriftlich gegen die Realisierung des geplanten Bauvorhabens geäußert“, so Howard Nagel. Er bezieht sich dabei auf eine Unterschriftensammlung unter Anwohnern aus dem Umfeld des Burgwegs und der Rochus-Merz-Straße.
Einwender
Die Stadt habe jetzt nur die fünf unmittelbaren Nachbarn im Bebauungsplanverfahren angeschrieben. Die anderen hätten keine Möglichkeit gehabt, die Pläne einzusehen, so Nagel und Deufel. Eberhard Mangold von der Constant Projekt hatte erklärt, die Stadt habe den Kreis der Angeschriebenen bewusst größer gezogen.
Dazu Nagel: „Eine Stichprobenbefragung in der Gruppe der Unterzeichner ergab, dass keiner der Befragten eine Mitteilung zum Vorliegen des Baugesuchs von der Stadt erhalten hat. Die Befragten äußerten Empörung darüber, dass ihnen aufgrund dieser Tatsache keine Gelegenheit gegeben wurde, in die Unterlagen Einblick zu nehmen und ihren Einspruch zu formulieren bzw. zu dem Bauvorhaben Stellung nehmen zu können.“
Auf Nachfrage der NRWZ erläutert die Leiterin der Baurechtsbehörde Linda Niebel, es seien die unmittelbaren Angrenzer und Nachbarn angeschrieben worden. Darüber hinaus Nachbarn und Anlieger, die „von dem Bauvorhaben berührt sein können“ – so wie es die Landesbauordnung bis zu einer Änderung im November 2023 vorgesehen hatte.
Konkrete Zahlen möchte sie nicht nennen. Es waren aber „deutlich mehr“ als die fünf von Nagel und Deufel Erwähnten. Alle Angeschriebenen hätten denselben Brief erhalten, in dem sie das Angebot erhalten haben, die Unterlagen einzusehen oder auch zugeschickt zu bekommen.
Visualisierung
Mangold hatte im Dezember eine Visualisierung des Vorhabens vorgelegt. Diese ist nach Ansicht der Einwender geschönt, weil sie die Nachbarhäuser nicht zeige. Der Abstand zum Haus der Familie Deufel werde nicht gezeigt. Auch seien die Abstände zwischen den zwölf Häusern dichter als auf der Visualisierung gezeigt.
Bei der Visualisierung, die er im Dezember der Presse gegeben hat, handle es sich um eine Visualisierung aufgrund erster Entwürfe, „um sich ein Bild vom Bebauungskonzept machen zu können“, erklärt Mangold dazu. Es gebe keinerlei Anspruch auf eine solche Visualisierung von Seiten der Nachbarn.
Hangrutschung
Beide Einwender fürchten, der Hang könnte ins Rutschen geraten. Das Haus der Nagels am Burgweg sei in „historischer Bauweise“ errichtet und habe keine betonierte Bodenplatte. „Die Resilienz historischer Gebäude ist weit davon entfernt von der Standfestigkeit heutiger Gebäude.“ Mangold verweist auf die Gutachter, die bestätigten, sein Projekt, gefährde keine Nachbarn.
Keine Fertighäuser
Im Gespräch weisen Deufel und Nagel auf den Bebauungsplan von 1986. Dort stünde in der Textlichen Festsetzung zum B’plan, es „dürfte eine Bebauung dieses Hanges mit Fertighäusern ausscheiden“.
Dazu erläutert Mangold, es würden individuelle Häuser geplant und gebaut, keine Fertighäuser. Auch blende Nagel aus, dass man genau das tue, was auch im Bebauungsplan stehe, nämlich individuell planen und die topgrafischen Verhältnisse berücksichtigen, um eine „Besonnung von Süden zu ermöglichen“.
Quellen
Im Gespräch mit der NRWZ haben die beiden Einwender darauf hingewiesen, dass es mehrere Quellen in diesem Bereich gebe. Die geologischen Untersuchungen hätten aber in einer extremen Trockenperiode stattgefunden.
Dazu weist Mangold darauf hin, „dass ein umfassendes Konzept für die bauzeitliche und dauerhafte Entwässerung erstellt wird“.
Abgrabung
Wenn der Hang an der Rochus-Merz-Straße auf einer Länge von gut 100 Meter abgegraben werde, dann sei dies „extrem gefährlich“. Das Haus Nagel am Burgweg 66 stünde „direkt an einer Bruchkante“. Das werde auch durch die geplante Bohrpfahlwand nicht geändert. Während der Bauarbeiten und danach befürchtet Nagel durch „durch Abgrabungen und Neuverfüllungen“ werde es zwangsläufig Setzungen geben.
In einem Gutachten für die Constant Projekt haben die Diplom-Geologen der Firma HPC allerdings festgestellt: „Die eigenen Untersuchungsergebnisse, die detaillierte Betrachtung der Wechselwirkung Bauwerk – Baugrund, unter Beachtung der zahlreichen planerischen Anpassungen und Maßnahmen (…), sowie die im Detailauszug IGHK50 dargestellte Geländestruktur führten zu unserer Beurteilung, dass im Baufeld keine Rutschgefährdung vorliegt und durch die geplante Bebauung auch nicht ausgelöst wird.“
HPC weist darauf hin, dass man seit mehr als zehn Jahren in Schramberg „mit der Erkundung, Bewertung und Sanierung von Rutschungen in diesem Bereich für die Stadt Schramberg tätig“ sei und deshalb mit den Besonderheiten des Schlossbergs „sehr gut vertraut“ sei.
Gutachter
An den Gutachtern der HPC hegen die Einwender allerdings Zweifel, weil das Unternehmen vom Bauherrn beauftragt worden und kein öffentlich bestellter Gutachter sei.
HPC habe eine „erstklassige Reputation“, versichert Mangold. Die Firma beschäftige 400 Mitarbeiter an 30 Standorten. „Die HPC AG hat zudem Erfahrungen im Hangrutschen, auch in Schramberg und weiß folglich, was zu tun ist.“
Bohrungen
Auch habe das Unternehmen lediglich sechs statt der seiner Ansicht nach erforderlichen 12 oder 13 Bohrungen vorgenommen, kritisieren die Einwender. „Keine der Bohrungen erfolgte in einem Baufenster“, moniert Deufel.
Die Gutachter hätten die sechs Bohrpunkte und Schürfgruben „bewusst gewählt“, entgegnet Mangold. Das Unternehmen verfüge über die entsprechende Expertise. Außerdem werde ein von der Stadt Schramberg zu bestimmender Prüfstatiker eingesetzt werden.
Die Einwender bemängeln, dass die Geologen eine Frage nach dem Restrisiko nicht beantwortet hätten. Mangold verweist auf deren Aussage, „dass im Baufeld keine Rutschgefährdung vorliegt und durch die geplante Bebauung auch nicht ausgelöst wird“.
Hangneigung
Auf einer Grafik hat Howard Nagel dargestellt, dass durch die neuen Gebäude der hang um sieben Grad steiler und damit rutschgefährlicher werde.
Dies sei eine „irreführende Darstellung“, meint Mangold. Es werde ausgeblendet, dass die Bohrpfahlwand den dahinter liegenden Hang und die Baugrube des davor liegenden Garagen-Baukörpers absichere. Die Bebauung werde vollständig der Topografie angepasst.
30 Rutschungen
Außerdem haben die Einwender eine Liste von 30 Rutschungen am Schlossberg zwischen 1940 und 2020 vorgelegt.
Dazu schreiben die HPC-Gutachter: „Nach unserer Kenntnis haben bei den stattgefundenen Rutschungen die tiefreichenden Rinnen im übersteilten Hang, ungeordnete künstliche Auffüllungen und der Einfluss von lokalen Oberflächenabflüssen die entscheidende Rolle gespielt.“ Solche negativen Einflüsse könnten nach ihren Erkundungsergebnissen „für dieses Baufeld ausgeschlossen werden“.
Baureihen
Für die Einwender ist die Bauweise mit zwei Reihen für Schramberg ungewöhnlich. Eine Häuserreihe entlang der Rochus-Merz-Straße analog der übrigen Bebauung wäre akzeptabel. Die von Constant geplanten Häuser entsprächen von der Straße aus betrachtet fünfstöckigen Bauten mit 14,1 Meter Firsthöhe. Deufels Haus dagegen sei nur zehn Meter hoch.
Dazu betont Mangold, seine Häuser hätten zwei Vollgeschosse mit je drei Metern plus das Dach: „Die Firsthöhe unserer Häuser beträgt 10,30 Meter.“ Es sei irreführen, „von der Straße aus zu argumentieren“.
LKW-Fahrten
Während der Bauphase rechnen die Einwender mit sehr viel mehr Baustellenfahrten als von Mangold angegeben. Statt der 6000 Tonnen Material und entsprechenden 400 LKW-Fuhren rechnet Howard Nagel mit der doppelten Menge Abraum nach “überschlägiger Rechnung und Planimetrie“.
Er rechnet auf LKW fuhren hoch und, da die LKWs wenden und durch die Rochus-Merz-Straße zurückfahren müssen, auch mit doppelt so vielen Fahrten. Er kommt einschließlich aller anderen Lieferanten- und Handwerkerfahrten auf rund 2500 Fahrten, „die sich durch die Wohnbebauung hindurch quälen müssen“.
Mangold dagegen rechnet hundert Meter Länge mal vier Meter Höhe mal zwölf Meter Tiefe und kommt auf 4800 Kubikmeter. Durch die Schräge betrage die Menge etwa zwei Drittel, also etwa 3200 Kubikmeter. Mal 1,8 ergibt das etwa 5800 Tonnen. Vier-Achser LKW können 12 bis 15 Tonnen transportieren, macht etwa 500 Abfahrten. Hinzu kommen für die Hangmodellierungen weitere etwa 200 Abfahrten.
Parken
Weiter befürchten die Einwender Nagel und Deufel, dass der Parkstreifen entlang der Rochus-Merz-Straße wegfallen müsste. Ansonsten könnten die Autos nicht aus den Stellplätzen unter den Häusern ausfahren.
Überdies seien zu wenig Stellplätze vorgesehen, nämlich nur 24 statt der wohl erforderlichen 36, wenn man anderthalb Stellplätze je Wohnung rechne. Durch den Wegfall öffentlicher Parkplätze werde das Problem noch verschärft.
Man erfülle den Stellplatzschlüssel eins zu eins, betont Mangold. Gegenüber der geplanten Garagenausfahrten seien keine ausgewiesenen Stellplätze und somit bestehe dort auch kein Anspruch auf Parken. „Im Übrigen betrifft dies alle Garagen und Stellplätze in der Rochus-Merz-Straße“, so Mangold.
Schatten
Weil die neuen Häuser deutlich höher als die übrigen Häuser seien, werde das Haus der Deufels in Zukunft „über viele Monate“ keine Sonne von Süden und Westen abbekommen. Aber auch die geplanten Häuser lägen ungünstig.
Die Einwender bezweifeln, dass die PV-Anlagen genug Strom für die Wärmepumpen liefern werden. Die Straße liege bekanntlich auf der „Schattenseite von Schramberg“.
Das wisse man, so Mangold, es sei aber für die Nachbarn, „völlig ohne Bedeutung“. Auch hätten die Deufels keinen Anspruch auf ein unbebautes Nachbargrundstück.
Dachneigung
Mit der beantragten Änderung der Dachneigung von 35 auf 45 Grad würden die Häuser etwa 85 Zentimeter höher, rechnet Nagel vor. Sie überstiegen die Giebelhöhe des Nachbarhauses um etwa 5,70 Meter.
Mangold kommt auf 71 Zentimeter. Er verweist auf den Bebauungsplan, da sei keine Höhenbegrenzung und keine Firsthöhe vorgeschrieben. Theoretisch könnte er so hoch bauen, wie er wolle, werde das aber nicht tun.
Investor von auswärts
Aus der Region traue sich seit 30 Jahren kein Investor an das Grundstück. Die bisherigen Versuche mit Terrassenbau und Pflegeheim seien von auswärtigen Projektierern gekommen. Auch die Constant-Projekt sei nicht von hier, stellen Deufel und Nagel fest.
Rutschungszonen
Das Regierungspräsidium schreibe im Zusammenhang mit den Rutschungszonen, man müsse „im unmittelbaren angrenzenden Bereich bei Rutschungszonen“ aufpassen. Tatsächlich grenzt das Baugebiet an eine Rutschungszone an.
Die HPC-Gutachter haben dazu erklärt, die Rutschungen am Schlossberg seien „im übersteilten Hang, bei ungeordneten künstlichen Auffüllungen und nach lokalen Oberflächenabflüssen“ aufgetreten. „Derartige negative Einflüsse können nach unseren Erkundungsergebnissen und gutachterlichen Bewertung für dieses Baufeld ausgeschlossen werden.“
Architektur
Bei den zwölf Häusern sehen Deufel und Nagel – der selbst Architekt ist – Probleme wegen der sehr geringen Breiten der Grundrisse. Nagel spricht von „schlechte Architektur, gelebt wird auf den Treppen.“
Diesen Vorhalt findet Mangold grotesk, für die Pläne habe es auch von Außenstehenden viel Lob gegeben. „Wir schaffen modernen Wohnraum für Familien.“
Bebauungsplan nicht eingehalten
In seinen Einwendungen hat Konrad Deufel auf fünf Verstöße gegen den Bebauungsplan hingewiesen.
Firsthöhe
Er hält die Firsthöhe für nicht eingehalten. Die bestehenden Häuser hätten alle eine Firsthöhe von etwa 455 Meter über NN. Die beiden geplanten Häuser in der ersten Reihe überstiegen diese um 2 und 3,4 Meter. Die beiden Häuser in der zweiten Reihe gar um 7,6 und 9 Meter. Sie würden eine „sehr große Häuserfront zur bestehenden Bebauung bilden“. Dazu sagt Mangold, es gebe keine Festsetzung im Bebauungsplan.
Dachneigung
Bei der Dachneigung sind 25 bis 35 Grad vorgesehen. Durch die geplante Dachneigung von 45 Grad würden die Häuser deutlich höher und massiver und der B’plan nicht eingehalten. Mangold gibt in diesem Punkt Deufel recht. „Eine Befreiung wird benötigt.“ Da jedoch keine Firsthöhe vorgegeben sei, sei das zu relativieren.
Vollgeschosse
Deufel erklärt, betrachte man die Häuser aus der ersten Reihe von der Straße, so wären sie 14,21 Meter hoch. „Dies wären mehr als zwei Geschosse“, die der Bebauungsplan vorschreibt. Man halte die zwei Vollgeschosse ein, versichert dagegen Mangold.
Geschossflächenzahl
Deufel sieht die Geschossflächenzahl um 29,1 Prozent überschritten. Der Bebauungsplan sehe 2114 Quadratmeter vor. Die Pläne lägen bei 2643 Quadratmetern. Auch hier gibt Mangold Deufel Recht, man benötige eine Befreiung. Er weist aber darauf hin, dass auf dem Grundstück etwa 2000 Quadratmeter bebaut werden dürften, seine Firma aber nur zwei Drittel also etwa 1330 Quadratmeter überbaue.
Baufenster
Schließlich moniert Deufel die Baufenster würden nicht eingehalten. Er zeigt auf einem Bebauungsplan auf Terrassen, Balkone, Treppen die über die Baufenster hinausreichen. Stimmt so nicht, entgegnet Mangold: „Sämtliche oberirdischen Baukörper befinden sich nachweislich in den Baufenstern.“ Lediglich der Garagenriegel ziehe sich durch. Das sei aber für die Nachbarn ohne Bedeutung, weil sie dadurch nicht tangiert würden.
Interessen
Deufel und Nagel klagen, das Projekt sei rücksichtslos gegenüber den Nachbarn. Es sei inakzeptabel, dass man „dem Narrativ eines ortsfremden Investors gegen den Willen der betroffenen Bürger von Schramberg“ folge. Der Investor stelle „die Wertschöpfung seines privaten Unternehmens über die Interessen der Anlieger“, schreibt Nagel.
Dem entgegnet Mangold, sein Unternehmen wolle modernen Wohnraum, für 24 Familien in der Talstadt schaffen. Dabei entstünde ein „Musterprojekt für generationenübergreifendes Leben und Wohnen“, Es handle sich um die „längst überfällige Schließung einer Baulücke“.
Nun ist das Baurechtsamt am Zug.